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Lothar Riebsamen: Wir haben ein gutes Gesundheitssystem, das sich in dieser Krise bewährt hat

Rede zu Arbeitszeit und Prämie in der Pflege

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Linken wendet sich gegen eine Verordnung, die auf der Grundlage der Änderung des Arbeitszeitgesetzes entstanden ist. Diese Verordnung beinhaltet, dass im Notstand, wenn Leben und Gesundheit von Patientinnen und Patienten in diesem Land in unseren Einrichtungen gefährdet sind, die Arbeitszeit ausgeweitet und die Ruhezeit verringert werden kann.

Diese Regelung ist an sehr enge Bedingungen geknüpft: Es muss ein außergewöhnlicher Notfall vorliegen, oder die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens muss in Gefahr sein. Ja, in der Tat, das kann in diesen Coronazeiten vorkommen. Es kann vorkommen und kommt natürlich auch vor, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen selber in Quarantäne müssen, vielleicht Kinder betreuen müssen, weil der Kindergarten geschlossen ist, oder selber erkranken. Für solche Situationen brauchen wir diese Regelung.

Ich kann nur sagen: Wenn es nicht eine der wichtigsten Aufgaben dieses Bundestags und der Bundesregierung ist,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre alles auch möglich ohne die Verordnung!)

in diesen Notzeiten zu handeln, dann weiß ich auch nicht. Wir haben unseren Eid darauf geschworen, Gefahren abzuwenden von unserer Bevölkerung, insbesondere natürlich von den Patientinnen und Patienten. So verstehen wir unsere Aufgabe in diesem Zusammenhang.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was fordern die Linken? Sie wollen die Verordnung durchaus weitergelten lassen für alle anderen Berufe: für das ärztliche Personal, für das medizinisch-technische Personal, Physiotherapie usw.,

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Falsch! Das stimmt nicht! Wir wollen sie generell weg!)

nicht aber in der Pflege.

In Ihrem Antrag fordern Sie auch noch die Bundesregierung auf, die Arbeitszeit um 25 Prozent auf 30 Stunden abzusenken; nach der Krise, ja. Wenn man den Antrag liest, ist man sich gar nicht mal so sicher, ob Sie das nicht gleich wollen; aber das haben Sie klargestellt: Das wollen Sie nach der Krise haben.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Das steht aber deutlich drin!)

Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Das kann man wollen; aber jetzt, in dieser Situation, in der es eng wird in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, ist der falsche Zeitpunkt. Ich bin sicher, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege gerade jetzt, in der Not, helfen wollen; sie wollen nicht, dass die Ärzte und das andere Personal im Krankenhaus seine Arbeit macht und sie selber nicht. Das wollen sie nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie wollen bessere Bedingungen; dazu komme ich noch, das ist auch richtig so. Aber in erster Linie wollen sie helfen.

In Ihrem zweiten Antrag geht es darum, die Tarifparteien zu unterstützen, damit wir endlich zu Tarifverträgen in der Pflege kommen.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Riebsamen, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung des Kollegen Ernst?

 

Lothar Riebsamen (CDU/CSU):

Ich möchte erst mal fertig ausführen. – Zu Ihrem Antrag, in dem es um die Unterstützung der Forderung nach Tariflöhnen geht. Ja, da bin ich voll bei Ihnen. Wir haben am Mittwoch einen Antrag der Grünen beraten. Da habe ich auch schon gesagt, dass wir, dass unsere Fraktion voll dahinterstehen, dass Tarifverträge kommen. Wir haben im Koalitionsvertrag die Konzertierte Aktion Pflege ins Leben gerufen. Wir haben die Pflegekommission gestärkt. Ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Ergebnis der Konzertierten Aktion Pflege ist, dass wir in der Pflege zu Tariflöhnen kommen. Deswegen haben wir letztes Jahr im November ein Gesetz für bessere Löhne in der Pflege vorgelegt und im Deutschen Bundestag beschlossen.

Jetzt sage ich Ihnen mal, was Sie hätten tun können, damit es Tarifverträge gibt: Sie hätten diesem Gesetz zustimmen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das wäre doch der richtige Weg gewesen, anstatt ein halbes Jahr später anzukommen und einen Antrag vorzulegen und zu fordern, man möge die Einführung von Tarifverträgen unterstützen. Ja, was soll das denn bedeuten? Ich habe wirklich den Eindruck, dass es Ihnen gar nicht um die Pflege geht;

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Das ist eine boshafte Unterstellung! Das ist echt eine boshafte Unterstellung!)

sonst hätten Sie zugestimmt. Es geht Ihnen doch darum, sich jetzt, in dieser Situation, gegenüber den Beschäftigten in der Pflege zu profilieren. Das ist der einzige Grund, warum Sie diesen Antrag jetzt vorlegen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Sonst hätten Sie dem Gesetz damals zugestimmt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist definitiv falsch! Uns geht es um die Menschen: um die Beschäftigten und die Patienten!)

Ich möchte noch einen Satz zum Thema Mindestlohn sagen. Wir als Gesetzgeber können den Tarifvertrag nicht aushandeln; das wissen wir alle. Das müssen die Tarifpartner tun. Aber was wir machen konnten – das haben wir mit diesem Gesetz getan, zumindest mal als ersten Schritt –: Wir haben zum ersten Mal in der Geschichte einen gesetzlichen Mindestlohn für die voll ausgebildeten Pflegekräfte eingeführt, für diejenigen mit einer dreijährigen Ausbildung, und zwar in Höhe von 2 678 Euro im Monat bei einer 40-Stunden-Woche. Das entspricht in etwa dem Einstiegsgehalt einer Krankenschwester nach dem TVöD. Man kann sagen: Das hätte noch mehr sein können.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie können in der Pflege doch nicht nur von Mindestlöhnen reden! Das ist doch zu wenig!)

Ich bin froh, wenn der Tarifvertrag kommt und es mehr wird. Aber dass wir zum ersten Mal einen gesetzlichen Mindestlohn festgelegt haben, muss schon auch erwähnt sein. Im Rahmen dessen, was wir als Gesetzgeber auf die Schnelle machen können, hilft das zunächst einmal weiter.

Zum Schluss sprechen Sie die Bürgerversicherung an. Und täglich grüßt das Murmeltier.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Riebsamen, Sie müssen den Schlusspunkt setzen.

 

Lothar Riebsamen (CDU/CSU):

Ja, ich komme zum Schluss. – Wir sind uns einig, dass wir ein gutes Gesundheitssystem haben, das sich in dieser Krise bewährt hat. Warum Sie dieses System ausgerechnet jetzt, nachdem es sich bewährt hat, abschaffen wollen, bleibt Ihr Geheimnis. Wir wollen das nicht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)