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Rudolf Henke: "Wir brauchen Kohärenz im Vorgehen"

Rede zur Stärkung des Parlaments in epidemischen Lagen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst begrüße ich mal den Wunsch nach einem bundeseinheitlich abgestimmten Vorgehen,

(Hilde Mattheis [SPD]: Ja, ich auch!)

und ich begrüße auch, dass damit die gestern wiederholt vorgetragenen Plädoyers dafür wieder aufgegriffen werden.

Ich will an die gestern auch schon erwähnte Initiative des Landes Schleswig-Holstein erinnern:

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der FDP: Bravo!)

Die Landesregierung Schleswig-Holsteins – unter Beteiligung der FDP, der Grünen und der Union –

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Hört hin, liebe Grüne!)

schlägt vor, einen Perspektivplan für den Zeitraum ab 15. Februar bis April vorzulegen.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Also ist die MPK am Ende?)

Der Bundesregierung vorzuwerfen, dass sie Pläne schmiedet, die sie mit den Ministerpräsidenten diskutieren will, und im Fall von Schleswig-Holstein zu sagen: „So ist es richtig“, das ist ein Widerspruch, den Sie erst mal auflösen müssten. – Erste Bemerkung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweite Bemerkung. Fast alle Forderungen, die Sie hier vortragen,

(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

sind bereits heute im Infektionsschutzgesetz vorgesehen, und sie werden auch bereits heute, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, in der Praxis gelebt,

(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist es!)

und zwar durch ein allseits bekanntes Gesetz, dem Sie Mitte November – ich will über die Gründe nicht spekulieren – nicht zustimmen wollten: dem dritten Bevölkerungsschutzgesetz. Jetzt lese ich in Ihrer Begründung – Zitat –:

Der Deutsche Bundestag, der als Gesetzgeber auch die Möglichkeit hätte, das Bundesrecht zu ändern

(Beifall der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und selbst hierdurch die Maßnahmen der Pandemiebekämpfung zu vereinheitlichen …

Wenn das so ist,

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum machen Sie es dann nicht?)

dann nutzen Sie doch diese Möglichkeit!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn der Parlamentarismus würde doch damit gestärkt, wie Sie sagen, wenn Sie die Fehler, die die Koalition macht,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Angeblich!)

die die Ministerpräsidenten machen, hier konkret benennen würden und wenn Sie dann sagen würden:

(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Das holen wir zurück, dem stimmen wir zu, und das beschließen wir anders. – Aber warum machen Sie das denn hier nicht?

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Sie haben die Möglichkeit.

Stattdessen konzentrieren Sie sich nur auf Verfahrensfragen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)

Verfahrensfragen sind wichtig; aber diese Verfahrensfragen dürfen doch nicht dazu führen,

(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

dass in der Bevölkerung der Eindruck entstehen muss, als wäre eine totale Uneinheitlichkeit da und als gäbe es keinen Diskurs, der vernünftig ist.

(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

Und natürlich: Ich bin sehr dafür, dass wir die Parlamentsrechte stärken. Ich bin sehr dafür, dass wir in dieser Woche, ich glaube, 435 Minuten lang hier im Parlament über mit Covid zusammenhängende Sachverhalte diskutieren.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Fast acht Stunden!)

Ich bin sehr dafür, dass wir das stärker nach außen tragen. Aber ich kann doch, wenn ich 435 Minuten Parlamentszeit für die Covid-Debatten verwende, nicht sagen: „Es ist schlecht“, wenn sich dann auch mal die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten in dieser Ministerpräsidentenkonferenz verständigen.

Was wir brauchen, ist natürlich Kohärenz im Vorgehen. Und das, was wir heute liefern, ist leider Gottes – leider Gottes! – zu einem großen Teil nicht das Bemühen um Kohärenz, sondern vermittelt zu einem großen Teil den Eindruck, als ob die Zerstrittenheit und die Profilierung der einzelnen Oppositionsparteien im Vordergrund stehen sollten und müssten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Henke, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin?

(Zuruf von der FDP: Nur Mut!)

 

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Bitte, ja, Frau Aschenberg-Dugnus, gerne.

