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Tino Sorge: Wir müssen die Verhältnisse in der Pflege verbessern

Rede zur Personalbemessung in Krankenhäusern

Tino Sorge (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sehen es dieser Tage sehr deutlich: Unser Land braucht eine leistungsfähige Krankenhaus- und Pflegelandschaft, gerade in der jetzigen Situation mit dem neuen Coronavirus.

Ich möchte deshalb zuerst einmal einige Worte jenen widmen, die im Gesundheitswesen in diesen Tagen wirklich Außergewöhnliches leisten, die mit aller Kraft daran arbeiten, das Coronavirus zu bekämpfen: in Krankenhäusern, in Pflegeeinrichtungen, in Pflegediensten, in Laboren, in Arztpraxen, in Apotheken, im Öffentlichen Gesundheitsdienst und ebenso in vielen anderen Bereichen. Ein ganz großes Lob an Sie alle! Wir alle schauen auf Sie, wir sehen, was Sie leisten, und Sie haben unsere volle Unterstützung. Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der heutigen Debatte geht es aber ganz konkret um das Personal in den Krankenhäusern. Da gibt es diejenigen, die die Dinge sehr gern schlechtreden, und es gibt diejenigen, die die Dinge anpacken, die Probleme lösen wollen. Und weil die Kollegen der Linken es sehr gern verdrängen: Erinnern wir uns mal, wie sehr wir die Situation in den Krankenhäusern allein in den letzten Monaten verbessert haben. Wir haben mit dem Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz den Krankenhäusern zusätzlich 250 Millionen Euro zukommen lassen, das heißt eine Viertelmilliarde, mit der Tarifsteigerungen in der Pflege aufgefangen werden sollen. Wir haben mit dem MDK-Reformgesetz die Abrechnung tagesbezogener Entgelte erhöht; das heißt, der Pflegebasisentgeltwert steigt auf fast 150 Euro. Wir haben auch bei den pflegeentlastenden Maßnahmen nachjustiert; das heißt, hier gibt es noch mal 150 Millionen Euro mehr für die Kliniken. Nicht zu vergessen: das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, in dem wir festgeschrieben haben, dass jede neue Pflegestelle im Krankenhaus refinanziert werden soll.

Ja – es ist hier in der Debatte auch angeklungen –, wir können uns Pflegefachkräfte nicht backen, leider. Wir müssen aber dafür sorgen, dass wir in den Diskussionen – da geht es auch um Sachlichkeit – nicht den Eindruck erwecken, als würden wir hier untätig sitzen und da nichts verbessern wollen. Das machen Sie als Opposition, gerade Sie von der linken Seite, ja sehr gern. Aber Sie wissen ja auch: Wir als Union und unser Minister Jens Spahn sind die, die liefern – selbstverständlich mit unserem Koalitionspartner, der SPD. Insofern: Lassen Sie uns da ein bisschen sachlicher bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema Personalbemessung ist ein Thema, über das wir häufig zu Recht sehr konstruktiv, gleichzeitig aber auch sehr kontrovers diskutieren; denn das ganze System lebt natürlich auch davon, dass man es laufend anpasst, dass man es weiterentwickelt. Das ist der Ansatz, den wir als Union verfolgen, und das ist auch ganz konkret der Ansatz unseres Bundesgesundheitsministers. Wir sehen es in der jetzigen Situation: Die Pflegepersonaluntergrenzen sind nicht statisch, sondern wir haben sie wegen der aktuellen Coronasituation ausgesetzt, und das ist auch gut.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, es ist ja immer ganz nett und gut gemeint, wenn Sie die Bundesregierung in Anträgen auffordern, neue Ideen zur Pflegepersonalbemessung in die Praxis umzusetzen. Aber Sie sind leider – wie meist – zu spät. Das BMG, das Bundesgesundheitsministerium, ist bereits seit Januar dabei – das wissen Sie auch –, die Vorschläge zu einem neuen Instrument zu bewerten. Das, was Sie hier fordern, sind mal wieder nur Schnellschüsse, und das ist das Letzte, was die Kliniken brauchen, das ist das Letzte, was die Pflegekräfte brauchen. Das erzählen Ihnen und uns im Übrigen auch die Pflegekräfte vor Ort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es mal grundsätzlich zu sagen: Gute Krankenhauspolitik besteht auch darin, dass man das bestehende System kontinuierlich feinjustiert und nachbessert. Das, was Sie hier fordern, bedeutete natürlich auch einen überstürzten Wechsel von einem System zum nächsten. Das hilft weder den Krankenhäusern noch den Pflegerinnen und Pflegern vor Ort. Das ist leider wieder nur Aktionismus.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Immer die gleiche Leier!)

