Skip to main content

Peter Weiß: „Soziale Marktwirtschaft“ heißt auch, dass der Staat notfalls durch gesetzliche Regelungen reagieren muss

Redebeitrag zum Arbeitsschutzkontrollgesetz

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir, dass ich einfach mal mit einem Zitat anfange:

Die sich der Selbstverpflichtung anschließenden Unternehmen verpflichten sich, im Rahmen der rechtlichen Vorgaben, bis Juli 2016

– das ist schon ein bisschen her –

ihre Strukturen und Organisationen derart umzustellen, dass sich sämtliche in ihren Betrieben eingesetzte Beschäftigte in einem in Deutschland gemeldeten, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befinden …

Und dann geht es weiter:

Mit der Umstellung … ist beabsichtigt, die gesellschaftliche Integration der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die vollständige und dauerhafte Integration … in den deutschen Arbeitsmarkt mit allen zugehörigen Rechten zu fördern und zu unterstützen.

Die Steigerung der nach deutschem (Sozialversicherungs‑)Recht beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer soll einen Beitrag zu mehr Transparenz bzgl. der Beschäftigtensituation und deren Kontrolle in der Deutschen Fleischwirtschaft leisten.

So der Text der Selbstverpflichtungserklärung der großen Unternehmen der deutschen Fleischwirtschaft im Jahr 2015.

(Michael Gerdes [SPD]: Und wo stehen wir jetzt?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, toll, wenn diese Selbstverpflichtung von allen Unternehmen umgesetzt worden wäre; dann bräuchten wir heute kein Gesetz machen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist vielleicht der Kern der sozialen Marktwirtschaft. In der Tat, „soziale Marktwirtschaft“ heißt für uns: Freiheit bei der Gestaltung der Arbeitswirklichkeit durch die Sozialpartner, Arbeitgeber und Gewerkschaften. Es wäre schön, wenn wir zum Beispiel in der Fleischwirtschaft das hätten, was die Verbände der Fleischwirtschaft jetzt kürzlich angeboten haben, nämlich einen Tarifvertrag abzuschließen, in dem nicht nur die Frage des Lohns, sondern auch die Frage der Arbeitsbedingungen, auch die Frage der Unterbringungen geregelt würde. Es wäre schön, wenn wir einen solchen Tarifvertrag schon längst hätten und er vielleicht auch für allgemeinverbindlich erklärt worden wäre. Das ist soziale Marktwirtschaft.

Aber wenn weder eine Selbstverpflichtung, die man eingegangen ist, eingelöst wird noch es bis zur Stunde einen solchen Tarifvertrag gibt, geschweige denn, dass Tarifvertragsverhandlungen erst mal begonnen hätten, dann heißt „soziale Marktwirtschaft“ auch, dass der Staat notfalls durch gesetzliche Regelungen reagieren muss, und genau das machen wir. Es ist ein marktwirtschaftlicher Weg, den wir gehen. Es wäre schöner, Selbstverpflichtungen und Tarifverträge würden das regeln, was wir jetzt durch ein Gesetz regeln müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht darum, faire Arbeitsbedingungen zu schaffen und vor allen Dingen die Verantwortung zu klären. Gerade in einer Krise wie der Coronakrise kommt es dazu an, dass diejenigen, die handeln können, zu ihrer Verantwortung stehen und diese nicht an Sub-Sub-Subunternehmen delegieren. Freiheit in der sozialen Marktwirtschaft ist unbedingt verbunden mit dem Wahrnehmen von Verantwortung. Freiheit und Verantwortung gehören zusammen. Mit diesem Gesetz erinnern wir daran und verpflichten uns dazu, dass Freiheit und Verantwortung wirklich auch zusammen angesehen werden und nicht auseinanderfallen.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht um faire Bezahlung. Es geht um faire Arbeitsbedingungen. Es geht um anständige Unterbringung, die auch möglich sein muss. Deshalb machen wir dieses Gesetz, um in diesem Bereich im Grunde genommen das zu tun, was sich 2015 die großen Unternehmen der Fleischwirtschaft mit ihrer Selbstverpflichtung schon selber aufgeschrieben haben. Es ist nicht etwas Neues, was wir erfinden, sondern im Grunde genommen das, was die Fleischwirtschaft im Jahr 2015 schon mal selber für sich erkannt hat; das möchte ich gerne festhalten.

Uns als Union ist wichtig, dass wir aber auch klare Abgrenzungen vornehmen. Wichtig ist vor allem: Wir wollen, dass der normale Metzger‑, Fleischer‑ oder Handwerksbetrieb von diesen Regelungen nicht betroffen ist. Denn wir sind froh, dass wir Gott sei Dank in den meisten Städten und Gemeinden unseres Landes noch Metzger- und Fleischerbetriebe haben mit ihren Verkaufsfilialen, die dafür sorgen, dass wir, die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, mit hervorragender Qualität, was Fleisch und Wurst anbelangt, versorgt werden. Wir wollen diesen Handwerksbereich nicht schwächen, sondern wir wollen ihn gerne weiter stärken. Wir freuen uns über die Metzger und Fleischer in unserem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweites Thema wird sein – wir werden uns noch mal darüber unterhalten müssen –, dass wir vor allen Dingen den Betrieben der Fleischveredelung – also denen, die dann die schönen Grillwürste und das Grillfleisch produzieren, das wir im Sommer reichlich konsumiert haben, weil ja dank Corona viele daheim waren und im Garten bei dem schönen Wetter der Grill erst recht angeschmissen worden ist – natürlich auch die Flexibilität, die sie brauchen, erhalten, um auf die unterschiedlichen Nachfragebedürfnisse unserer Bevölkerung reagieren zu können. Auch darüber werden wir uns noch mal gut unterhalten und dazu Ideen entwickeln müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Arbeitsschutz halten wir für eine Selbstverständlichkeit. Wir wissen aber, dass Arbeitsschutz auch kontrolliert werden muss. Deswegen hat uns ja schon die Konferenz der Arbeits- und Sozialminister aller 16 Bundesländer einstimmig empfohlen, dass wir die Kontrolldichte in diesem Bereich verstärken. Ich glaube, Arbeitsschutz ist gut, aber Kontrolle muss eben auch sein. Auch das wollen wir mit diesem Gesetz gewährleisten. Wir haben eine wunderbare Bundesbehörde, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, genannt BAuA. Ich glaube, es ist richtig, dass wir bei diesen Fachleuten, auf die wir uns auch in anderen Fragen stets verlassen können, eine eigene Fachstelle „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ einrichten. Auch das ist Bestandteil dieses Gesetzentwurfes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie gesagt: Mir wäre lieber, wir müssten heute kein Gesetz beraten, sondern Selbstverpflichtung und Tarifverträge wären realitätsgenau und präzise umgesetzt worden. Wir machen dieses Gesetz, weil das nicht der Fall ist. Es ist ein Gesetz, das den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft entspricht. Ich bin überzeugt, dass die deutsche Fleischwirtschaft, vor allen Dingen unsere Metzger- und Fleischerbetriebe auf Grundlage dieses Gesetzes weiterhin erfolgreich arbeiten können und insbesondere eines machen, was die Bürgerinnen und Bürger interessiert, nämlich qualitativ gutes Fleisch und gute Wurstwaren zu produzieren bei zugleich anständigen Arbeitsbedingungen. Dann isst man die Sachen auch mit gutem Gewissen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)