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Marcus Weinberg: Es ist wichtig, dassfür jeden einzelnen Fall eine Einzelprüfung vorsehen

Rede zum familienrechtlichen Wechselmodell als Regelfall

Vielen Dank, Herr Präsident, für diese charmante Einführung. Bin ich tatsächlich der erste Mann, der dazu reden darf? Das gibt es doch gar nicht! Das mache ich aber gerne, weil es wichtig ist.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ehrlich gesagt: sogar der einzige!)

Wie wir gehört haben, geht es Marie und Maximilian gut. Wir sagen ganz deutlich: Das ist doch hervorragend. In Fällen wie diesem haben sich die Eltern geeinigt. Es gibt keinen Konflikt. Dann gibt es das Wechselmodell auch als Angebot. 120 000 Kinder erleben jährlich in Deutschland, erstens dass sich ihre Eltern streiten, zweitens dass sich ihre Eltern trennen und dass dann ihre Eltern über die Betreuung möglicherweise streiten. Deswegen ist es wichtig, dass wir für jedes Kind und für jeden einzelnen Fall eine Einzelprüfung vorsehen. Als Lösung kann das Wechselmodell in Betracht kommen. Aber was für Marie und Maximilian gut ist, ist für andere schlecht. Bei hochstrittigen Eltern ist das Wechselmodell schlecht. Zu diesem Ergebnis kommen auch die von Ihnen häufig angeführten Studien: Bei Eltern, die sich verstehen und deren Trennung einvernehmlich verläuft, ist das Wechselmodell – darauf hat Frau Keul zu Recht hingewiesen – richtig. Aber in den Studien wird auch warnend darauf hingewiesen, dass dieses Modell bei hochstrittigen Eltern und hochstrittigen Familiensituationen nicht kindeswohlstärkend, sondern kindeswohlgefährdend wirkt. Deswegen müssen wir den Einzelfall betrachten.

Selbstverständlich müssen nach einer Trennung Vater und Mutter die Möglichkeit haben, sich um das Kind zu kümmern, egal ob sie nun an einem Strang ziehen, miteinander reden, Werte teilen oder ob sie sich gegenseitig ausbremsen. Das ist uns wichtig. Das ist übrigens auch Ausdruck des gesellschaftlichen Wandels. Wir haben heute eine andere Situation als vor 30 Jahren, als es nur das Residenzmodell gab. Deswegen gibt es heute neben dem Wechselmodell unter anderem ein Pendelmodell und ein Doppelresidenzmodell, und, und, und; ich erspare mir den siebten Teil der Vorlesung darüber, welche Modelle es in Deutschland gibt. Wichtig ist nur, dass für jedes Kind das richtige Modell gefunden wird.

Die entscheidende Frage lautet – das haben die Kolleginnen vor mir in Breite ausgeführt –, welche Zeit Mama und Papa mit dem Kind verbringen. Entscheidend ist nicht die Quantität, sondern die Qualität der Betreuung. Alle Studien haben – auch länderübergreifend – ergeben, dass die Qualität der Zeit für das Kind wichtiger ist als das Zeitmanagement oder die Zeiteinteilung. Nicht der Elternwille zählt, sondern das Kindeswohl. Das sei auch denjenigen gesagt, die als Vertreter der Väterlobby oder der Mütterlobby dieser Debatte zuschauen. Wir sagen ganz deutlich: Ja, wir verstehen eure Intention und euer Interesse, und wir nehmen das mit auf. Aber für uns stehen das Kindeswohl und die Entscheidung für das Kind im Vordergrund. Danach werden wir uns richten. Bindung, Liebe und Vertrauen sind wichtiger als Quantität oder die Interessen einzelner Elternteile.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vor diesem Hintergrund war es klug und wichtig, dass wir in der Koalitionsvereinbarung für den gesamten Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch für den Bereich familiengerichtlicher Verfahren festgelegt haben, dass darauf zu achten ist, dass die Familienrichter gut ausgebildet sind, dass sie sich qualifizieren und weiterbilden. Nur dann lässt sich identifizieren, was für das jeweilige Kind wichtig ist. Es kommt ferner auf die Gutachten an. Es war klug, dies im Koalitionsvertrag mit der SPD so zu formulieren. Daran werden wir uns orientieren. Weil die Entscheidung für das Kind und für die Zukunft des Kindes so wichtig ist, brauchen wir die bestmöglichen Voraussetzungen bei familiengerichtlichen Verfahren. Es gibt viele Kinder, die trotz ausgiebiger Zeit mit einem Elternteil eine bessere Bindung zu dem anderen, weniger präsenten Elternteil haben wollen. Wir kennen auch Mütter und Väter, die während ihrer Zeit die Kinder vor allem von Computer und Fernseher betreuen lassen; das ist ein Problem. Die Fifty-fifty-Regelung wirkt dem Anschein nach zwar gerecht. Das ist sie aber nicht, wenn sich darin nicht die individuellen Bedürfnisse des Kindes widerspiegeln.

Noch eine Bemerkung zum Ende meiner Redezeit, da immer wieder Studien angeführt werden, die angeblich belegen, dass nur und ausschließlich das Wechselmodell der Regelfall sein soll. Man muss die Studien vergleichen, beispielsweise die Studien aus Australien. In Australien wird das Wechselmodell anders definiert als in Deutschland. Bei vielen Studien –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege.

Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU):

– um als erster Mann, der hier reden durfte, zum Schluss zu kommen, Herr Präsident –

(Heiterkeit)

hat man nicht konflikthafte Situationen überprüft; aber das muss unsere Aufgabe sein.

Von daher kann ich sagen: Über eine Klarstellung können wir reden, lieber Koalitionspartner; Anträge bringen wir ja gemeinsam ins Parlament ein. Aber ein Wechselmodell als Regelfall – Entschuldigung, liebe FDP – würde bedeuten, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Das wollen wir nicht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)