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Rudolf Henke: "Den Mangel an Impfstoff können wir jedoch nicht weghexen"

Rede zum Impfbeginn in Deutschland und in Europa

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Ich bin nicht übermäßig glücklich mit der Art, wie die Debatte verläuft. Eigentlich haben wir gedacht, wir machen hier eine gemeinsame Bestandsaufnahme und nutzen diese Bestandsaufnahme, um möglichst übereinstimmend und einvernehmlich an die Bürgerinnen und Bürger zu adressieren, wie es weitergeht und vor allem auch, dass es Gründe für Zuversicht gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ohne jetzt auf jeden Einzelnen, der vorgetragen hat, einzugehen: Mein Eindruck ist ein bisschen, jeder dreht das Rad weiter, das er auch in den vergangenen Monaten gedreht hat: Ja, natürlich muss ein Pandemierat eingerichtet werden. Ja, natürlich muss gesagt werden: Lasst das doch alles laufen und hebt den Lockdown auf. Natürlich muss gesagt werden: Wir brauchen mehr Verstaatlichung, weniger Patente, wir brauchen im Grunde mehr Sozialismus in der pharmazeutischen Industrie.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Ach Gott!)

Aber helfen alle diese Botschaften uns in der aktuellen Situation tatsächlich weiter?

Dabei gibt es doch Gründe zur Zuversicht. Reinhard Sager aus Schleswig-Holstein, der Landrat des Kreises Ostholstein und der Präsident des Deutschen Landkreistages, hat Anfang Januar ein bemerkenswertes Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gegeben. Ich zitiere ihn:

Wir schwanken in der Diskussion von einem Extrem ins andere. Vor wenigen Wochen hatten wir noch eine Diskussion darüber, ob es zulässig ist, so schnell einen Impfstoff überhaupt zu genehmigen. Da war auch noch die Rede davon, dass frühestens erst im kommenden März mit dem Beginn der Impfkampagne zu rechnen sei. Das hielt man schon für flott. Jetzt streiten wir darüber, warum es nicht so viel früher mehr Impfstoffe gegeben hat. Das befremdet mich offen gesagt.

So Reinhard Sager. – Ja, mich befremdet das auch. So Rudolf Henke.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Heike Baehrens [SPD])

Ich glaube, dass wir heute stehen, wo wir stehen, hat auch damit zu tun, dass sich die ruckelnden Prozesse besser einspielen. Wir haben derzeit am Tag eine Steigerung der Zahl Geimpfter um ungefähr 8 bis 10 Prozent. Laut RKI-Zahlen Stand heute wurden bisher 758 093 Personen geimpft. Ich habe nachgeguckt, ob es noch Meldeverzug gibt. – Nein, die Zahl stimmt mit der Zahl von Nordrhein-Westfalen von gestern mit einer Abweichung von 10 000 fast überein. Das heißt, wir machen Fortschritte, und wir werden in der Organisation besser.

Den Mangel an Impfstoff können wir jedoch nicht weghexen. Ist er neu? Ist er unerwartet? Ich habe hier einen Beschluss der 93. Gesundheitsministerkonferenz der Länder. Antragsteller waren alle Länder – alle Länder! –, und deswegen gab es auch das Votum 16 : 0 : 0. Im Beschluss vom 6. November heißt es:

Wirksame Impfstoffe gegen COVID-19 werden zur Bewältigung der Pandemie und für den Umgang mit dem Virus von entscheidender Bedeutung sein. Nach Zulassung eines Impfstoffs ist zunächst von einer begrenzten Anzahl verfügbarer Impfdosen auszugehen.

Es war ein Glück, dass der BioNTech/Pfizer-Impfstoff mit 50 Millionen Einheiten zum Zeitpunkt der Zulassung vorproduziert war und uns deswegen akut zur Verfügung gestellt werden konnte. Es hätte auch irgendeinen anderen Hersteller geben können, der das Rennen gemacht, aber nicht vorproduziert hätte. Dann wären wir jetzt in der Situation, dass wir vielleicht erst im März starten könnten.

Insofern: Ich finde, wir können aufgrund der schnellen Entwicklung des Impfstoffs und des Impfstarts – das hat geruckelt; es gibt immer noch Leute, die rufen irgendwo an und kriegen keine gute Nachricht – ein Stück weit Zuversicht, Optimismus und Hoffnung verbreiten; denn ohne Sinn durchhalten, das kann keiner. Deswegen, glaube ich, ist die Perspektive, jetzt die Menschen in den Pflegeheimen zu impfen und ihnen dadurch dort, wo die Krankheit am schlimmsten zuschlägt, Schutz zu gewähren. Dann folgen die Gruppen derer, die beruflich besonders exponiert sind, sowie die Gruppe der über 80-Jährigen.

Danach wird in der Bevölkerung nach und nach die Impfquote anwachsen. Wir werden, wenn zusätzliche Impfstoffe von AstraZeneca, vielleicht auch von Johnson & Johnson oder von CureVac zugelassen werden, im Sommer in der Tat die Chance haben, jedem ein Impfangebot zu machen. Das ist die Perspektive. Darüber bin ich froh. Ich finde, der Deutsche Bundestag darf das auch zeigen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)