Insofern geht es darum, dass wir gerade auch bei der Frage der DRGs – darüber haben wir hier auch diskutiert; das ist völlig richtig – in Richtung Länder sagen: Die Länder müssen ihren Investitionskostenverpflichtungen nachkommen, damit wir eben nicht die Situation haben, dass aus diesen Fallpauschalen letztendlich die Investitionskosten herausgepresst werden. Da kann ich nur sagen: Das betrifft nahezu jedes Bundesland. – Herr Weinberg, da erwarte ich auch, dass Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in Berlin und mit Herrn Ramelow in Thüringen sprechen, damit man das, was Sie hier immer wohlfeil fordern, letztendlich dann auch in den Ländern, wo Sie mit in Regierungsverantwortung sind, umsetzt. Das wäre – der Ehrlichkeit halber – wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Nicole Westig [FDP])

Um es ganz klar zu sagen: Der Antrag ist auch handwerklich unausgegoren. Da behaupten Sie zum Beispiel, dass die bisherigen Pflegepersonaluntergrenzen ohne pflegerische Expertise erarbeitet worden seien. Nur mal zur Erinnerung: Daran waren der Deutsche Pflegerat, der GKV-Spitzenverband, die Krankenhausgesellschaft, das BMG, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Patientenvertreter und Fachverbände beteiligt.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Unser Vorschlag stammt von einem ausgewiesenen Pflegewissenschaftler!)

Wollen Sie hier ernsthaft sagen, von all diesen Akteuren hätte nicht ein einziger pflegerische Expertise? Deshalb jetzt ganz konkret meine Frage: Wo sehen Sie denn pflegerische Expertise? Sehen Sie die bei Ihren Strategiekonferenzen, die Sie durchführen, oder wo sehen Sie die?

(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Oh! Ganz, ganz dünnes Eis!)

Insofern: Morgen ist zwar Freitag, der 13., aber lassen Sie uns doch ein bisschen sachlich bleiben und das nicht auf die Spitze treiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Wahrheit gehört auch dazu: Wir können noch so viel über die Bemessung von Personalbedarf sinnieren, aber angesichts der Realitäten des Arbeitsmarktes muss es uns doch auch darum gehen, dass wir die Priorität da setzen, wo es drauf ankommt, nämlich bei der Personalgewinnung. Insofern arbeiten wir als Union mit Hochdruck daran, die Personalgewinnung gerade in der Pflege voranzutreiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser klares Ziel ist dabei natürlich, möglichst viele junge Auszubildende, aber auch den einen oder anderen erfahrenen Rückkehrer – das ist genau die Diskussion, die wir führen – für diese Berufung zu gewinnen. Ja, das ist die entscheidende Stellschraube.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege Sorge, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin der Grünen?

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klein-Schmeink!)

 

Tino Sorge (CDU/CSU):

Von Maria Klein-Schmeink natürlich, sehr gern.

