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Peter Aumer: "Wir brauchen eine starke soziale Marktwirtschaft"

Evaluierung des Mindestlohngesetzes zur Stärkung der Beschäftigtenrechte nutzen

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise wundere ich mich über Reden der Linken eigentlich immer. Über die Rede, die Sie, Frau Ferschl, gehalten haben, habe ich mich geärgert, vor allem über einen Satz. Dass Sie der CDU/CSU-Fraktion einen verkommenen Wertekompass vorwerfen, finde ich echt unterirdisch.

(Zurufe von der LINKEN)

Was würde man über die Linken sagen, wenn man Verfehlungen Einzelner über das Große und Ganze stellt? Liebe Frau Ferschl, das zeigt, glaube ich, auch, wie Sie denken und wie Sie ticken. Dies einer Fraktion vorzuwerfen, die über 70 Jahre dieses Land geprägt hat und es mit einem klaren Kurs und einem klaren Wertekompass gestaltet hat, das kann man, glaube ich, so nicht tun.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Klar! Franz Josef Strauß war da ein gutes Beispiel für! Ja! – Weitere Zurufe von der LINKEN – Gegenruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Kehren Sie vor Ihrer eigenen Haustür!)

– Können wir lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Thema, meine sehr geehrten Damen und Herren. Erneut sind Anträge der Linken und Grünen zum Thema „gesetzlicher Mindestlohn“ auf der Tagesordnung. Ich habe das Gefühl: Je näher der Bundestagswahlkampf kommt, umso intensiver wird die Antragsdichte zu diesen Themen. – Das bietet aber auch uns die Chance, einmal aufzuzeigen, was in den letzten Jahren in diesem Land alles passiert ist.

Ich möchte den Blick ein bisschen weiten, weg vom Mindestlohn hin zum grundsätzlichen Thema, über das wir reden, nämlich die Lohnentwicklung in diesem Land. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind ein Land, das einen der höchsten Bruttostundenlöhne im ganzen Euro-Raum hat. Wir sind ein Hochlohnland.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Stimmt doch gar nicht!)

Der durchschnittliche Stundenlohn in Deutschland, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegt zurzeit bei 24,78 Euro,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Entschuldigung? Das ist hanebüchener Unsinn! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

angestiegen seit 2007 um 29,5 Prozent. Die Zahlen, sehr geehrter Herr Birkwald, sind aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der aktuell erarbeitet wird. Wenn Sie den Textentwurf gelesen haben, dann kennen Sie die Zahlen.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Mit Ihrer klugscheißerischen Art – Entschuldigung – kommen Sie auch nicht immer weiter. Sie können die Zahlen schwarz auf weiß lesen;

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihre Zahlen sind falsch!)

ich habe mir die nämlich aus dem Bericht so aufgeschrieben.

(Beifall des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU])

Zur Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, gehört auch – darüber sollten wir im Moment vielleicht mehr reden als über alles anderes –, dass durch Kurzarbeit erstmals seit 2007 der Nominallohn zurückgegangen ist. Das ist ein Thema, über das wir uns mal intensiver austauschen sollten. Denn es betrifft viele Menschen in diesem Land, gerade in den Bereichen, die durch die Coronaschließungen betroffen sind: im Beherbergungsbereich, im Luftfahrtbereich, bei den Reisebüros, bei den Gastronomen und im Einzelhandel.

(Zuruf des Abg. Susanne Ferschl [DIE LINKE])

Frau Ferschl, auch diese Leute verdienen Geld, und darüber müssen wir auch einmal reden.

Jetzt zu Ihren Anträgen. Es ist Aufgabe der Opposition, alles schlechtzureden. Kann vielleicht sein, muss aber nicht sein. Seit Einführung des Mindestlohns, meine sehr geehrten Damen und Herren, steigen die Reallöhne im Niedriglohnbereich. 2019 profitierten knapp 2 Millionen Menschen vom Anstieg des Mindestlohns. Die Anzahl der Jobs im Mindestlohnbereich ist seit 2015 gestiegen. Peter Weiß hat gesagt: Es ist Ziel unserer Politik, dass die Menschen nicht im Mindestlohnbereich bleiben, sondern dass sie rauskommen und gute Löhne erhalten.

(Beifall des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU])

Zum gesetzlichen Mindestlohn, meine sehr geehrten Damen und Herren, allgemein: Das war – wir haben es heute schon öfter gehört – die richtige Entscheidung, fast von allen Fraktionen so mitgetragen. Klar ist, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben müssen, und zwar über dem Existenzminimum. Der Mechanismus, der festgelegt worden ist, mit der Mindestlohnkommission Entscheidungen zu treffen, ist auch der richtige Weg. Wir müssen uns nur die Anträge noch ein bisschen intensiver anschauen. Von den Linken und auch von den Grünen hat keiner angesprochen, was eigentlich das Ziel ist.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pascal Kober?

