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Rudolf Henke: "AstraZeneca-Impfstofflager werden immer voller"

Nationales Impfportal einrichten – Impfmanagement zielgerichtet voranbringen

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Kritischer Geist ist immer gut, weil man nur aus kritischem Geist heraus Situationen verbessert; aber zwingender Teil des kritischen Geistes ist auch selbstkritischer Geist. Verehrte Frau Aschenberg-Dugnus, ich darf mich auf den eben genannten schleswig-holsteinischen Gesundheitsminister beziehen; wir als Union wissen natürlich, dass wir in Schleswig-Holstein auch mit in der Miete sind. Im Reaktionsnetzwerk Deutschland ist am 3. März zu lesen:

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ist noch nicht lange her!)

AstraZeneca-Impfstofflager werden immer voller. Die Impfzentren stehen leer. – Man müsse ja auch Impfdosen für die Zweitimpfung zurückhalten, hieß es bislang entschuldigend von der Landesregierung in Schleswig-Holstein.

Jetzt wird bekannt: CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn riet den Ländern schon Mitte Februar, alle AstraZeneca-Impfdosen so schnell wie möglich für Erstimpfungen auszukehren. In Schleswig-Holstein sorgten aber vor allem Computerprobleme des Kieler Gesundheitsministeriums dafür,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

dass der Impfstoff trotzdem liegen blieb. So weit das Reaktionsnetzwerk Deutschland vor wenigen Tagen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In Mecklenburg-Vorpommern ist das auch nicht viel besser! – Gegenruf der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Deswegen brauchen wir ja ein nationales Impfportal!)

Kritik ist gut, aber Selbstkritik ist auch gut.

Ich stelle einen bemerkenswerten Kontrast fest zwischen dem, was ich von Ihnen höre, und dem Beschluss, den die Gesundheitsministerkonferenz der Länder am 6. November letzten Jahres mit 16 : 0 gefasst hat. Der Beschluss war einstimmig: einschließlich Schleswig-Holstein, einschließlich Rheinland-Pfalz, einschließlich dem dritten Bundesland, in dem die FDP an der Regierung beteiligt ist, Nordrhein-Westfalen. Dieser Beschluss lautete – ich zitiere:

Das BMG erarbeitet derzeit zusammen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auf Basis des bestehenden Systems der Terminvergabe der Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen ein standardisiertes Modul zur Terminvereinbarung für alle Impfzentren einschließlich mobiler Impfteams.

Was ist dann passiert? Die Bundesländer wollten doch lieber ihre eigenen Wege gehen – jedes Bundesland für sich. Das gilt für Rheinland-Pfalz – dort wird ein eigenes vom Ministerium getragenes System angewendet –; das gilt, wie wir eben gehört haben, für das Gesundheitsministerium in Schleswig-Holstein, und das gilt auch zum Beispiel für Baden-Württemberg, wo ebenfalls ein eigenes vom Sozialministerium entwickeltes System genutzt wird.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Henke, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Aschenberg-Dugnus?

 

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Ja.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Bitte, Frau Kollegin.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie möchte jetzt wissen, welche Computerprobleme das waren!)

 

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP):

Vielen Dank, Herr Kollege Henke, dass Sie die Frage zulassen. – Stimmen Sie mir zu, dass zum Beispiel SORMAS – ein System, das allen Bundesländern offenstand – sehr zögerlich in Anspruch genommen wurde? Jetzt ist die Schnittstellenproblematik gelöst, das heißt, das System wurde verbessert, und jetzt geht es weiter. Also, sind Sie allgemein dagegen, den Ländern etwas zur Verfügung zu stellen, oder nur im Hinblick auf den Antrag der FDP?

Stimmen Sie mir zu, dass Ihr eigener CDU-Chef Laschet gesagt hat, dass wir einen Digitalisierungsschub brauchen? Stimmen Sie mir zu, dass bei der Bund-Länder-Konferenz jetzt beschlossen wurde, zum Beispiel Apps – ich nenne Luca als Beispiel – voranzubringen, damit sich die Gesundheitsämter aller Bundesländer mit SORMAS verbinden können? Warum machen Sie hier diese Unterschiede? Das ist wieder nur typisch. Wir wollen doch Lösungen haben. Den Ländern muss etwas zur Verfügung gestellt werden. Sie sagen: Da läuft etwas schief. – Ja, dann brauchen wir doch Lösungen! Verweigern Sie sich doch nicht diesen Lösungen.

(Beifall bei der FDP)

 

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Liebe Frau Kollegin Aschenberg-Dugnus, mein Eindruck ist, dass Sie mit dieser ausführlichen Frage ein ganz kleines bisschen ablenken wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

SORMAS ist ein Thema des Meldewesens im Öffentlichen Gesundheitsdienst. Wir unterstützen die Aussage Armin Laschets uneingeschränkt, dass die Digitalisierung ausgebaut gehört und dass es zu den großen Erkenntnissen der Pandemie gehört, anzuerkennen, wie viele Schwächen wir immer noch im digitalen Bereich haben.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist es!)

