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Thomas Heilmann: "Diese Pandemie verlangt uns allen viel ab"

Mindest-Kurzarbeitergeld

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Pandemie ist eine Katastrophe – das hat unsere Bundeskanzlerin heute Morgen von diesem Pult aus gesagt, und natürlich hat sie leider recht. Diese Pandemie verlangt uns allen viel ab, und das gilt ganz gewiss auch für Geringverdiener, die heute vom Kurzarbeitergeld leben. Insoweit gibt es Einigkeit.

Ich glaube, in diesem Haus gibt es auch eine breite Einigkeit darüber, dass das Kurzarbeitergeld an sich eine segensreiche Einrichtung ist. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die viele Länder kopiert haben, und auf die wir sicher zu Recht stolz sind. Wir haben in dieser Krise nach den uns vorliegenden Zahlen bislang 23 Milliarden Euro an Kurzarbeitergeld ausgezahlt. Die Zahl der Empfänger von Kurzarbeitergeld lag im November – aktuellere Zahlen haben wir wohl nicht – bei 2,26 Millionen Bürgerinnen und Bürgern. In Hotels und Gaststätten – Sie haben es angesprochen, Frau Ferschl – sind es etwa 600 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Es gab und gibt auch Einigkeit in diesem Haus – auch das haben Sie angesprochen –, dass diese Betroffenen höhere Zahlungen bekommen sollen, als das im Normalfall vorgesehen ist; denn es gibt eine gute Logik, dass Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld gleich hoch sein sollen. Das ist die Grundregel, von der wir auch nicht abweichen. In dieser Pandemie sind wir aber wegen der sozialen Frage davon abgewichen: Wir haben das Kurzarbeitergeld ab dem siebten Monat auf 80 Prozent und, wenn jemand Kinder hat, sogar auf 87 Prozent erhöht.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Das dauert zu lang!)

Frau Ferschl, insofern habe ich Ihren Satz, die Situation verschlechtere sich mit zunehmender Dauer, ehrlich gesagt, nicht verstanden, weil ja eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes nach geltender Regel vorgesehen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Das dauert zu lang! Der Fehlbetrag summiert sich jeden Monat!)

Diese Lösung, Frau Ferschl, haben wir nach intensiver Debatte gewählt. Das wissen Sie; das haben Sie ja auch erwähnt. Auch wir haben als Arbeitnehmerflügel vorgeschlagen – und zwar schon im April 2020 –, dass es ein Mindestkurzarbeitergeld geben soll.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Na also!)

Wir haben uns dann dagegen entschieden – und auch das wissen Sie –, und zwar aus mehreren Gründen. Erster Grund: Die Bundesagentur für Arbeit hat gesagt, sie sei auf ein solches Verfahren nicht vorbereitet.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist überhaupt kein Grund! Einfacher kann es gar nicht gehen! – Zurufe von der LINKEN)

Und das ist auch sehr gut nachvollziehbar. Denn wenn jemand nicht ausschließlich Kurzarbeitergeld bekommt, sondern nebenbei noch einige Stunden arbeitet – und das haben wir gegenwärtig in der Gastronomie häufig, weil es den Lieferservice gibt –, dann muss man ausrechnen: 10 oder 15 Stunden arbeitet jemand dort oder dort, und da bekommt er soundso viel Lohn. Und dann muss der Mindestlohn ausgerechnet werden. Dafür hat die Bundesagentur für Arbeit keine digitalen Systeme, und deswegen – –

(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unterbrechen Sie mich doch nicht ständig! – Deswegen haben wir uns mit guten Gründen dagegen entschieden.

(Zurufe von der LINKEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kein Aufruhr! Der Kollege spricht.

Thomas Heilmann (CDU/CSU):

Zweitens – und auch das wissen Sie – besteht auch in den Gewerkschaften darüber Uneinigkeit. Der DGB und die IG Metall haben es anders gesehen als Verdi und NGG, und das wissen Sie doch.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind nicht der DGB, wir sind der Bundestag!)