 

Peter Aumer (CDU/CSU):

Ja, gerne.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Das verlängert auch Ihre Redezeit.

 

Pascal Kober (FDP):

Lieber Kollege Aumer, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. Sie sind jetzt in Ihrer zweiten Legislaturperiode hier. Insofern waren Sie während der 17. Wahlperiode noch nicht Mitglied dieses Hauses. Ich frage Sie: Haben die Kollegen Peter Weiß, Dr. Matthias Zimmer, Paul Lehrieder und andere, die damals schon dabei waren, Ihnen eigentlich berichtet, dass zum Beispiel der FDP-Landesverband Schleswig-Holstein oder der FDP-Landesverband Baden-Württemberg ein Mindestlohnmodell beschlossen hatten, noch vor der Union? Und haben Sie Ihnen berichtet, dass das Wahlprogramm der FDP 2013 auch ein Modell für einen Mindestlohn enthalten hat?

(Zurufe von der SPD)

Das wollte ich im Hinblick auf zukünftige Debatten nur mal fragen,

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Sehr gut!)

damit zumindest dann das Protokoll über die Geschehnisse und den Ablauf der Ereignisse korrekt ist.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Donnerwetter! Die FDP war schon immer für den Mindestlohn!)

 

Peter Aumer (CDU/CSU):

Lieber Herr Kollege Kober, ich war in besagter Wahlperiode auch im Deutschen Bundestag. Ich denke mal, es ist gut, wenn auch Sie das sozialpolitische Gewissen entdeckt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ja, und wenn Sie der Zeit voraus gewesen wären, dann hätten wir auch entsprechende Gesetze beschlossen; denn es gab damals eine schwarz-gelbe Regierung, die sich mit solchen Themen hätte auseinandersetzen können. Ich glaube, dass man die Ernsthaftigkeit dieses Themas nicht kleinreden darf. Unsere Aufgabe muss sein, dafür zu sorgen, dass den Menschen ein Lohn zukommt, von dem sie gut leben können, aber auch die Mechanismen unserer sozialen Marktwirtschaft nicht aus dem Blick zu verlieren.

Ich komme zurück auf meine Einschätzung zu den Anträgen von Linken und Grünen. Das Kernziel von den Linken und den Grünen ist – Sie haben es nur nicht so formuliert; der Herr Birkwald hat es ein kleines bisschen angedeutet –: Ja, eigentlich wollen wir ja nur 12 Euro, aber 13 Euro wäre der richtige Mindestlohn.

(Zurufe von der LINKEN)

Genau das ist der Punkt. Wir können nicht einfach sagen: Wir fangen jetzt wieder von vorne an, zwar wurde der Mindestlohn auf 12 Euro festgesetzt, aber wir machen dann 13 Euro. Denn das wäre tatsächlich die politische Einflussnahme, die wir nicht wollen.

(Zuruf der Abg. Susanne Ferschl [DIE LINKE])

Das andere große Ziel, das Sie in Ihren Anträgen durch die Blume aufzeigen, ist, dass man den Mindestlohn in Zukunft an das Medianeinkommen koppeln soll. Wenn Sie den Mut hätten, dann hätten wir auch darüber reden können. Das hat eigentlich keiner in den Reden wirklich angesprochen. Aus unserer Sicht ist diese Forderung nicht akzeptabel, weil wir uns genau dann von dem Ordnungsprinzip entfernen, das vorhin von den Kollegen angesprochen worden ist, also weg von der sozialen Marktwirtschaft hin zu einem sozialpolitischen Prinzip.

(Zurufe der Abg. Susanne Ferschl [DIE LINKE])

Eine solche Lohnfindung ist in unserer sozialen Marktwirtschaft nicht die Aufgabe.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir wollen das System beibehalten. Wir wollen eine starke Mindestlohnkommission, die frei arbeitet. Wir wollen keine Belastung des Arbeitsmarktes mit zusätzlichen Mechanismen zur Findung des Mindestlohns, wir wollen keine Aufhebung der Tarifautonomie – das ist vorhin angesprochen worden –, wir wollen, dass auch die Gewerkschaften eine Rolle spielen.

Zum Schluss, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich bitte Sie, immer das Große und Ganze zu sehen. Wir sind in diesem Land in einer sehr schwierigen Phase. Wir brauchen eine wettbewerbsfähige Wirtschaft. Wir brauchen eine starke soziale Marktwirtschaft, eine starke Wirtschaft. Nur eine starke Wirtschaft kann auch gute Löhne und feste Arbeitsplätze sichern.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir brauchen auch Arbeit, von der die Menschen leben können!)