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Rudolf Henke: 36 Prozent der Menschen in Deutschland haben einen Organspendeausweis

Rede in der Debatte zu Organspenden

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In der Zeit meiner Weiterbildung zum Arzt für Innere Medizin habe ich selbst in einer Dialyseabteilung gearbeitet. Ich habe selber Patientinnen und Patienten betreut, die auf der Warteliste standen, die auf eine Organübertragung warteten. Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo Patientinnen und Patienten, die auf dieser Warteliste standen, gestorben sind, und ich weiß um die Schwierigkeit des Gesprächs mit den Hinterbliebenen, wenn man dann gefragt wird: Warum kann dieses Gesundheitssystem nicht die optimale Versorgung für diese Menschen bereitstellen? – Die Ausgangslage, finde ich, ist klar – Claudia Schmidtke hat sie beschrieben –: Menschen, die dringend auf ein Organ angewiesen sind, hilft einzig und allein eine Organspende; das ist verständlich und klar.

Deswegen, finde ich, ist in erster Linie die Frage nach der Wirksamkeit der Maßnahmen, die wir treffen, zu stellen. Was hilft wirklich? Rudolf Virchow, der große Berliner Pathologe und Mitglied des Deutschen Reichstags hat einmal gesagt: „Politik ist nichts anderes als Medizin im Großen.“ Diese Debatte führt uns ein bisschen zu der Frage: Welche Therapie ist richtig?

Wenn wir – Stephan Pilsinger hat das gesagt – die weltweite Situation analysieren, dann zeigt sich, dass es unterschiedliche Lösungen im Prinzipiellen mit unterschiedlichen Erfolgen gibt. Ich nenne zum Beispiel die USA, in der es die Zustimmungslösung gibt, mit hohen Organspendezahlen – viel höheren als in Deutschland. Außerdem haben wir die Erkenntnis gewonnen, dass es in Spanien pro forma zwar eine Widerspruchslösung im Gesetzblatt gibt, tatsächlich aber – der Gesundheitsausschuss ist ja extra nach Spanien gereist, um dort mit den Leuten vor Ort zu reden – eine Zustimmungslösung praktiziert wird, mit der sich viermal so hohe Spendenzahlen realisieren lassen, als das in unserem Land gelingt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen, glaube ich, müssen wir uns für jede der Lösungen, über die wir reden, natürlich die Fragen stellen: Ist sie verhältnismäßig? Ist sie verfassungsrechtlich begründbar? – Noch wichtiger sind aber die Fragen: Ist sie wirksam? Ist sie geeignet?

(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Ist sie in der Tat dazu in der Lage, mehr Spenden zu realisieren, als das heute der Fall ist?

Es ist dokumentiert, dass 36 Prozent der Menschen in Deutschland einen Organspendeausweis haben. Deshalb, glaube ich, ist der Ansatzpunkt eine Veränderung der Realität in den Krankenhäusern, die dafür sorgt, dass wenigstens diese 36 Prozent der Menschen, die bereit sind, sich als Spender zur Verfügung zu stellen, diesen Willen tatsächlich erfüllt bekommen, wenn sie den Hirntod erleiden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist heute in vielen Fällen nicht der Fall, und ich glaube, das müssen wir unbedingt ändern.

Weil die Zeit nur für dieses zentrale Argument reicht, will ich nur noch zwei Abschlussbemerkungen machen.

Ich finde, wir sollten uns jetzt auf den Gesetzentwurf konzentrieren, den Jens Spahn in den Deutschen Bundestag einbringen wird. Weil eben in einer Rede von einem Spender die Rede war, bei dem die Hirntoddiagnostik falsch gewesen wäre, will ich auch sagen, dass die Qualität der Hirntodfeststellung in Deutschland gut und die Hirntoddiagnostik sicher ist. Auch in diesem Fall hat sich später gezeigt – das hat die DSO genau analysiert –, dass der Spender bei der Organentnahme tatsächlich hirntot gewesen ist.

Ein letzter Gedanke, den ich noch äußern will: Wir sollten uns hinsichtlich der Lebendspende noch einmal mit Spanien befassen. Ich glaube, dass wir Über-Kreuz-Lebendspenden und im Ringtausch organisierte Lebendspenden wie in Spanien möglich machen sollten.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das stimmt!)

Auch das, glaube ich, ist etwas, was wir für die Menschen leisten können, die auf der Liste stehen und warten, warten, warten.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das ist richtig!)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)