 

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP):

Vielen Dank, Herr Kollege Henke. – Würden Sie mir zustimmen, dass es nicht einem Parlamentsvorbehalt entspricht,

(Zuruf der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

wenn man mal im Parlament darüber diskutiert,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nein, aber dem Bundesinfektionsschutzgesetz!)

und dass es ein Unterschied ist zwischen einem Parlamentsvorbehalt und einem Diskussionsvorbehalt nach dem Motto „Schön, dass wir mal darüber gesprochen haben“?

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Parlamentsvorbehalt heißt, dass man vor den Entscheidungen

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir haben die Gesetze beschlossen, nach denen sich die Bundesregierung auch richten soll!)

im Parlament darüber diskutiert und danach entscheidet.

(Beifall bei der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an den Abg. Dr. Marco Buschmann [FDP] gewandt: Ja, Marco, jetzt klatschst du doch nicht! Das ist ja wohl wirklich peinlich! Als hätten wir hier keine Gesetzesvorhaben!)

 

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Verehrte, liebe Kollegin Aschenberg-Dugnus, natürlich ist es ein Unterschied, ob Sie über einen Antrag diskutieren, ob Sie ein Gesetz verabschieden, ob Sie eine Verordnung in den Mittelpunkt der Diskussion stellen. Aber die Frage, wie wir mit diesen Themen umgehen, liegt doch bei Ihnen, bei uns und bei den Übrigen.

(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Deswegen ist doch diese Frage, wie wir uns dazu verhalten, eine, die von unseren Entscheidungen hier im Parlament abhängig ist.

Jetzt verstehe ich ja, dass Sie sagen: Das Bevölkerungsschutzgesetz, das uns diesen gesamten Raum gibt,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist die Gesetzesgrundlage!)

ist, weil wir als FDP ihm widersprochen haben, für uns nicht der Maßstab. – Aber es ist doch hier im Parlament beschlossen worden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist das!)

Wir haben es doch hier im Parlament mit der nötigen Mehrheit ausgestattet.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Weil wir es vorher korrigiert und verändert haben!)

Jetzt können Sie doch auch jeden Paragrafen dieses Bevölkerungsschutzgesetzes nehmen und sagen: Den hätten wir gerne geändert. – Sie können auch jede Regelung, die der Bundesminister für Gesundheit oder die Bundeskanzlerin oder sonst jemand trifft, als übergriffig bezeichnen und dann sagen: Das muss zurückgenommen werden. -

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn sie dafür die Mehrheit haben, ja!)

Sie können sich dabei auf das Infektionsschutzgesetz und auf das Bevölkerungsschutzgesetz stützen. Aber warum tun Sie es denn nicht?

Sie tragen doch dort, wo Sie die Regierung mittragen, in aller Regel dazu bei, dass diese Beschlüsse tatsächlich auch umgesetzt werden. Ja, es regt mich auch auf,

(Zuruf von der FDP: Das sieht man!)

dass nach jeder dieser Konferenzen, auf denen Einheitlichkeit verkündet wird, jeder Teilnehmer irgendeine Facette sucht, wo er ein bisschen abweicht. Aber wenn Sie sagen: „Wir wollen das nicht, wir wollen diesen Spielraum nicht“, dann könnten Sie doch auch konkret sagen: „Das, was jetzt abweicht in Nordrhein-Westfalen, das, was abweicht in Schleswig-Holstein, nehmen wir weg“, oder: Das, was in Baden-Württemberg abweicht, das, was in Hessen abweicht, soll unterbunden werden. – Aber darüber müssten wir dann hier diskutieren, und dann müssten Sie es sagen. Sie machen aber nur Verfahrensdebatten, und das finde ich etwas inhaltsarm.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Inhaltsleer!)