 

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke sehr für die Zulassung der Frage. – Welches Signal geben Sie als Vertreter der Unionsfraktion denn den Nachwuchspflegekräften, wenn diese Sie fragen, was Sie ihnen zusichern können, was sich verändert, damit sie in diesem Beruf bleiben können? Dass nur 10 von 100 einer ganzen Jahrgangsstufe anschließend in diesem Beruf arbeiten wollen, hat mich gestern sehr erschüttert, muss ich sagen. Ich habe auch nachgedacht: Was sagen wir denen denn? Was ist an Sicherheit da, damit sich tatsächlich etwas in diesem Berufsfeld verändern wird? Was sagen Sie?

 

Tino Sorge (CDU/CSU):

Wie gesagt, ich war selbst letzte Woche bei mir im Wahlkreis auf einer Veranstaltung. Magdeburg ist eine der ersten Städte bzw. Sachsen-Anhalt neben Hamburg eines der ersten Bundesländer, die auf die generalistische Pflegeausbildung setzen. Ich war bei einer Veranstaltung, auf der eine Menge Pflegefachkräfte und Azubis waren. Natürlich geht es denen darum, Wertschätzung zu bekommen. Das ist ja genau das, was wir wollen. Wir sagen: Wer in die Pflege geht, wer als Pflegefachkraft arbeiten will, der ergreift einen super Beruf. Das ist ein Beruf mit Zukunft; das ist ein Beruf, bei dem man Empathie braucht; das ist ein krisenfester, zukunftssicherer Beruf. Wir helfen diesen Menschen nicht, wenn wir hier immer alles schlechtreden und sagen: Die Pflege ist schlecht; in der Pflege läuft alles schief. – Das ist nicht der richtige Weg.

Was wir machen müssen, ist natürlich, die Verhältnisse in der Pflege zu verbessern. Da geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da geht es um Planbarkeit, um die Frage: Werde ich ständig aus meiner Freizeit geholt? Da geht es auch darum: Haben wir genug Pflegefachkräfte? Aber das eine bedingt das andere. Da gehört eine gute Bezahlung dazu. Da haben wir – Frau Klein-Schmeink, das wissen Sie doch auch; wir sind ja gar nicht weit auseinander – in den letzten Jahren doch viele gute Dinge auf den Weg gebracht. Also, lassen Sie uns darüber sprechen, was Gutes geschehen ist, und gleichzeitig auch darüber, was wir an den jeweiligen Stellen verbessern können, anstatt immer nur zu sagen: Alles ist schlecht, wir müssen das System komplett ändern, und das, was gemacht worden ist, ist sowieso nicht zielführend.

Insofern lade ich Sie gern dazu ein: Arbeiten Sie weiter mit uns zusammen. Wir sind in vielen Bereichen überhaupt nicht weit auseinander. Wir alle wollen eine gute Pflege. Wir alle sind den Pflegefachkräften sehr, sehr dankbar, –

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Okay.

 

Tino Sorge (CDU/CSU):

– und ich hoffe, dass viele junge Menschen sich für diesen Job entscheiden; denn es ist ein toller Job.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben immer noch nicht gesagt, wann das Ganze passiert!)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Klein-Schmeink, Sie können sich wieder hinsetzen.

 

Tino Sorge (CDU/CSU):

Insofern darf ich noch mal darauf hinweisen – das war ja auch das Petitum –, dass wir letztendlich die eine Seite bespielen und sagen: Natürlich braucht es Wertschätzung und gleichzeitig die entsprechende Regelung; da sind wir momentan dabei. Da geht es um Personalgewinnung im Ausland genauso wie im Inland, und daran arbeiten wir mit Entschlossenheit, aber auch mit der nötigen Besonnenheit. Dazu lade ich Sie alle ein – sehr gern auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken und von der ganzen Opposition –, und dann werden wir da sicherlich auch zu einem guten Ergebnis kommen. Mehr Menschen, gerade junge Menschen, in die Pflege zu bekommen, das ist unser aller Ziel; das wollen wir alle. Insofern: Herzlichen Dank für Ihre Mithilfe!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)