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Thomas Heilmann: "Diese Koalition sorgt sehr wohl für den Zusammenhalt in der Bevölkerung"

Rede zum Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist, glaube ich, Zeit, die Kritik am Asylbewerberleistungsgesetz zurückzuweisen. Besonders beschämend war Ihr Beitrag, Herr Münzenmaier. Es ist wirklich unsäglich, dass Sie behaupten, dass hauptsächlich Analphabeten und Messerstecher nach Deutschland kommen. Was ist das eigentlich für eine Hetze? Dass Sie sich trauen, das hier zu sagen, ist wirklich unsäglich.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt keine Statistik, die das auch nur annähernd beweist.

Im Übrigen sind Ihre Ausführungen auch unlogisch. Sie sagen, es kämen lauter Unausgebildete hierher, lehnen die Schließung der Förderlücke aber ab, mit der wir dafür sorgen wollen, dass Menschen, die keine Ausbildung haben, eine Ausbildung machen können. Das ist doch völlig absurd.

(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Nein! Bei uns kämen die gar nicht hierher!)

Das ist die Fortsetzung dessen, was Herr Springer im Ausschuss gesagt hat. Auf das Beispiel, das die Bundesregierung gebracht hat, nach dem hier jemand Koch werden könne, hat er gesagt: Wir können diese Leute nicht brauchen; das überfordert Deutschland. – Deutschland braucht aber Köche, Deutschland braucht Altenpfleger, Deutschland braucht Menschen mit ganz vielen anderen Berufen. Es ist gut, wenn Zuwanderer in diesen Berufen ausgebildet werden. Insofern ist die Schließung der Förderlücke völlig richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was mich auch sehr ärgert, ist, dass Sie konsequent bei einer Lüge bleiben. Es gibt kein Taschengeld im Asylbewerberleistungsgesetz. Es wird nicht richtiger, wenn Sie immer wieder das Gegenteil behaupten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aus Berechnungsgründen wird zwischen sogenannten Grundbedürfnissen, Kleidung und Ernährung, einerseits und dem persönlichen Grundbedarf unterschieden. Das ist aber kein Taschengeld. Meine Kinder bekommen Taschengeld; aber deren Grundbedürfnisse finanzieren wir außerhalb dessen. Diese müssen die Kinder nicht von ihrem Taschengeld finanzieren. Es ist völlig lebensfremd, was Sie sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Insofern gibt es erst recht keine Erhöhung des Taschengeldes und auch keinen Pull-Faktor.

Ich kann Sie nur bitten – Sie sollen ja anderer Meinung bleiben; das ist in einer pluralistischen Gesellschaft so –: Verdrehen Sie bitte nicht die Fakten! Das tut unserer Gesellschaft nicht gut. Das ist die Grundlage dessen, was wir gerade in Bezug auf Kassel sehen, die Grundlage für diese unfassbare Hetze und die unfassbare Freude im Netz an einem Mord. Die Grundlage dafür legen Sie mit diesen ausländerfeindlichen und falschen Behauptungen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Thomas Heilmann (CDU/CSU):

Ja.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Bitte schön.

Petr Bystron (AfD):

Lieber Herr Kollege, vielen Dank, dass Sie die Nachfrage erlauben. – Sie haben gerade meinen Kollegen Münzenmaier angegriffen, weil er gesagt hat,

(Zuruf von der LINKEN)

dass die meisten Migranten, die herkommen, Analphabeten sind.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Und Messerstecher! – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Messerstecher! Viel schlimmer!)

– Genau, Analphabeten oder Messerstecher, manchmal sogar in Personalunion; aber das müssen wir jetzt nicht ausdiskutieren.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fangen Sie schon wieder mit dieser Hetze an? Halten Sie den Mund, und setzen Sie sich wieder!)

