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Stephan Stracke: "Kunst- und Kulturschaffende sind systemrelevant"

Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wirtschaftlichen Folgen des Virus sind massiv, und auch die sozialen und psychischen Schäden sind hoch. Wir tun in dieser Koalition alles, um diese Schäden abzufedern, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Menschen abzufedern. Dabei haben wir die Gefahren dieses Virus nie unterschätzt. Die Grundausrichtung und die Strategien innerhalb dieser Bundesregierung waren immer richtig.

Anders als andere mussten wir uns nicht korrigieren. Ich denke beispielsweise an den Ministerpräsidenten Ramelow, der das auch öffentlich zugegeben hat. Es verdient natürlich Respekt, so etwas auch zugeben zu können.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Und wie viele CDU-Ministerpräsidenten haben sich geirrt?)

Aber letztendlich braucht es Weitsicht und Klugheit, was die nächsten Schritte angeht.

Weitsicht und Klugheit vermisse ich insbesondere bei den Vorschlägen der AfD. All das, was Sie jetzt fordern, ist der sichere Weg in die dritte Welle, und eine dritte Welle bedeutet mehr Schäden, dramatische Schäden in der Wirtschaft und im sozialen Bereich und natürlich auch mehr Tote. Das wollen wir nicht. Deswegen setzen wir sehr konsequent unseren Kurs von Vorsicht und Umsicht fort. Das ist auch das richtige Rezept, wie wir jetzt mit diesem Virus insgesamt umgehen müssen.

Vizepräsident in Dagmar Ziegler:

Herr Kollege, geben Sie das Wort zu einer Zwischenfrage an Frau Kipping?

Stephan Stracke (CDU/CSU):

Ja, Frau Kipping, gerne.

(Zuruf von der CDU/CSU: Gerne?)

Katja Kipping (DIE LINKE):

Herr Stracke, vielen Dank für die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. – Sie haben gesagt, Sie tun alles, um die Folgen abzufedern. Jetzt steht ja der Vorschlag im Raum, dass wenigstens diese einmalige Zahlung – uns als Linke ist das zu wenig – auch an Bezieher von Wohngeld und Kinderzuschlag gehen soll.

Und für alle, die mit diesen sozialpolitischen Fachbegriffen nicht so viel zu tun haben: Das sind Menschen, die ein extrem geringes Alterseinkommen haben, oder Familien mit mehreren Kindern, die auch ein ganz geringes Einkommen haben.

Bisher steht das nicht im Gesetzentwurf. Es gibt das böse Gerücht, das würde an der CDU liegen. Jetzt frage ich Sie ganz persönlich, um hier mal Transparenz zu schaffen: Was halten denn Sie persönlich von der Idee, diese kleine Leistung, die uns als Linke natürlich zu klein ist, vielleicht auch auf die 600 000 betroffenen Wohngeldbeziehenden und Kinderzuschlagsbeziehenden auszuweiten?

(Beifall bei der LINKEN)

Stephan Stracke (CDU/CSU):

Frau Kollegin Kipping, ich finde, dass diese Einmalzahlung, die wir jetzt in Höhe von 150 Euro auf den Weg bringen wollen, eine sehr pragmatische Antwort auf den Mehrbedarf während dieser Pandemie ist, die auch sehr unbürokratisch auf den Weg gebracht werden kann. Deswegen unterstütze ich es ausdrücklich, dass wir diese 150 Euro einmalig auszahlen.

Ich entnehme Ihren Äußerungen, dass Sie die Regelsätze gerne anpacken wollen und da unter Umständen monatliche Zahlungen haben wollen. Sie haben das ja in Ihrer Rede genannt. Ich will nur daran erinnern, dass wir im Rahmen der Veränderung und der Weiterentwicklung der Grundsicherung, der Regelsätze

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Nein, nein, Herr Stracke, beantworten Sie bitte meine Frage! Es ging darin um Kinderzuschlag- und Wohngeldbeziehende!)

ja sehr wohl – ich komme schon darauf – die Preisentwicklungen dieses Pandemiejahres 2020 berücksichtigt haben – das zum einen – und dabei im Übrigen auch die Mehrwertsteuersenkung, die ein halbes Jahr galt, nicht berücksichtigt haben. Das zeigt das gesamte Feld, in dem wir uns bewegen.

