Skip to main content

Marcus Weinberg: "Das Zusammenwachsen dieser Gesellschaft fördern"

Rede zum Einzelplan 17 - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Es ist ja eine schöne Tradition, dass wir nach den Haushaltsberatungen immer zwei Dinge feststellen: Alois Rainer bekommt bekanntermaßen – zu Recht – viel Lob von den weiblichen Haushaltspolitikerinnen der SPD. Das ist sehr auffällig. Und wir haben natürlich wieder einen Haushalt – für mich persönlich ist es der 14. –, mit dem wir die Familienpolitik stärken, und zwar nicht nur, weil wir mehr Geld für Familien in die Hand nehmen, sondern weil wir auch die Leistungen, das, was wir für Familien machen, besser strukturiert und zielgenauer einsetzen.

Ich will am Anfang meiner Rede gern den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble zitieren, der sich in seiner Antrittsrede Gedanken darüber gemacht hat, was die Aufgabe des Parlamentes ist: Das Parlament, der Deutsche Bundestag, muss bündeln, fokussieren und sich konzentrieren auf die wichtigen Fragen unserer gesellschaftlichen Zukunft.

Es stellt sich natürlich die Frage, was die wichtigsten Fragen der Zukunft sind. Eine der wichtigsten Fragen, wenn nicht sogar die wichtigste Frage in diesen Zeiten, betrifft den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Spaltung zwischen Jung und Alt, Land und Stadt, zwischen Wohlhabenden und weniger Wohlhabenden, Alteingesessenen und neu Zugezogenen sowie den politisch Linken und Rechten. Diese Spaltung schwächt unsere Gesellschaft, und die Spalter gefährden unsere Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Da müssen Sie nicht bei uns gucken!)

Deswegen ist es unsere Aufgabe, hier im Parlament den Zusammenhalt wieder zu stärken, das Zusammenwachsen dieser Gesellschaft zu fördern; denn wir wollen eine demokratische Gesellschaft sein, die Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit lebt. Es geht also um das Zusammenwachsen der verschiedenen Teile der Gesellschaft, und zwar auch mit Blick auf das, was wir in den nächsten Jahren erreichen wollen. Um das zu erreichen, muss man sich auf Werte verlassen können. Respekt, Toleranz, Verantwortung, Vertrauen müssen gerade in der Familienpolitik wieder in den Fokus gerückt werden.

Unsere Familienpolitik – das darf ich für die Union sagen – wird getragen von diesen Werten. Denn wir wissen: Eine starke Familie bedeutet auch, dass wir den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken. Insofern bedeutet dieser Haushalt, den wir jetzt gemeinsam mit dem Koalitionspartner vorlegen, eine Stärkung des Zusammenhaltes, und das ist uns als Union wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Nun können wir lange über Summen diskutieren. Was sind 12,1 Milliarden Euro? Wie kann man das denn greifen? Mir geht es gar nicht so sehr um die Summe. Sie ist wieder mal gewachsen. Mir geht es um die Betrachtung der letzten Jahre. Diese Summe ist fast dreimal so hoch wie noch 2005, als wir den Regierungsantritt von Frau Merkel hatten. Ich will an dieser Stelle fünf Teilbereiche ansprechen.

Der erste Teilbereich ist die Förderung der Familie mit Blick auf die finanziellen Möglichkeiten. Ein Großteil des Geldes entfällt auf die Förderung der Familie: Elterngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss. Ich könnte viele einzelne Maßnahmen benennen. Jede einzelne Maßnahme ist gut begründet. Der Unterhaltsvorschuss ist speziell für eine Gruppe gedacht, die – in dem Fall muss man sagen: leider – auf den Unterhalt ihres Ehepartners verzichten muss. Der Kinderzuschlag ist für eine spezielle Gruppe gedacht.

Es ist schon sinnvoll und klug, dass man Sozialleistungen und familienpolitische Leistungen sehr zielgenau, sehr früh und sehr bedarfsorientiert einsetzt. Denn wir wissen: Es gibt nicht nur die Grenzen des Wachstums, sondern es wird irgendwann auch die Grenzen der Ausweitung der sozialpolitischen Leistungen geben. Ich kann uns nur warnen: Wenn die Zeiten wieder andere werden und die ökonomische Situation sich verändert, dann sollten wir sehr klug sein und darüber nachdenken, wie wir die einzelnen Mittel sehr gezielt einsetzen. Ich warne davor, das Füllhorn oder auch die Gießkanne zu groß streuen zu lassen. Wenn man jetzt Ideen hat, wie man diese sehr zielgenauen Maßnahmen erweitert und noch mal 11 Milliarden Euro obendrauf packt, dann wird man möglicherweise irgendwann in die Situation kommen, dass man wieder kürzen muss. Diese Debatte würde für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft, glaube ich, nicht gerade förderlich sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Thomas Jurk [SPD])

