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Nadine Schön: Wir erwarten Integration

Rede zum Haushaltsgesetz 2019 (Epl 17) für den Bereich Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Zeiten großer Verunsicherung in der Bevölkerung hat man zwei Möglichkeiten: Entweder kann man die Gesellschaft zusammenführen und die Probleme, die es gibt, gemeinsam lösen, oder man kann spalten, und spalten tun Sie von der rechten Seite des Hauses.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD: Oh!)

Die Kollegen der AfD geben sich gerne bürgerlich und reden von Anstand und Demokratie, doch in den letzten Tagen haben Sie die Maske fallen lassen.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: So viele Masken haben wir gar nicht! So ein Quatsch!)

Immer offener und immer offensiver reden Sie von „Widerstand“, von einem „anderen Deutschland“. Es ist von einem System die Rede, das beseitigt werden muss. Immer öfter wird Artikel 20 Absatz 4 Grundgesetz zitiert, der Widerstandsartikel, der hier zum Einsatz kommen müsste. Sie erzählen von einem Unrechtsregime, gegen das man Widerstand leisten müsste.

Das ist längst kein Hirngespinst von einigen Verrückten mehr; das ist etwas, was Bundestagsabgeordnete von Ihnen offen proklamieren. Sie sind eben nicht Verteidiger der Demokratie, wie Sie eben wieder versucht haben darzustellen, sondern Feinde unseres demokratischen, freiheitlichen Regimes.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: „Herrschaft des Unrechts“ ist nicht von uns, sondern von Ihrem Innenminister!)

Sie sind auch nicht die Retter des Rechtsstaats; denn wer Selbstjustiz gutheißt, der konterkariert den Rechtsstaat und ist damit keinen Deut besser als viele Chaoten aus dem linksextremen Bereich, die genau das Gleiche wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind keine Bürgerlichen; denn Bürgerliche haben immer das Ziel, die Gesellschaft zusammenzuführen und nicht zu spalten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Mariana Iris Harder-Kühnel [AfD]: Spalter!)

Ja, wir haben Probleme in unserem Land, Probleme, die auch Sie von der AfD ansprechen und benennen. Man muss die Probleme aber auch lösen.

(Tino Chrupalla [AfD]: Dann fangt doch mal an!)

In einer komplexen Welt gibt es ganz selten einfache Antworten auf komplexe Probleme.

Auch wir sehen, dass es einen religiös begründeten Fundamentalismus gibt, dass es Jugendliche gibt – oftmals mit muslimischem Hintergrund –, die sich mit jüdischen Jugendlichen anlegen. Die Schulen vor Ort sind von diesen Situationen überfordert.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja!)

Deshalb begrüße ich es sehr, dass die Ministerin mit den neuen Anti-Mobbing-Profis dagegen vorgeht.

(Tino Chrupalla [AfD]: Schwachsinn!)

Das ist vielleicht ein sperriger Begriff, aber ein guter Ansatz, weil sich diese Fachkräfte genau an diese Klientel wenden. Sie sollen gerade im Bereich des religiös motivierten Fundamentalismus und im Bereich der kulturellen Probleme Streit schlichten,

(Tino Chrupalla [AfD]: So ein Quatsch!)

Probleme lösen und eben dafür sorgen, dass die Schulen mit diesen Problemen nicht alleine gelassen werden.

(Tino Chrupalla [AfD]: So ein Schwachsinn! – Albrecht Glaser [AfD]: Das wird was! – Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD], an Abg. Albrecht Glaser [AfD] gewandt: Das wird was! Aber sie glauben das selber!)

Wir haben eine Menge Projekte und Initiativen, und gerade wir als Union legen immer besonderen Wert darauf, dass mit dem Programm „Demokratie leben!“ auch gegen Rechtsextremismus, aber eben auch gegen Linksextremismus, Islamismus und Salafismus gekämpft wird. Deshalb ist Ihre Kritik hier völlig fehl am Platze.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch wir sehen, dass es Probleme bei der Integration gibt. Glauben Sie aber, dass Sie auch nur einen Beitrag zur Integration leisten, indem Sie ständig nur mit dem Finger auf andere zeigen und indem über „Kopftuchmädchen“ gelästert wird? Wir müssen von denjenigen, die zu uns kommen, Integration erwarten. Das ist unser Recht, und wir wollen, dass die, die zu uns kommen, sich auch an unsere Regeln halten. Wenn sie das nicht tun, dann müssen sie sich überlegen, ob sie nicht im falschen Land sind.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP])

Wir erwarten Integration. Aber die größte Integrationsleistung und die größte Hilfe bei der Integration leisten doch die vielen Haupt- und Ehrenamtlichen in unserem Land, die vor Ort in den Konflikt gehen, die die Diskussion suchen, die die Integrationsarbeit leisten; denn Integration ist Arbeit. Das, was Sie machen, ist Spalten und Diffamieren. Kein Einziger von Ihnen hat sich wahrscheinlich jemals um das Thema Integration bemüht, so wie die vielen, die das tagtäglich in unserem Land tun.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Einige Dinge ärgern mich ganz besonders, ja, sie empören mich: Es gibt viel zu viele Themen, die bei den vielen Diskussionen der letzten Tage komplett unter den Tisch gefallen sind. Eben, als die Ministerin gesagt hat, dass jeden dritten Tag eine Frau durch häusliche Gewalt stirbt, habe ich die ungläubigen Blicke in den Reihen der AfD gesehen. Ist Ihnen das neu?

