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Max Straubinger: Der Nachholfaktor ist nicht abgeschafft

Redebeitrag zum Nachholfaktor im Rentenrecht

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute einen Antrag der FDP-Fraktion, und da lohnt es sich schon, gleich wieder die Überschrift richtig zu lesen; denn sie schreibt: „Corona-Krise generationengerecht überwinden – Nachholfaktor in der Rentenformel wiedereinführen“. Ich wüsste nicht, dass wir den abgeschafft haben, liebe Kollegen und Kolleginnen der FDP.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Ausgesetzt! Für die Krise!)

Wir haben den ausgesetzt, aber wir haben den nicht abgeschafft. Das heißt also, wir brauchen ihn auch nicht wieder einzuführen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Den Unterschied kennen alle Ihre Wähler sehr gut!)

Also, liebe Kollegen der FDP: Zuerst sollten Sie das Gesetz lesen, das wir verabschiedet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Semantik, Herr Kollege! Semantik!)

Dort steht, dass wir ihn ausgesetzt haben bis zum 30. Juni 2026. Im Hinblick auf Semantik gibt es also offensichtlich ein bisschen Nachholbedarf bei der FDP; das muss man jetzt einmal feststellen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Dann ist ja alles in bester Ordnung!)

Das zeigt aber auch, dass die Koalition zum Nachholfaktor steht – weil wir ihn nicht abgeschafft haben. Also, lieber Kollege Vogel, wir brauchen sozusagen gar nichts zu ändern. Die Frage ist natürlich: Wie wirkt sich das aus? Das zeigt sehr deutlich, dass die Koalition für Verlässlichkeit in der Rentenpolitik steht; das ist eine Gemeinsamkeit. Von daher brauchen wir keinen Nachhilfeunterricht von der FDP.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Straubinger, erlauben Sie eine Frage oder Bemerkung von Herrn Vogel?

 

Max Straubinger (CDU/CSU):

Ja, natürlich, gerne.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Mein Gott, bist du gut!)

 

Johannes Vogel (Olpe) (FDP):

Lieber Straubinger Max, sehr geehrter Herr Kollege, ich bin eigentlich nicht versucht, sechs Minuten Redezeit noch zu verlängern.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Das wird Ihnen auch nicht gelingen.

 

Johannes Vogel (Olpe) (FDP):

Genau, das ist gut. Das freut mich, Frau Präsidentin. – Ich will dann doch noch mal nachfragen: Bist du nicht mit mir der Meinung, dass die Frage, ob ein Faktor, der für eine Krise gemacht ist, in der Krise wirkt und nicht erst einige Jahre später wieder, zentral dafür ist, ob er eingesetzt wird oder nicht, also nicht, ob er 2025 wieder wirkt, sondern ob er jetzt, in der Wirtschaftskrise, wirkt?

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Straubinger.

 

Max Straubinger (CDU/CSU):

Ja, lieber Johannes Vogel, wenn Sie die Rede abgewartet hätten, hätten Sie sowieso die Antwort bekommen.

(Abg. Johannes Vogel [Olpe] [FDP] will wieder Platz nehmen)

– Nein, nein, bleiben Sie doch stehen; denn das bedeutet ein bisschen mehr Redezeit für mich.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Ja, aber auch nicht viel mehr.

 

Max Straubinger (CDU/CSU):

Das ist natürlich damit verbunden, dass wir letztendlich heute noch gar nicht wissen, wie sich die Aussetzung des Nachholfaktors auswirkt. Das werden wir, wohlgemerkt, erst zum 1. Juli 2022 erleben können

(Zurufe von der FDP)

– ja natürlich –; denn die Rentenanpassung 2020 haben wir ja bereits – Gott sei Dank für die Rentnerinnen und Rentner, und zwar eine deutliche aufgrund der guten Lohnentwicklung. Das zeigt also: Rente entwickelt sich nach den Löhnen.

Wie sich die Löhne insgesamt für das Jahr 2020 entwickeln, das weiß die FDP offensichtlich in ihrer Weitsicht. Wir wissen es noch nicht;

(Zuruf des Abg. Johannes Vogel [Olpe] [FDP])

das ist ja erst festzustellen. Die Rentenversicherung wird uns wohl erst im Spätherbst die entsprechenden Zahlen liefern.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Die haben doch letzte Woche eine Prognose abgegeben! Offizielle Prognose!)

Von daher weiß die FDP mehr, als wir alle hier im Raum wissen. Damit sind bei der FDP sozusagen große Spekulationen mit dem verbunden, was heute zu diesem Antrag geführt hat.

Für die Zuschauer und die Zuhörerinnen an den Bildschirmen oder auch am Radio: Um was geht es wirklich? – Der Kollege Vogel hat das zwar etwas dargestellt, aber man muss schon zurückblenden. 2001 gab es eine Rentenreform durch die SPD/Grüne-Koalition, nachdem der Kanzler Schröder gesagt hat, dass das, was wir 1998 gemacht haben, nämlich den demografischen Faktor auszusetzen, eigentlich ganz schlecht war. Damals wurde ein Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt – im Prinzip der demografische Faktor –

(Zuruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und zusätzlich der Riester-Faktor. Das hätte zum Schluss bedeutet, dass es Rentenkürzungen gegeben hätte. Und um sozusagen Rentenkürzungen auszuschließen, wurde 2004 eine Schutzklausel eingeführt, die besagt, dass die Renten nicht gekürzt werden dürfen aufgrund dieser beiden Faktoren, die seinerzeit in die Rentenformel mit aufgenommen worden sind und durch die starke Dämpfungen eingetreten wären.

Diese Dämpfungen wollte man dann bei zukünftigen Rentenerhöhungen sozusagen etwas nachholen. Damit gab es schon eine Art Nachholfaktor. Dieser Nachholfaktor war gut und hat sich auch entwickelt. Allerdings haben wir 2008/2009 die große Finanzkrise gehabt. Damals haben wir eine Schutzklausel eingeführt für die Rentnerinnen und Rentner, die besagt, dass die Rente nicht fallen kann.

(Zuruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das war auch richtig, und dafür stehen wir alle aus der Koalition. Das hat bedeutet, dass wir in späteren Jahren zum Beispiel Rentenerhöhungen hatten, die nur halb so hoch ausgefallen sind, was auch generationengerecht ist. Das ist überhaupt keine Frage; auch dafür stehen wir.

Derzeit gibt es jedoch keinen Grund, Herr Kollege Vogel, dies schon jetzt zu veranlassen; denn wir sind keine Hellseher. Die FDP mag es vielleicht sein.

(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Aber ich habe nicht den Eindruck, dass Sie so großartige Hellseher sind;

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Genau!)

denn sonst hätten Sie die Überschrift in Ihrem Antrag anders gestaltet. Das muss man natürlich auch sehen.

Unter all diesen Gesichtspunkten muss ich feststellen: Die Verlässlichkeit für Rentenpolitik ist insgesamt bei der Koalition gegeben, in besonderem Maße natürlich bei der Union. Deshalb, glaube ich, haben wir keinen Nachholbedarf,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Jetzt nicht übertreiben!)

von der FDP in dieser Frage etwas anzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn es notwendig ist, dann werden wir entsprechend reagieren.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)