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Prof. Dr. Claudia Schmidtke: "Die Impfung ist besser als die Krankheit"

Rede zum Impfbeginn in Deutschland und in Europa

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe heute einen Blick in den Kalender geworfen, auf die erste Sitzungswoche des vergangenen Jahres vor ziemlich genau einem Jahr. Wir sprachen über die Neuregelung der Organspende, führten eine hochemotionale Debatte und stimmten ab – mit körperlicher Nähe. Die Woche war gefüllt mit Neujahrsempfängen und vielen Veranstaltungen, persönlichen Begegnungen; ich hatte eine Besuchergruppe aus dem Wahlkreis zu Gast. Das vermisse ich sehr, Ihnen geht es wahrscheinlich ähnlich.

Aus China erreichten uns beschwichtigende Meldungen über das neuartige Virus, von dem wir im Dezember erstmalig hörten. Am 13. Januar, also auf den Tag genau vor einem Jahr, gab es dennoch das erste Vorkommen außerhalb Chinas, nämlich in Thailand. Von der Entwicklung eines Impfstoffes war noch keine Rede. Erst am 11. März sollte Covid-19 zur Pandemie erklärt werden.

Die auf diese Tage im Januar 2020 folgenden Monate sollten uns in eine völlig andere Welt katapultieren, in der wir uns immer noch befinden. Wir trauern um Zehntausende Tote allein bei uns in Deutschland.

Hunderte Milliarden Euro zur Stützung der Wirtschaft haben wir bewilligt, und wir haben den Menschen im Land Kontaktbeschränkungen auferlegt. Die ganze Welt fuhr herunter – zunächst mit wenig Hoffnung auf rasche Besserung und viel Skepsis, ob es überhaupt gelingen wird, einen Impfstoff zu entwickeln.

Und nun zurück ins Heute: Bereits heute, im Januar 2021, wird weltweit ein revolutionärer Stoff verimpft, der vor dieser Krankheit, die die ganze Welt in Bann hält, effektiv schützt. Er ist gründlich getestet und regulär zugelassen, und er kommt aus Deutschland. Was ist das für eine Erfolgsgeschichte!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss zugeben: Auch ich habe Anfang des vergangenen Jahres eine derart schnelle Impfstoffentwicklung nicht für möglich gehalten. In einem anderen Punkt habe ich aber recht behalten: dass nämlich diese Rekordentwicklung mit dem neuen mRNA-Verfahren zu einer großen weltweiten Knappheit in den ersten Monaten führen wird und dass einige Länder schneller impfen können, die meisten Länder der Erde dagegen noch lange warten müssen.

Deutschland gehört zu denen, die schneller impfen können, nicht schnell genug, um ganz an der Spitze zu sein, aber schneller als etwa 170 andere Länder auf der Welt. Auch diese Wahrheit sollte man zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben noch einige schwere Monate vor uns. Wir müssen angesichts der Bedrohung durch die in Großbritannien erkannte Mutationsform noch einmal alle Kräfte mobilisieren, um durch Kontaktbeschränkungen und geordnete Kontaktverfolgung überall dort, wo das möglich ist, die Infektionszahlen einzudämmen.

(Karsten Hilse [AfD]: Wie in der DDR! Durchhalteparolen habe ich schon in der DDR gehört!)

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich gönne Großbritannien diesen Impfstoff wirklich. Denn ich habe Kollegen dort vor Ort, und deren Geschichten sind wirklich ganz anders als bei uns in Deutschland. Dort gibt es über 83 000 Todesfälle. Das muss man sich auch noch mal verdeutlichen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal eindringlich an die Kommunen appellieren: Verwenden Sie bitte das Helmholtz-Nachverfolgungsprogramm SORMAS in Ihren Gesundheitsämtern!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Verzichten Sie auf Insellösungen! Schon allein dieser Schritt kann Leben retten.

Was die Beschleunigung des Impferfolges angeht, brauchen wir neben der Optimierung der Infrastruktur vor allem die Bereitschaft, sich auch impfen zu lassen. Ich will mich daher mit einem Wort an die Gesundheitsberufe, die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegekräfte in unserem Land wenden: Ich habe in der vergangenen Woche bei mir in Lübeck selbst mitgeholfen beim Impfen. Ich habe die Ärmel im wahrsten Sinne des Wortes hochgekrempelt, und ich sage Ihnen mal was, Herr Müller – der Kollege hat es schon gesagt –: In Schleswig-Holstein klappt das.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])

Wir müssen auch keine Impfdosen verwerfen. Wir packen dort gemeinsam an.

Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein ist die Bereitschaft enorm hoch. Über 80 Prozent wollen sich impfen lassen. Die Entscheidungsprozesse der Impflinge, mit denen ich gesprochen habe, waren überlegt und reflektiert. Man hat darüber nachgedacht, sich mit der Familie beraten und war sich doch vor allem bewusst, dass man an vorderster Front, im Umgang mit Patientinnen und Patienten, nicht nur ausgeliefert ist, sondern auch selbst ein Risiko darstellen kann.

Ich weiß aber auch, dass die Impfbereitschaft nicht überall gleich ist. Meine Überzeugung ist: Jetzt ist keine Zeit für Impfpflichtdebatten, jetzt ist Zeit für wissenschaftliche Vernunft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Drei Dinge möchte ich hervorheben, bevor ich gleich zum Schluss komme:

Erstens. Das Zulassungsverfahren ist der reguläre Goldstandard.

Zweitens. Wir sehen nach den ersten millionenfachen Impfungen weiterhin keine schwerwiegenden Nebenwirkungen.

Drittens. Die Impfung ist damit nicht nur intensiv geprüft, sondern sie ist vor allem eines: besser als die Krankheit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich wünsche mir von uns allen die Solidarität, die wir im vergangenen Jahr zu Beginn der Pandemie bewiesen haben. In unserer Zuversicht liegt unsere Kraft. Bleiben Sie gesund!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)