Deswegen müssen wir jetzt darüber diskutieren – und das tun wir ja nicht nur im Rahmen dieses Parlamentes, sondern auch außerhalb –, ob es noch weitere Ansatzpunkte gibt, beispielsweise diese 150 Euro noch einmal auszuzahlen. Ich verschließe mich einer solchen Diskussion nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um die wirtschaftlichen Folgen dieser Pandemie in den Griff zu bekommen, ist unser deutscher Sozialstaat ein stabiler Schutz und Schirm in dieser Naturkatastrophe. Wir lassen niemanden allein, und wer Hilfe braucht, den unterstützen wir. Wir haben deswegen in der letzten Woche ein 10-Milliarden-Euro-Paket mit mehr Unterstützung für Unternehmen, für Familien und für Menschen mit wenig Geld geschnürt, die besonders unter dieser Krise leiden.

Wir haben beispielsweise mit dem Kurzarbeitergeld schon eine sehr stabile Regelung, was Beschäftigung und Liquidität in den Betrieben angeht. Mit dem aufgestockten Kurzarbeitergeld leisten wir einen deutlichen Beitrag zur Sicherung der Kaufkraft. Und Menschen, die es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer haben, trifft diese Pandemie natürlich in besonderer Art und Weise. Deswegen haben wir bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres dafür gesorgt, den Zugang zu den Grundsicherungssystemen deutlich zu erleichtern. Wir haben hier schnell und einfach die notwendige finanzielle Unterstützung organisiert. Niemanden lassen wir in existenzieller Not alleine. Deswegen verlängern wir diese Regelungen. Das ist sicherlich gut.

Die Einmalzahlung ist eine pragmatische Antwort, darauf habe ich ja bereits hingewiesen. Schlüsselfragen sind da auch die Forderungen, die hier von Grünen und insbesondere der Linken zum bedingungslosen Grundeinkommen aufgestellt werden.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Das ist kein bedingungsloses Grundeinkommen!)

Schlüsselfrage ist nicht, möglichst hohe Geldleistungen möglichst lange in der Grundsicherung zu beziehen. Das ist nicht die Schlüsselfrage. Schlüsselfrage ist vor allem – und das ist eine arbeitsmarktpolitische Aufgabe –, wie wir die Menschen möglichst schnell aus dem Bezug wieder herausbekommen. Das ist letztendlich auch etwas, was den Menschen gerecht wird. Wir wollen nicht, dass die Menschen möglichst lange von Grundsicherung leben, sondern wir wollen sie dort möglichst schnell wieder herausholen. Darauf konzentrieren sich unsere Bemühungen.

Man muss diese Einmalzahlungen von 150 Euro ja im Gesamtpaket mit der Bereitstellung von kostenfreien FFP2-Masken sehen, mit der Übernahme der Kosten für digitale Endgeräte bis zu 350 Euro, damit Kinder am Onlineunterricht teilnehmen können. Ausdruck der Vorsorge ist es, ein warmes Mittagessen für Kinder und Jugendliche zu organisieren, wenn es wieder pandemiebedingt zu Schließungen kommen sollte; wir hoffen, dass dies nicht der Fall ist. Gleiches gilt natürlich auch für die sozialen Dienste und Einrichtungen. Wir wollen die soziale Infrastruktur schützen. Wir kümmern uns um die sozial Schwächsten in unserer Gesellschaft und um die Kümmerer in den sozialen Diensten und Einrichtungen. Das zeigt: Unser Sozialstaat ist leistungsfähig und hat den Stresstest in dieser Pandemie mehr als bestanden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eines ist noch wichtig: Kunst- und Kulturschaffende sind systemrelevant. Deswegen ist es auch ein wichtiges Signal, das wir aussenden, dass wir für sie die jährliche Mindesteinkommensgrenze auch im Jahr 2021 aussetzen. Die Künstlersozialversicherung bietet einen wichtigen Schutz gerade für die wichtige Gruppe derer, die in Kunst und Kultur Unglaubliches leisten. Deswegen darf dieser Schutz nicht verloren gehen. Dafür sorgen wir.

Insgesamt ist es ein gutes Gesetzgebungspaket, das wir als Koalition auf den Weg bringen wollen. Es verdient allseitige Zustimmung und Unterstützung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)