Ich habe auf die Schnelle ein bisschen gegoogelt und möchte Ihnen etwas vorlesen, und zwar von der Deutschen Welle – ich hoffe, Sie halten das für eine glaubwürdige Quelle –:

Asylbehörde BAMF besorgt über Zahl der Analphabeten unter den Flüchtlingen

Trotz spezieller Förderung wird das Erlernen der deutschen Sprache nach einem Zeitungsbericht für viele Analphabeten unter den Flüchtlingen zum großen Integrationshindernis.

… Nach BAMF-Angaben erreichen mehr als 80 Prozent dieser Flüchtlinge in Sprachkursen nicht das Sprachniveau B1, das Jobcenter und Arbeitsagenturen als Mindestanforderung für einen Helfer-Job oder eine Ausbildung bezeichnen.

80 Prozent! Halten Sie das nicht für eine Mehrheit?

(Zuruf von der SPD: Das sind doch nicht alles Analphabeten!)

Thomas Heilmann (CDU/CSU):

Das ist eine hübsche Verdrehung der Tatsachen. Erstens. Wer nicht deutsch spricht, ist deswegen ja kein Analphabet. Was ist das denn für eine Logik?

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das weiß der vielleicht nicht!)

Zweitens. Wenn Sie sich die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit anschauen, dann werden Sie feststellen: Es ist uns gelungen, bereits weit mehr als 20 Prozent der Flüchtlinge in sozialversicherungspflichtige Jobs in Deutschland zu vermitteln.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Pascal Kober [FDP])

Deswegen kann das, so wie es da steht, gar nicht stimmen. Die Deutsche Welle scheint irgendjemanden zitiert zu haben, den ich nicht kenne und den Sie jetzt auch nicht benannt haben. Insofern kann ich dazu nichts sagen.

Aber die Behauptung, die Mehrheit der Flüchtlinge seien Analphabeten, ist nach Ihrem eigenen Beleg falsch. Schon gar nicht sind die Mehrheit der Flüchtlinge Messerstecher. Es ist wirklich unerhört, dass Sie Deutschland so verhetzen wollen. Die Folgen sieht man ja.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Setzen! Sechs!)

Ich würde allerdings auch gerne noch etwas zu der Kritik der Linken an der Bedarfsstufe 2 sagen. Dass Sie die falsch finden, ist ja in Ordnung. Aber dass Sie dafür gleich die Menschenwürde als Argument nennen, ist doch ziemlicher Blödsinn. Ich will Ihnen sagen: Ich komme nicht aus einer reichen Familie. Ich habe in einem staatlichen Studentenwohnheim gewohnt, bei dem ich mir die Mitstudenten auch nicht aussuchen konnte; aber selbstverständlich haben wir zusammen eingekauft. Wir waren auch nicht zwangsverpartnert; ich habe das nie als Zwangspartnerschaft empfunden. Aber natürlich kann man so Geld sparen, und das haben wir getan.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Bundesverfassungsgericht hat das aber auf Familien begrenzt!)

Deswegen ist Ihre Annahme, dass man in einer Sammelunterkunft niemanden finden kann, mit dem man zusammen Geld sparen kann, aus meiner Sicht vollständiger Unsinn.

(Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Das ist das Urteil des Verfassungsgerichts!)

Sie können ja dagegen sein; aber ich finde die Regelung sehr sachnah. Ich kann Ihnen sagen, dass ich in meiner Tätigkeit für eine Hilfsorganisation, für die ich seit 15 Jahren arbeite, auch international viele Flüchtlingsunterkünfte gesehen habe. Auch da ist es üblich, dass die Menschen sich gegenseitig helfen, auch indem sie gemeinsam Dinge einkaufen. Insofern finde ich das nicht lebensfremd. Das Wort „lebensfremd“ würde ich ja noch akzeptieren, aber nicht, dass es gleich um die Menschenwürde geht. Ich finde, Sie übertreiben ein bisschen und sorgen damit leider nicht für den Zusammenhalt in unserer Bevölkerung.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Sie beziehen sich darauf! – Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Das ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts!)

Abschließend kann ich sagen: Ich finde, diese Koalition sorgt sehr wohl für den Zusammenhalt in der Bevölkerung, und zwar gerade durch das Gesetzespaket, das wir heute hier behandeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)