– Ich habe ja nur die Begründung für unsere Entscheidung genannt, und diese Entscheidung ist: Es gibt ein höheres Kurzarbeitergeld.

Drittens gibt es die Aufstockung im Grundsicherungssystem mit erleichtertem Zugang auch für diese Betroffenen. Nun ist es leider so, dass auch da die Zahlen nicht so aktuell sind, wie wir das gerne hätten. Aber nach allem, was ich weiß – ich habe mich heute Morgen extra noch mal erkundigt –, gibt es keinen signifikanten Anstieg der Zahl von Anträgen auf Grundsicherung von Menschen, die Kurzarbeitergeld bekommen.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Weil die Menschen es nicht in Anspruch nehmen!)

Und auch das ist ein Zeichen dafür, dass es offensichtlich nicht so dramatisch ist, wie Sie das hier schildern.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das zeigt, dass es nicht funktioniert! – Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Nein, die Leute wollen sich nicht der Bürokratie aussetzen!)

Ich kann mir eine Bemerkung gerade an Sie, Frau Ferschl, nicht verkneifen. Wir von der Union wollen Register für Sozialleistungen, weil es nämlich gut wäre, wenn wir aktuelle Zahlen hätten, was die Nutzung und Beantragung dieser Instrumente betrifft, die auch kompatibel wären. Aber genau das – darüber haben wir in der letzten Sitzungswoche schon diskutiert – wollen Sie nicht. Das wäre jetzt ein guter Anlass, um mit präziseren Zahlen über die Frage, wie bedürftig die Menschen in diesem Bereich sind, aufzuwarten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe mich gefragt: Warum stellen Sie jetzt eigentlich diesen Antrag, obwohl der Bundestag das ja mit den genannten Gründen anders entschieden hat? Warum stellen Sie eigentlich nur einen Teil Ihrer Anträge neu? Sie haben es dann in Ihrer Rede angedeutet: Im Kern geht es offensichtlich um den internen Wettbewerb mit SPD und Grünen.

(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Oh mein Gott! Das ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen, was Sie hier sagen!)

Das ist doch nichts weiter als Wahlkampf. Sie haben angesprochen, dass die Grünen die NGG-Forderung unterschrieben haben, dass sie aber Ihrem Antrag aus dem letzten April, in dem dasselbe stand, nicht zugestimmt haben.

(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und Sie haben die SPD und die Probleme mit den Gewerkschaften vorhin selber erwähnt. Ich kann Ihnen sagen, liebe Kollegen von den Linken: Mit diesen Tricks werden Sie die Wähler nicht überzeugen, und Ihre Umfrageergebnisse sprechen auch dafür.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht und habe mir 23 Ihrer Anträge aus der Coronazeit angeschaut. Jeder einzelne dieser Anträge fordert mehr Geld für Betroffene.

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Ja, logisch!)

Kein einziger Antrag beschäftigt sich mit der Frage, wie wir aus diesem wirtschaftspolitischen Dilemma herauskommen und wie wir die Krise besser überwinden können.

(Zurufe von der LINKEN)

All das beantragen Sie nicht, sondern Sie haben 23 verschiedene Anträge dazu gestellt, wer alles mehr Geld bekommen soll, obwohl wir schon sehr viel dafür ausgeben. Das ist reine Verteilungspolitik, die Sie wollen.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Ja genau, das ist Verteilungspolitik!)

Und mit reiner Verteilungspolitik kann man eben keinen guten Staat machen. Die Umfragerückstände gegenüber der SPD und den Grünen belegen das eindrucksvoll.

Wir von der Union sind weiter für den Kurs, den wir eingeschlagen haben: sozialen Ausgleich stärken und höhere Zahlungen an die Betroffenen. Ihren Antrag werden wir im Ausschuss zwar diskutieren, ihm aber mutmaßlich nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)