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Max Straubinger: Ein Abgeordnete können nicht mit Arbeitnehmern verglichen werden

Redebeitrag zum Thema Rentenversicherung für Bundestagsabgeordnete

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! In Artikel 38 Absatz 1 Grundgesetz steht – ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident –:

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Weiter heißt es dann in Artikel 48 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz:

Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung.

Warum stelle ich diese Sätze des Grundgesetzes der Beratung des Antrags der Linken voran? Damit wird verdeutlicht, werte Kolleginnen und Kollegen, dass ein Abgeordneter kein Arbeitnehmer, also nicht weisungsgebunden, sondern unabhängig ist und damit eine Sonderstellung einnimmt und somit nicht mit Arbeitnehmern verglichen werden kann.

Das wird auch im Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 1975 zum Ausdruck gebracht. Ich zitiere nochmals:

Die Tätigkeit des Abgeordneten ist im Bund zu einem den vollen Einsatz der Arbeitskraft fordernden Beruf geworden; der Abgeordnete kann daher unter diesem Aspekt heute legitimerweise ein Entgelt beanspruchen, mit dem er seinen und seiner Familie Lebensunterhalt zu bestreiten vermag …

Später heißt es dann:

Noch deutlicher tritt der veränderte Charakter der Entschädigung bei der Einführung der Altersversorgung in Erscheinung. Mag man sie auch als einen „zusätzlichen, auf die nachparlamentarische Zeit projektierten Unabhängigkeitsschutz“ … etikettieren …, in Wirklichkeit ist der Ruhegeldanspruch des Abgeordneten heute ein Annex seiner Besoldung …

Werte Kolleginnen und Kollegen von den Linken, diesen Ansprüchen aus dem Grundgesetz und aus der Rechtsprechung wird ihr Antrag nicht gerecht. Ihre Forderungen sind mit der Stellung von Abgeordneten nicht vereinbar. Als symbolischer Akt taugt die Einbeziehung der Abgeordneten durch die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze auf die Höhe der Abgeordnetendiät auch nicht, da durch die Beiträge der Abgeordneten in der Rentenversicherung eine Mehreinnahme von knapp 16 Millionen Euro zu verzeichnen wäre.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

– Nein, das ist schon mitgerechnet, Herr Kollege Birkwald. – Bei einem Haushalt von derzeit 242 Milliarden Euro ist das wohl eher ein Placebo, sage ich jetzt mal, statt eines wirkmächtigen Beitrags zur Finanzierung der Rentenversicherung. Also, Sie machen in hohem Maße Symbolpolitik – die Ausführungen des Kollegen Dietmar Bartsch haben es gezeigt –; es steckt aber nichts dahinter.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das zeigt sich auch im Verhalten der Abgeordneten der Linken. Wir haben es miterlebt: Sie waren die Ersten, die gesagt haben: Die Bundestagsabgeordneten sollen heuer auf die Erhöhung ihrer Entschädigung verzichten. Das haben wir auch gemacht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr gut!)

Das Tollste ist: Ich habe nachgeschaut, was der Thüringer Landtag gemacht hat – Ministerpräsident links, linke Regierung –: Dort hat man die Diätenerhöhung durchgesetzt. Man hat aber gesagt, die Abgeordneten sollen die Summe der Erhöhung spenden. – Gut, das können sie tun. Aber wissen Sie: Dadurch entsteht ein Vertrauensverlust bei den Bürgerinnen und Bürgern; denn im nächsten Jahr nehmen sie die Erhöhung der Diäten natürlich ganz einfach mit. Genauso werden sie es auch in den Folgejahren tun.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Da gibt es keine! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

– Natürlich nehmen sie sie dann mit. Im nächsten Jahr spenden sie nicht mehr; davon bin ich überzeugt. – Sie nehmen letztendlich nur ein Jahr später die Diätenerhöhung mit. Das ist Symbolpolitik der Linken in unserem Lande.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich habe mich gewundert: Ich dachte, es wird im thüringischen Landtag einen Andrang vonseiten der Landesregierung oder der Linkenfraktion geben, die Abgeordneten in die Rentenversicherung mit einzubeziehen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Kommt auch noch!)

Ich habe gesucht, gesucht, gesucht – mir sind die Augen übergegangen –; aber ich habe dazu nichts gefunden.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also, hier bestimmte Ansprüche hereinzutragen, aber selbst nicht zu handeln, wo man handeln könnte, das ist in höchstem Maße unglaubwürdig und wird letztendlich der Thematik auch nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Bundestagsabgeordneten sollten anfangen!)

Dazu kommt noch die Glorifizierung des österreichischen Systems.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

 

Max Straubinger (CDU/CSU):

Ja. Ich komme gleich zum letzten Satz. – Sie, Herr Kollege Birkwald, haben initiiert, dass wir uns mit dem österreichischen System auseinandersetzen. Dann kam heraus: Der Beitragssatz für die Rentenversicherung liegt in Österreich bei 22,8 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Einkünfte; bei uns liegt er bei 18,6 Prozent. Die Anwartschaft beträgt dort 15 Jahre, bei uns 5 Jahre. Die Beamten, die dort einzahlen, haben derzeit keinerlei Anspruch, weil sie erst mal 15 Jahre lang einzahlen müssen, bis sie überhaupt einen Anspruch haben. Das ist eine Veräppelung der Bürgerinnen und Bürger draußen. Sie wollen hier nur Polemik betreiben, aber keinen sachgerechten Beitrag leisten, wie es die Kollegin Haßelmann zu Recht gefordert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE], ein Buch hochhaltend: Das kann man alles hier nachlesen! Darin sind die Zahlen von Österreich!)