Im Übrigen: Viele Leistungen haben wir ja im Gute-KiTa-Gesetz. Das ist also woanders im Haushalt untergebracht. Ich will mich, was das Gute-KiTa-Gesetz angeht, ein wenig der leichten Kritik anschließen. Wir haben ja gesagt, dass die Mittel dafür über die Umsatzsteuer an die Länder fließen. Die Länder haben dann auch die Verantwortung, diese Mittel einzusetzen. Ich warne so ein bisschen davor, dass es möglicherweise zu Fehlsteuerungen kommt. Wenn die Länder, die in der Frage der Qualität, des Betreuungsschlüssels eh schon ganz weit unten sind, das Geld dann ausschließlich zur Senkung der Beiträge einsetzen, während andere Länder, die eine hohe Qualität und einen guten Betreuungsschlüssel haben, diese Mittel zur weiteren Qualitätssteigerung einsetzen, dann muss man mit Blick auf die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet die Sorge haben, dass sie sich noch weiter auseinanderentwickeln. Insofern kann man nur herzlich an die Länder appellieren, dieses Geld bitte in die Qualität zu stecken; denn frühe Bildung ist wichtig für uns. Ich kann Ihnen nur ans Herz legen, einmal die DIW-Studie zur Frage der ineffizienten Mitnahmeeffekte zu lesen. Einige Länder und einige Ministerpräsidenten, die Erfahrung in der Familienpolitik haben, sollten sich die genau anschauen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweiter Teilbereich ist die Familienarmut. Selbstverständlich setzen wir uns dafür ein, dass kein Kind in Armut aufwächst. Aber Zusammenhalt – ich habe am Anfang den Zusammenhalt genannt – heißt auch, Eltern und Kinder nicht gegeneinander auszuspielen, nicht im Grundgesetz, aber auch nicht bei der Frage von Grundsicherungsleistungen. Zusammenhalt heißt auch, dass wir sehr genau gucken müssen in Bezug auf Kindergeld, Kinderzuschlag, Bildungs- und Teilhabepaket, kostenlose Kindertagesbetreuung, Lernmittelfreiheit, Fahrten, Mittagessen. Es gibt Kinder, die darauf angewiesen sind, dass das kostenfrei ist, weil ihre materielle Situation, die Situation ihrer Eltern es nicht anders hergibt.

Wichtig wird für uns sein – darum ging es in der Debatte –, das nicht mit der Gießkanne zu entwickeln, sondern hier genau zu schauen, um früh, zielgenau und bedarfsorientiert zu fördern. Das Familienstärkungsgesetz war genau richtig. Es entbürokratisiert. Es weitet die Maßnahmen aus. Der Anteil der Kinder, die davon profitieren, wird sich deutlich erweitern. Dieses Familienstärkungsgesetz war ein gutes Gesetz. Ich möchte appellieren, dieses Gesetz nicht kleinzureden, sondern damit zu arbeiten, bevor man dann die möglicherweise nächste Maßnahme in die Debatte führt, deren Finanzierung noch gar nicht gesichert ist. Da muss man auch ernsthaft sagen, wo das Geld herkommen soll. In diesen Zeiten wird Geld knapper werden. Das werden wir merken. Da muss man sagen, wo 11 Milliarden Euro herkommen sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächster Teilbereich. Kinderschutz wurde schon angesprochen, eine Herzensangelegenheit der Union und auch der Großen Koalition. So viel haben wir – wir müssen es ja tun – für den Kinderschutz noch nie getan.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Herrn Aggelidis?

 

Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU):

Ja, aber selbstverständlich.

 

Grigorios Aggelidis (FDP):

Vielen Dank, lieber Kollege Weinberg, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Angesichts Ihrer Ausführungen zur Frage, wo das Geld herkommen soll, habe ich folgende Nachfrage: Sind Sie nicht der Meinung, dass es Aufgabe der Regierung wäre, endlich mal dafür zu sorgen, dass Leistungen, für die es schon jetzt einen Anspruch gibt, auch ausgezahlt werden? Da müssen Sie sich natürlich als Regierung schon die Frage stellen, woher Sie das Geld dafür nehmen, anstatt es in irgendwelche Wahlkampfprojekte zu stecken – erste Frage.

 

Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU):

Was sind denn Wahlkampfprojekte?

 

Grigorios Aggelidis (FDP):

Die Ansprüche sind ja schon da, Herr Weinberg. Das sollten Sie wissen. Den Kinderzuschlag gibt es ja schon, das Bildungs- und Teilhabepaket auch.

(Sönke Rix [SPD]: Dass eine Partei, die nicht regieren will, so viel vom Regieren versteht, ist schon komisch!)

– Herr Rix, dazu hätten Sie natürlich auch etwas sagen können, haben Sie aber nicht.

Das bedeutet also: Muss sich die Bundesregierung nicht endlich Gedanken machen, wie diese Mittel die Familien erreichen – erste Frage –, wie sie die Erfüllung dieser Ansprüche finanzieren will – zweite Frage –, und was hindert diese Regierung daran – letzte Frage dazu; ich höre ja immer wieder unterschiedliche Signale –, endlich Freibeträge für Schülerjobs einzuführen für Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien?

Danke.

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Weinberg, bitte.