Ein Bürger aus Ilsfeld in Baden-Württemberg – Herr Karl Kühner, den ich überhaupt nicht kenne – hat mich nach der letzten Sitzungswoche angeschrieben und darum gebeten, hier seinen Basisbürgergedanken vorzutragen – es ist nicht meiner, aber ich finde ihn interessant –, Zitat:

Dadurch, dass in den jetzigen Krisenzeiten die Theater geschlossen sind, schaue ich mir gerne Bundes- und Landtagsdebatten an;

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn da bekomme ich kostenlos Theater geboten. Es ist zwar traurig, dass ich so etwas schreiben muss, aber das Niveau hat doch deutlich nachgelassen.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Stimmt!)

Zitat Ende.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Henke, es gibt noch eine Zwischenfrage von dem Kollegen Straetmanns, Die Linke.

 

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Dann muss ich das nachher weiterführen. – Ja, gerne.

(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

 

Friedrich Straetmanns (DIE LINKE):

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Herr Kollege. – Ich glaube, eins ist doch klar geworden aus dem Antrag der FDP, aus unserem Antrag für ein Pandemiegesetz und aus Bemühungen der Grünen: dass wir insgesamt eine verstärkte Debatte nicht nur im Parlament einfordern und verlangen, sondern dass wir auch bessere Information haben wollen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mehr als acht Stunden in drei Tagen! Donnerwetter!)

Wenn Sie sich hier dauerhaft verweigern, dann sorgen Sie auch dafür, dass die Akzeptanz aller Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise in der Bevölkerung immer mehr verloren geht.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Acht Stunden in drei Tagen reichen nicht aus?)

Ich würde Ihnen empfehlen, sich doch mal den Ansichten der Opposition anzunähern; denn eine solche Krise kriegen wir nur gemeinsam in einem demokratischen Diskussions- und Entscheidungsprozess gelöst.

(Beifall bei der LINKEN und der FDP)

 

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Beispiel: Wir werden ja heute noch eine Debatte über die Frage haben, wie wir mit den Schnelltests umgehen wollen, den Antigentests, die nicht von Professionellen durchgeführt werden müssen, sondern die von den Bürgern selbst als Gurgeltest oder als Spucktest durchgeführt werden können.

(Zuruf von der FDP)

Um diese Frage geht es in einem Antrag, den die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebracht hat. Frau Hilde Mattheis weiß, dass wir beide diese Frage in der vorigen Woche am Rande des Ausschusses für Gesundheit diskutiert haben. Wir haben sie auch mit dem Bundesminister für Gesundheit diskutiert, und wir haben – oh Wunder! – jetzt einen Referentenentwurf für eine Rechtsverordnung vorliegen, die genau diesen Punkt aufgreift.

Ich finde es falsch, die Dinge so darzustellen, als ob Ihre Themen nicht wahrgenommen würden und nicht diskutiert würden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Berichtspflicht der Bundesregierung ist ja nicht nur Gesetzestext, sondern sie ist auch gelebte Praxis. Wir haben sie im November in § 5 des Infektionsschutzgesetzes noch mal explizit bekräftigt.

(Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])

Die Mitglieder des Gesundheitsausschusses und wir hier im Parlament wissen, dass wir inzwischen auch vor jeder Bund-Länder-Konferenz digitale Sondersitzungen des Ausschusses mit dem Bundesministerium für Gesundheit durchführen. Vielleicht sollten Sie sich in Ihren Fraktionen genauso mit den Gesundheitspolitikern austauschen, wie wir das in unseren Fraktionen machen. Vielleicht wäre das auch mal eine Idee, wie man den Informationsfluss verbessern könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Jan Korte [DIE LINKE]: Scheint nichts dazu beigetragen zu haben!)

Ansonsten: Immer auf Verlangen. Und die Bundeskanzlerin steht hier auch in den Fragestunden der Bundesregierung Rede und Antwort.

Deswegen: Es ist legitim, diesen Antrag einzubringen. Deswegen ist es auch richtig, dass wir den Antrag dann anschließend in der Ausschussberatung diskutieren;

(Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])

da werden wir ihn auch noch mal auf Herz und Nieren prüfen. Aber Sie täten Ihrem eigenen Anliegen einen größeren Gefallen, wenn Sie sagen würden, was Sie geändert haben wollen, wo Sie andere Schwerpunkte setzen wollen, anstatt sich nur auf Verfahrensfragen zu konzentrieren.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])