Ich stimme Ihnen komplett zu, dass es gut ist, dass viele Gesundheitsämter ihr Schnittstellenproblem bei den Meldungen in SORMAS gelöst haben. Das ist ein wichtiger Schritt. Daran haben aber alle mitgearbeitet; das ist nicht parteipolitisch auszubeuten. Ich stimme Ihnen auch zu, dass die Luca-App Fähigkeiten hat, aus der wir großen Nutzen werden ziehen können, sobald das Testen um sich greift. Aber das entschuldigt nicht, dass Sie mit Ihrem Antrag Monate später etwas anderes fordern,

(Lachen der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])

als die GMK beschlossen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesländer – das ist nicht nur ein Problem der FDP, sondern der Bundesländer – haben sich inzwischen anders entschieden, weil ihnen das System 116117 dann doch nicht länderspezifisch genug war – sie haben gesagt: da könnte es zu Modulen kommen, die wir nicht so genau kennen – und weil jedes Bundesland sein eigenes System haben wollte, und auch manche Kreise und kreisfreien Städte eigene Systeme haben wollten. Das ist verschüttete Milch.

Deswegen ist Ihre Idee heute, jetzt marsch umzukehren

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Nein! Nach vorn!)

und wieder zu zentralisieren. Aber die Länder haben ihre Systeme jetzt aufgebaut, aus ihren Schwächen gelernt. Ich höre zum Beispiel von dem Gesundheitsamt in meiner Heimatregion, der Städteregion Aachen, dass sie jetzt in der Tat in der Lage sind, die Terminwünsche superschnell zu bedienen, dass sie für 90 Prozent des AstraZeneca-Impfstoffs die Termine für die kommende Woche vergeben haben.

Da wäre es ein Treppenwitz, wenn wir jetzt sagen würden: Wir machen jetzt ein neues, bundesweites Impfmanagement und liefern allen noch mal ein neues System.

Wenn wir beschleunigen wollen, dann dürfen wir uns an der Stelle jetzt nicht in die Irre führen lassen. Ich verstehe den Ansatz grundsätzlich ganz gut; ich hätte es schön gefunden, wenn das im November so gemacht worden wäre.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das haben wir Ihnen vorgelegt!)

Aber jetzt, wo wir davorstehen, die niedergelassenen Ärzte, die Betriebsärzte einbeziehen zu können, wo wir in Nordrhein-Westfalen beispielsweise jetzt davorstehen, Praxen auszuweisen, die den Auftrag erhalten, ihre älteren, über 80-jährigen Patienten zu Hause aufzusuchen und damit die Impfgeschwindigkeit zu steigern, wo wir in Hamburg erleben, dass beispielsweise ein Auftrag an die onkologischen Praxen gegangen ist, die Krebspatienten jetzt schon zu impfen, „Kehrt marsch!“ zu sagen und mit einem neuen System wieder eine Warteschleife einzubauen,

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Sie haben von Digitalisierung keine Ahnung!)

hat das mit einer Beschleunigung des Impfgeschehens nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Eher mit dem Gegenteil!)

Das hat nur etwas mit dem Wunsch der FDP zu tun, in diesen Debatten vorzukommen, was ja auch begrüßenswert ist – weil es uns dann die Gelegenheit gibt, zu sagen, wie es richtig ist:

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da geht es um die Beschleunigung des Impfgeschehens,

(Frank Sitta [FDP]: Klappt ja super!)

da geht es um die Einbeziehung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in das Impfgeschehen, da geht es darum, das Angebot der Betriebe und der Betriebsärzte zu nutzen, um das Impfgeschehen zu beschleunigen.

Wenn wir die Ankündigung der Lieferung von Dosen betrachten, dann wissen wir, dass wir für das zweite Quartal mit 76,9 Millionen Dosen, für das dritte Quartal mit fast 100 Millionen Dosen rechnen können. Und deswegen sind wir sehr gut mit Impfstoff versorgt, gerade auch nach der Entscheidung, den Impfstoff von AstraZeneca jetzt doch auch für die 65-Jährigen und Älteren freizugeben. Ich glaube, das kann gelingen. Wir brauchen dazu jetzt nicht noch mal ein Bundesmonstrum, das nachentwickelt wird. Dafür ist es leider, muss ich sagen, zu spät.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Ja, weil Sie nicht gehandelt haben!)

Jetzt lassen Sie uns auf dem Weg weitermachen, der verabredet ist.

(Frank Sitta [FDP]: Klappt ja grandios bis jetzt!)

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP], an die CDU/CSU gewandt: Warum lasst ihr denn Tino Sorge nicht reden? Der würde das, glaube ich, anders sehen!)