 

Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU):

Ich versuche mal, Ihre Frage zu verstehen bzw. zu beantworten. Wir machen hier keine Wahlkampfgeschenke.

(Grigorios Aggelidis [FDP]: Nee! Ich habe „Projekte“ gesagt!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Jetzt ist Herr Weinberg dran.

 

Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU):

Also Wahlkampfprojekte, keine Wahlkampfgeschenke.

Sie haben, hoffe ich, die ausführliche Debatte über das Familienstärkungsgesetz mitbekommen. Einer der Kernpunkte war, dass diese Maßnahmen ankommen. Entbürokratisierung deswegen, weil man die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket generell beantragen kann – natürlich mit Ausnahme der Klassenreisen; denn das ist wegen der Höhe finanziell eine andere Geschichte.

Wir reden über das Thema Digitalisierung. Bei vielen Punkten geht es jetzt immer um Digitalisierung. Wir verfolgen doch dieses Bestreben nicht, weil wir digitalaffin sind, sondern weil wir wissen, dass zu wenige Menschen ihren Rechtsanspruch auf eine Leistung einlösen. Ein Unterhaltsvorschuss ist keine milde Gabe dieser Bundesregierung. Der Unterhaltsvorschuss ist ein Rechtsanspruch der betroffenen Menschen. Wir wollen, dass sie davon Gebrauch machen. Deswegen werben wir dafür, deswegen entbürokratisieren wir, und deswegen sagen wir auch in den Beratungen immer wieder ganz deutlich: Es muss unser Ziel sein, dass der Kinderzuschlag, der Unterhaltsvorschuss von den Familien in Anspruch genommen werden, die ein Recht darauf haben. Dieses Recht muss man in Anspruch nehmen können. Das ist auch das Bestreben gewesen in den letzten Monaten. Insoweit können Sie uns das nicht vorwerfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will zum Thema Kinderschutz, zum Thema Zusammenhalt kommen. Zusammenhalt heißt auch, dass Kinder sich darauf verlassen können in dieser Gesellschaft, dass sie geschützt werden, dass sie beschützt werden. Auch hier gilt der Grundsatz „Wer Familien und Eltern stärkt, stärkt die Kinder“, auch hinsichtlich der Missbrauchsproblematik. Die Frühen Hilfen wurden angesprochen, die Verstetigung der Mittel, auch das Thema „sexueller Missbrauch“, der Fonds Sexueller Missbrauch. Wir als Union haben uns mit Blick auf den Kampf gegen den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen deutlich positioniert. Ich sage ganz klar für die Zukunft: Das Thema darf uns nicht ruhen lassen. Es kann nicht sein, dass Tausende von Missbrauchsverdächtigungen nicht abgearbeitet werden können, weil der Datenschutz es verhindert. Wir müssen, glaube ich, mal darüber nachdenken, wie wir hier eine andere Regelung finden; denn ich glaube, das sind wir unseren Kindern schuldig. Das müssen wir unseren Kindern auch schuldig sein.

Letzter Teilbereich, der angesprochen wurde – ich komme zurück zum Anfang –, ist das Thema „Förderung des bürgerschaftlichen Engagements“. Ja, es gibt 30 Millionen Menschen in diesem Land, die sich engagieren. Darauf können wir stolz sein. Zusammenhalt heißt auch, dass man etwas von seiner Freizeit der Gesellschaft gibt. Diese Gesellschaft, diese Gemeinschaft schützt übrigens den Einzelnen, stärkt den Einzelnen, pflegt den Einzelnen. Also kann man auch jeden Einzelnen fragen – aber die Diskussion, lieber Sönke Rix, werden wir hier jetzt nicht führen –: Ist es denn nicht auch zumutbar, dass du eine Zeit deines Lebens für diese Gesellschaft gibst, und zwar in Form eines Sozialdienstes, eines Dienstes bei der Bundeswehr oder auch beim THW?

(Sönke Rix [SPD]: Ist es doch!)

Insofern war uns dieses Thema wichtig. Die Verstetigung der Mittel für die Freiwilligendienste ist dann letztendlich mit den 50 Millionen Euro noch mal gelungen, und zwar mit der Maßgabe – wichtig –, dass diese auch über das Jahr 2020 verstetigt werden; denn die Träger brauchen Planungssicherheit. Das Spiel, dass die Mittel zunächst abgesenkt werden und dann wieder nach oben gehen, darf man eigentlich nicht mehr spielen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Ich hatte eingangs von den Werten gesprochen, die unsere Familienpolitik tragen: Verantwortung, Respekt, Toleranz, Teilhabe. Nur mit diesen Werten – das glauben wir und sagen es ganz deutlich – können wir die Spaltung bzw. die Spaltungstendenzen in dieser Gesellschaft überwinden.

Am Ende ein Zitat. Norbert Lammert hat in seiner Abschiedsrede gesagt: „Die Demokratie steht und fällt mit dem Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger.“ Das, glaube ich, ist ein hoher Wert für uns in der Gesellschaft und auch für uns im Parlament. Insofern freue ich mich, dass wir einen so guten familienpolitischen Etat hinbekommen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)