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Kai Whittaker: Wir müssen auch das Ziel, lebenswerte Städte zu haben, im Blick behalten

Rede zur Einführung einer Wohnungslosenberichterstattung

Kai Whittaker (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! In der Tat: Es ist ein bedrückendes Thema, das hinter diesem Gesetz steht. Ich glaube, jeder von uns kann da seine Beobachtungen schildern. Wenn man mit offenen Augen durch unsere Städte und Gemeinden geht, dann sieht man Menschen, die keine Wohnung haben. Allein wenn ich mit der U-Bahn hierherfahre, sehe ich mindestens drei: einen am Bahnhof, wo ich einsteige, einen in der U-Bahn selber und einen an dem Bahnhof, wo ich wieder aussteige. Wir haben Verantwortung für diese Menschen zu übernehmen. Das bedeutet aber auch, dass man nicht nur verantwortlich mit der Statistik und mit den Zahlen, die wir jetzt erheben wollen, sowie dem Ergebnis umgeht, sondern auch mit den Menschen dahinter. Insofern tue ich mich schon schwer mit dem, was ich hier zum Teil gehört habe.

Wir werden es Ihnen als Linke nicht durchgehen lassen, dass Sie dieses Thema missbrauchen,

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Sie verkennen die Realität, tut mir leid!)

um eine immer schrillere Tonlage in diesem Land zu etablieren nach dem Motto „Es gibt immer mehr Menschen, die verelenden“.

Gleichzeitig, Herr Witt, nehme ich es Ihnen nicht ab, wenn Sie sich hier so lammfromm hinstellen. Sie nutzen diese Obdachlosenthematik für fremdenfeindliche Debatten, indem Sie sagen: Schaut hin, die Deutschen müssen verhungern, aber die Flüchtlinge werden fürstlich in Asylbewerberheimen untergebracht. – Das ist schon eine Tonalität, die Sie im Zusammenhang mit dieser Statistik in dieses Land hier tragen, die wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Wir sind für faktenbasierte Diskussion und nicht für eine faktenfreie Debatte.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]Turnusende

Gleichzeitig müssen wir nicht nur fragen, wie viele es sind, sondern auch, warum sie obdachlos oder wohnungslos geworden sind,

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Eben!)

also welcher Lebensweg dahinter steht, was die Ursachen waren. Darum geht es.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Wer regiert denn hier seit Generationen?

Denn wenn wir Obdachlosigkeit vermeiden wollen, dann müssen wir alles dafür tun, dass sie dort gar nicht erst hinkommen. Dafür müssen wir das Verständnis haben, wo wir im Vorfeld ansetzen können.

Ich bin der Kollegin Nissen als Mitglied des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung dankbar, dass sie die SDGs angesprochen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen drei Ziele ganz klar in den Blick nehmen: nicht nur die Armutsbekämpfung und die Bekämpfung der Ungleichheit, sondern auch das Ziel, lebenswerte Städte zu haben.

Daraus ergibt sich die zweite Aufgabe. Man hat es hier schon gemerkt: Die Statistik an sich anzuführen, ist nicht der große politische Streit zwischen den Fraktionen. Aber der politische Streit wird um die Frage gehen, welches Ergebnis daraus gezogen werden kann, was zu tun ist. Es kann nicht sein, dass am Ende alle auf den Bund zeigen und sagen: Das sind deine Obdachlosen, kümmere dich, Bund! – Es wird eine gemeinsame Kraftanstrengung

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

von Städten, Ländern und Bund sein, dieses Problem zu beheben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, macht doch mal!)

Da kann ich Sie, Frau Lay von den Linken, nur ermuntern, es zu tun.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Machen wir! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Unsere Sozialsenatorin hat das gut gemacht!)

Wir haben als Bundesregierung in dieser Legislaturperiode 2 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das machen wir doch in Berlin! Gucken Sie sich doch mal Berlin an!)

Sie tragen in einem Bundesland mit einem Ministerpräsidenten Regierungsverantwortung. Sie tragen in weiteren Bundesländern Regierungsverantwortung mit. Dann tun Sie es auch. Bauen Sie soziale Wohnungen,

(Caren Lay [DIE LINKE]: Wir bauen doch!)

damit Menschen nicht auf der Straße leben müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wissen Sie, wenn Sie den Mietendeckel preisen, dann verstehe ich die Argumentation dahinter nicht. Ich selbst und wahrscheinlich viele Kollegen in diesem Haus bewohnen hier in Berlin in der Sitzungswoche eine kleine Ein- oder Zweizimmerwohnung, wahrscheinlich relativ nah am Bundestag, also mitten in der besten Wohnlage. Ich habe das einmal für meine Wohnung ausgerechnet. Wir alle bekommen 10 500 Euro im Monat auf unser Konto überwiesen. Wir gehören zu den Spitzenverdienern in diesem Land. Aber ich kann dank Ihres Mietendeckels meine Miete in Zukunft um die Hälfte reduzieren, während diejenigen, die in Marzahn von Hartz IV leben, durch Ihren Mietendeckel ihre Miete wahrscheinlich nicht senken können.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Die Krankenschwester, der Paketbote, die können diese Miete nicht zahlen! Unfassbar, sich zum Maßstab zu nehmen!)

Deshalb verstehe ich nicht, warum ein Mietendeckel dazu führen soll, dass Obdachlose in diesem Land eine Wohnung bekommen sollten. Das ist ein falsches Argument.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

 

Kai Whittaker (CDU/CSU):

Deshalb lade ich Sie ein: Stimmen Sie dafür, dass wir diese Statistik einführen, und dann streiten wir darüber, wie wir mit den Obdachlosen und Wohnungslosen umgehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Unglaublich!)