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Stephan Pilsinger: Eine Organspende muss immer freiwillig sein

Rede in der Debatte zu Organspenden

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass wir heute über das Thema Organspende sprechen, begrüße ich sehr. Die Bedeutung wird an den aktuellen Organspendezahlen in Deutschland deutlich; denn diese sind erschreckend niedrig, und das darf nicht so bleiben. Daher bin ich Herrn Bundesminister Spahn auch äußerst dankbar, dass er sich dieses Themas angenommen und den Entwurf eines Gesetzes für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende erarbeitet hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Gesetzentwurf baut auf einer zentralen Erkenntnis auf: Die niedrigen Organspendezahlen sind auf Probleme im Prozess der Organspende zurückzuführen. Hieraus werden im Gesetzentwurf dann die richtigen Schlüsse gezogen. Umso unverständlicher ist es für mich, dass darüber hinaus die doppelte Widerspruchslösung gefordert wird. Das halte ich für kontraproduktiv, da eine Verbesserung der Prozesse die Widerspruchslösung geradezu überflüssig macht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Nicole Westig [FDP])

Ein Blick auf die weltweite Situation zeigt, dass es unterschiedliche Lösungen mit unterschiedlichen Erfolgen gibt. So haben zum Beispiel die USA mit der Zustimmungslösung hohe Organspendezahlen erreicht. In Schweden ist die Zahl gespendeter Organe trotz Einführung der Widerspruchslösung stagniert. Das zeigt deutlich: Wir können nicht ohne Weiteres behaupten, die Widerspruchslösung würde automatisch zu besseren Organspendezahlen führen. So einfach ist es nun einmal nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Die USA und Schweden legen vielmehr den Schluss nahe, dass die schlechten Organspendezahlen auf Probleme im Prozess der Organspende zurückzuführen sind; das sagen auch die meisten Experten sowie eine Studie des Uniklinikums Kiel.

Die Widerspruchslösung verfehlt nicht nur wahrscheinlich ihr Ziel, sie ist auch ethisch mehr als bedenklich. Sie verstößt gegen unsere Werte. Man kann ein bloßes Nichtssagen nicht einfach als Zustimmung werten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Eine Organspende muss immer freiwillig sein; darauf weist schon der Begriff „Spende“ hin. Die Widerspruchslösung würde aber eine Pflicht zur Organspende begründen, der sich die Bürgerinnen und Bürger nur durch den rechtzeitig erklärten und dokumentierten Widerspruch entziehen könnten. Einen solchen Paradigmenwechsel, der die Integrität des Körpers infrage stellt, dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. René Röspel [SPD])

Wenn wir schließlich an die Verwandten eines verstorbenen potenziellen Organspenders denken, wird es bei der doppelten Widerspruchslösung gänzlich paradox. Die Hinterbliebenen werden nach wie vor in einer emotionalen Extremsituation mit der Frage der Organspende ihres Verwandten konfrontiert. Sie würden nicht mehr, wie aktuell, gefragt: „Dürfen wir die Organe Ihres Verwandten entnehmen?“, sondern: Dürfen wir die Organe Ihres Verwandten nicht entnehmen? Menschen in einer solchen Extremsituation, beispielsweise nach einem Autounfall, das zu fragen und indirekt zu nötigen, ihre Angehörigen als Organspender freizugeben, finde ich grundfalsch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Aus praktischen, aus rechtlichen, vor allem aber aus ethischen Gründen bin ich daher für die Beibehaltung der Entscheidungslösung. Sinnvoll fände ich eine Lösung, bei der alle Bürgerinnen und Bürger bei einer einheitlichen Gelegenheit, zum Beispiel der Ausstellung eines Personalausweises, gefragt werden, ob sie Organspender sein möchten. Diese Lösung wahrt zudem das Selbstbestimmungsrecht, die Würde des Menschen sowie die Integrität des Körpers. Auch würde sie Verwandte in emotionalen Ausnahmesituationen entlasten, da der Wille des Verstorbenen dokumentiert ist.

Wir müssen für beides kämpfen: mehr Organspenden und absolute Freiwilligkeit bei den Spendern. Das ist miteinander vereinbar.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)