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Karin Maag: Zur guten Versorgung gehört untrennbar die Apotheke vor Ort

Fortsetzung der Aussprache zur Regierungserklärung Gesundheit

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Werte Gäste! Politik lebt bekanntlich davon, Menschen zu überzeugen. Deshalb reicht es nicht, nur zu wiederholen, dass wir ein gutes Gesundheitssystem haben, sondern wir müssen dort, wo Verbesserungsbedarf besteht, unser System auch im Sinne der Patienten weiterentwickeln.

Dabei möchte ich mit dem Zugang zur ambulanten Versorgung beginnen. Wenn ein niedergelassener Arzt den privat versicherten Patienten schneller drannimmt, dann wird das zu Recht als Ärgernis empfunden. Aber Politik war da nicht etwa untätig. Wir haben der Selbstverwaltung bereits einiges an Möglichkeiten an die Hand gegeben; die Umsetzung erfolgt leider eher schleppend. Seit Juli 2015 gibt es die gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung von Terminservicestellen. Innerhalb von vier Wochen können Patienten dort einen Facharzttermin erhalten. Diese Terminservicestellen müssen vor allem bekannter und besser werden. Das gelingt mit einer einheitlichen Telefonnummer und längeren Ansprechzeiten.

Neu ist, dass man dort nicht nur Facharzttermine innerhalb dieser vier Wochen bekommen kann, sondern künftig auch Hausarzttermine und Kinderarzttermine. Bereits seit 2011, Herr Schlund, ist geregelt, dass der Erstkontakt beim Haus- und beim Facharzt besser vergütet werden soll, um Anreize zu setzen, damit Haus- und Fachärzte auch neue Patienten aufnehmen.

(Gabriela Heinrich [SPD]: Das kann er nicht wissen, weil er eine Privatpraxis hat!)

Leider hat meines Wissens überhaupt nur die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen diese Regelung umgesetzt.

Neu ist zum Beispiel auch – der Kollege hat es erwähnt –, dass wir mit einer besseren Vergütung für die sprechende Medizin und mit regionalen Zuschlägen für Ärzte dafür sorgen wollen, dass diese weiterhin auch in wirtschaftlich schwachen Regionen oder ländlichen Räumen praktizieren. Ich hoffe, das wird diesmal umgesetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Beim Thema „Zugang zur Versorgung“ reden wir in der Union übrigens auch mit den privat versicherten Patienten über den Reformstau in der PKV, über sprunghafte Beitragssteigerungen, über Probleme durch steigende Beiträge im Alter und über Überversorgung. Lieber Herr Lauterbach, wir sollten es uns dabei gemeinsam nicht leisten, die Sorgen von rund 10 Prozent der Bevölkerung schlicht zu ignorieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Gabriela Heinrich [SPD]: Bürgerversicherung einführen!)

Kommen wir zur stationären Versorgung. Viele Menschen treibt die Sorge um, dass insbesondere in den ländlichen Räumen das kleine örtliche Krankenhaus verschwindet. Wir werden die Existenz dieser notwendigen – ich betone: notwendigen – Krankenhäuser auch in dünn besiedelten Gebieten, wo die Krankenhäuser sich eben nicht über hohe Fallzahlen selbst finanzieren können, finanziell absichern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Patienten wollen aber auch mit den neuesten Methoden, den neuesten Geräten und nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt werden. Der Schlaganfallpatient muss in ein Krankenhaus mit Stroke Unit eingeliefert werden. Der Darmkrebspatient hat deutlich höhere Überlebenschancen, wenn er in einem Zentrum behandelt wird. Deshalb werden wir die Zentrumsbildung noch stärker vorantreiben. Aber auch dort haben wir schon einiges geregelt. Leider werden 180 Millionen Euro – die Zentrumszuschläge, die die Krankenkassen zur Verfügung stellen – derzeit schlicht nicht abgerufen, weil sich die Selbstverwaltung streitet, was ein Zentrum ist.