(Albrecht Glaser [AfD]: Nein! – Zuruf von der AfD: Wir waren es nicht! – Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Sie haben noch nie darüber nachgedacht! Wie peinlich ist das denn?)

Es sind pro Woche drei Kinder, die Opfer von Gewalt werden und daran sterben.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Unglaublich!)

Da sehe ich keine Trauermärsche. Da sehe in keine Empörung. Ich finde, das ist ein richtiger Skandal in unserem Land: pro Woche drei Kinder, die Opfer von Gewalt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben wir als Union gesagt, dass wir uns diesem Thema besonders widmen wollen. Deshalb werden wir das SGB VIII reformieren und den Kinderschutz verstärken. Deshalb haben wir gerade bei den letzten Haushaltsberatungen vor wenigen Wochen die Einführung eines Modellprojekts beschlossen, das mobile Fachberatungsstellen zu sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend fördert.

(Albrecht Glaser [AfD]: Sehr gut!)

Deshalb sind auch im Haushalt über 5 Millionen Euro eingestellt; der Bund engagiert sich erstmals im Bereich der Frauenhäuser; eine Sache, die eigentlich Ländern und Kommunen vorbehalten ist. Aber wir wollen hier mithelfen, dass das Thema Gewalt gegen Kinder, gegen Jugendliche, gegen Männer und besonders Frauen angegangen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zuruf von der AfD: Genitalverstümmelung!)

Mich ärgert, dass bei der ganzen Berichterstattung der letzten Tage diejenigen überhaupt nicht mehr vorkommen, die die Gesellschaft zusammenhalten. Das ist mir besonders am Wochenende aufgefallen: Ich war unterwegs, erst beim THW, dann beim Roten Kreuz und anschließend auf der Kirmes, die von den Ehrenamtlichen in den Vereinen bei uns im Dorf getragen wird. Wo kommen denn diese Menschen, die tagtäglich einen Beitrag dazu leisten, dass unsere Gesellschaft zusammengehalten wird, in der öffentlichen Debatte und in den politischen Diskussionen überhaupt noch vor? Wir reden über viele, viele Themen, aber wir unterstützen nicht mehr die, die den Kern unseres Gemeinwesens bilden, die sich in ihrer Freizeit tagtäglich mit viel Engagement dafür einsetzen, dass unsere Gesellschaft zusammenbleibt und dass man sich gegenseitig hilft.

Deshalb wollen wir gerade diese Menschen unterstützen. Wir als Fraktion haben gerade am vergangenen Freitag ein Papier zum Thema Ehrenamt verabschiedet. Wir wollen eine Ehrenamtsstiftung oder eine Serviceagentur, die Ehrenamtliche unterstützt. Die Ministerin hat eben in ihrer Rede auf die Engagementstiftung hingewiesen.

Wir werden sehr genau darauf achten, dass das, was in dieser Stiftung geplant wird, wirklich den Ehrenamtlichen zugutekommt, den vielen, die in Vereinen, Verbänden, in kirchlichen Organisationen, in Hilfsorganisationen tätig sind. Das sind diejenigen, die sich permanent für das Gemeinwesen einbringen, nicht nur in einzelnen Projekten, nicht nur in einzelnen Initiativen, sondern dauerhaft. Diese müssen wir besser unterstützen: mit Entbürokratisierung, mit einer Servicehotline für die vielen Fragen im regulatorischen Bereich. Diese müssen wir entlassen, und die müssen wir auch besser vor Gewalt und Angriffen schützen, denen sie sich leider viel zu oft gegenübersehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was unsere Gesellschaft auch zusammenhält, sind die Familien. Deshalb haben wir als Koalition die Familien in den Mittelpunkt dieser Legislaturperiode gestellt. So viel wie wahrscheinlich noch nie zuvor investieren wir in dieser Legislaturperiode in Familien. Wir haben das Kindergeld erhöht und werden es in einer zweiten Stufe weiter erhöhen, ebenso den Kinderfreibetrag. Wir werden den Kinderzuschlag erhöhen. Wir werden das Bildungs- und Teilhabepaket verbessern. Wir werden die Mittel für die Schulstarterhilfe anheben. Als Union fordern wir, dass wir die Mittel für das Schulstarterpaket auf 120 Euro anheben.

Wir haben gerade jetzt die Einführung des Baukindergeldes beschlossen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Nadine Schön (CDU/CSU):

Ab kommender Woche können Familien Anträge stellen und sich den Traum vom eigenen Heim erfüllen. Wir machen auch etwas beim Thema Qualitätsverbesserung in den Kitas sowie beim Thema Nachmittagsbetreuung.

Das alles kommt den Familien als Keimzelle unseres demokratischen und freiheitlichen Rechtsstaats zugute, und es wäre schön, wenn sich alle Seiten dieses Hauses dafür einsetzen würden, statt die Gesellschaft zu spalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)