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Michael Hennrich: Im Grunde genommen beheben wir einen Konstruktionsfehler

Redebeitrag zur Arzneimittelversorgung

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verabschieden heute nach langer und schwieriger Diskussion das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken. Wir beenden damit eine lange und auch durchaus kontrovers geführte Debatte über das Versandhandelsverbot und über Boni bei Rezepteinreichungen.

Lassen Sie es mich klar sagen – ich wende mich auch an Sie, Herr Weinberg –: Ich bin kein Fan von Versandapotheken. Ich trage neutrale Atemschutzmasken. Ich wäre sogar bereit, Atemschutzmasken mit einem roten A zu tragen. Aber es gehört zur Realität dazu, anzuerkennen, dass der Versandhandel heute von vielen Patientinnen und Patienten in Anspruch genommen wird. Wir vonseiten der Politik haben das über Jahre hinweg akzeptieren können, weil wir durch die Gleichpreisigkeit die Voraussetzung dafür geschaffen haben, dass sich die Versender nicht einseitig Preisvorteile zu Nutze machen, ohne dass sie den Gemeinwohlverpflichtungen nachkommen. Das hat lange funktioniert, bis zu dem Tag, als das EuGH-Urteil kam. Ich möchte sehr deutlich sagen, dass ich dieses Urteil für falsch halte, weil ausschließlich auf das Thema Wettbewerb abgehoben wurde und das Thema Versorgung und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten vor Ort keine Berücksichtigung fand.

Natürlich wäre es für uns eine Möglichkeit gewesen, das Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel zu verbieten. Das hätten die Apotheker erwartet, aber es entspricht nicht der Erwartungshaltung der Patientinnen und Patienten. Es gehört auch zur Realität, zu begreifen, dass wir nicht alle Probleme in der Versorgung durch Botendienste der Vor-Ort-Apotheken beheben können. Das funktioniert dort, wo es kleine Distanzen gibt, aber es funktioniert nicht mehr dort, wo es große Distanzen gibt.

Umgekehrt ist aber auch klar, dass sich die Versandapotheken, wie ich schon dargelegt habe, in vielen Bereichen der Gemeinwohlverpflichtung entziehen. Sie picken sich sozusagen die Sahnestückchen der Versorgung wie die einfache Abgabe von Arzneimittelpackungen heraus. Aber der notwendigen Aufgabe, Empathie zu zeigen, sich zu kümmern und für die Patientinnen und Patienten ansprechbar zu sein, entziehen sie sich schlicht und ergreifend. Deswegen war es auch richtig und wichtig, dass wir das Boniverbot etablieren und damit sicherstellen, dass es eine Gleichpreisigkeit gibt. Denn es ist vollkommen klar: Jeder Euro, den eine Apotheke abgeben müsste, schmälert die Marge. Das kann eine Apotheke in der Stadt vielleicht stemmen, aber es ist ein großes Problem für die Apotheken in der ländlichen Region, und die sind wichtig für die Versorgung. Deswegen war es notwendig, die Gleichpreisigkeit im SGB V zu verankern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir hätten uns das auch für die Privatversicherten gewünscht, aber – die Kollegin Maag hat es hinreichend deutlich gemacht – das hätte neue rechtliche Probleme aufgeworfen.

Es ist einfach wichtig, dass wir Rechtssicherheit schaffen. Ich bin, anders als Sie, Frau Kollegin Aschenberg-Dugnus, der Meinung, dass die Regelung bestehen wird; denn das Entscheidende ist – und das ist keine Finte –, dass wir im Grunde genommen einen Konstruktionsfehler beheben. Wir haben die Vergütungen für die Ärzte, für die Krankenhäuser und für die Physiotherapeuten im SGB V etabliert, aber nicht für die Apotheker. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

Aber es geht nicht nur darum, Gleichpreisigkeit zu schaffen, sondern auch darum, Perspektiven zu eröffnen. Deswegen sind ein ganz wesentlicher Baustein die pharmazeutischen Dienstleistungen. In diesem Bereich passiert schon viel, Stichwort: Grippeimpfung. Wichtig wird auch das Thema „Versorgung von Pflegeeinrichtungen“ sein. Es kann auch um Lifestyleberatung oder auch um Ernährungsberatung gehen. Für eine entsprechende Anschubfinanzierung stellen wir Mittel in Höhe von 150 Millionen Euro bereit. Wir weiten die Botendienste aus. Das sind alles Maßnahmen, um die Apotheken vor Ort zu stärken und ihnen eine Perspektive zu bieten. Deswegen bitte ich Sie um die Zustimmung für dieses Gesetzesvorhaben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)