Wir sorgen nun dafür, dass Kommunen auch dann ein gutes ärztliches Angebot am Standort vorhalten können, wenn ihr kleines örtliches Krankenhaus – weil es nicht mehr in die moderne Versorgungskette passt, weil es nicht mehr notwendig ist – schließt. Auch dafür werden wir weiterhin finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.

Meine Damen und Herren, zur guten Versorgung gehört untrennbar die Apotheke vor Ort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Da gibt es Beratung, Wochenenddienst, Nachtdienst und Notdienst. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes dürfen aber ausländische Versandapotheken ihre Abgabepreise für verschreibungspflichtige Medikamente frei festlegen und Boni gewähren, während für die deutsche Präsenzapotheke weiterhin die Arzneimittelpreisverordnung gilt und Rabatte verboten sind. Wir werden mit einem Versandhandelsverbot bezüglich verschreibungspflichtiger Medikamente die Gleichbehandlung wiederherstellen, damit das Überleben der Apotheken vor Ort gesichert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE] – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Falsche Maßnahme!)

Meine Damen und Herren, nicht nur, aber besonders ältere und kranke Menschen haben ein Recht auf ein Leben in Würde. Deswegen – es wurde heute mehrfach erwähnt – haben wir viel für die von Pflege Betroffenen und für ihre Familien getan. Selbstverständlich haben wir die Menschen, die in der Pflege arbeiten, nicht vergessen. Deswegen werden wir die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen deutlich verbessern und für eine tarifvertragliche Durchdringung sorgen. Auch hier waren wir nicht untätig. Zum Beispiel sollten rund 18 von jährlich insgesamt 75 Milliarden Euro GKV-Ausgaben für Krankenhäuser über den Pflegeanteil bei den Fallpauschalen eigentlich bereits heute bei der Pflege ankommen. Hinzu kommt eine knappe Milliarde Euro aus dem Pflegestellen-Förderprogramm. Hinsichtlich der Frage, ob das auch so geschieht, haben wir große Zweifel. Genau deswegen brauchen wir Transparenz. Wir möchten endlich sicher sein, dass das Geld dort ankommt und dass wir mit diesem Geld keine Aufzüge, Fenster und Dächer in den Krankenhäusern finanzieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist ein Grund, warum wir die Pflege auch künftig gesondert finanzieren wollen.

Mir ist ein zweiter Gedanke wichtig. Ärzte und Pflegekräfte behandeln gemeinsam. Mit der neuen Pflegepauschale wird die Pflege endlich auch ein Teil der Wertschöpfungskette im Krankenhaus und nicht mehr nur als – ich sage es einmal so – Kostenfaktor bezeichnet.

Ein letzter Gedanke. In der Medizin haben Daten einen hohen Stellenwert. Sie tragen dazu bei, dass neue Medikamente, Diagnostika und Medizinprodukte erfolgreich entwickelt und operative Verfahren verbessert werden. Die Forschung an Krebs wird heutzutage unmittelbar in Behandlungsstrategien überführt. Ein Großteil der Daten kann allerdings, zum Beispiel aufgrund der Barrieren in der Datenübermittlung zwischen den unterschiedlichen Leistungserbringern, nicht abgerufen werden. Digitalisierung ist deshalb kein Selbstzweck, sondern ein Prozess und ein Mittel, um die Versorgung zu verbessern.

Jede Behandlung bringt neue Erkenntnisse zutage. Wir wollen eine verbesserte Vernetzung, zum Beispiel den einheitlichen Behandlungsweg von der Universitätsmedizin bis hin zur ambulanten Schwerpunktpraxis. Genau deswegen brauchen wir eine elektronische Patientenakte. Einzelne Krankenkassen entwickeln eine solche Patientenakte bereits. Gut so! Wir werden das Rad nicht zurückdrehen, sondern darauf achten, dass die Schnittstellen zusammenpassen und die Interoperabilität gewährleistet ist. Es gibt also viel zu tun, insbesondere für die Selbstverwaltung, die ich noch einmal herzlich einlade.

Ich freue mich auf die gute Zusammenarbeit in den nächsten vier Jahren.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)