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Kai Whittaker: Menschen werden durch das Flexi-Gesetz nicht mehr dazu gezwungen, vorzeitig in Rente zu gehen

Rede zu Zwangsverrentung und Altersarmut

Das wirksamste Mittel gegen Armut ist Arbeit. Im Kampf gegen Altersarmut bedeutet dies: Ältere Menschen sollen nicht auf das Abstellgleis, sondern wieder zurück in den Arbeitsmarkt. Fakt ist, dass in den letzten Jahren viele ältere Menschen wieder Arbeit gefunden haben. Im Jahr 2006 waren 29,6 Prozent aller 60- bis 65-Jährigen erwerbstätig. Zehn Jahre später waren es schon 55,7 Prozent. Auch bei den 55- bis 60-Jährigen ist die Erwerbsbeteiligung in diesem Zeitraum um 15 Prozent gestiegen.

Durch diese positive Entwicklung konnten viele ältere Menschen der Arbeitslosigkeit den Rücken kehren. Im Jahr 2005 waren 600 000 Menschen über 50 Jahre arbeitslos im Hartz-IV-System. Heute sind es rund 460 000 Menschen. Das ist eine Senkung von fast 25 Prozent.

Diese Zahlen zeigen, dass wir die Trendwende geschafft haben. Ein Ende dieser positiven Entwicklung ist nicht in Sicht. Unternehmen haben eine hohe Nachfrage nach Arbeitskräften. Sie stellen Menschen ein, die vor Jahren keinerlei Chance auf dem Arbeitsmarkt gehabt hätten.

Die Union will diese günstige Situation auf dem Arbeitsmarkt nutzen, um auch arbeitsmarktfernen Menschen eine Chance zu ermöglichen. Wir schaffen mit dem Teilhabechancengesetz ein neues Instrument, das auch vor allem ältere Arbeitslose ansprechen wird.

Diese Ansicht vertritt auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Ich zitiere: „Ein klares Ergebnis der Analyse ist daher, dass relativ junge erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Alter von unter 45 Jahren praktisch nicht in die sehr arbeitsmarktferne Zielgruppe fallen und die Mehrzahl der Personen in der Zielgruppe mit besonders geringen Beschäftigungsaussichten sogar über 54 Jahre alt sein wird.“

Genau aus diesem Grund haben wir als Große Koalition eine sehr arbeitsmarktferne Zielgruppe im Gesetzentwurf festgelegt. Man muss in den letzten acht Jahren sieben Jahre im Leistungsbezug gewesen sein. Durch diese enge Fassung der Zielgruppe werden dann auch vor allem ältere Arbeitslose profitieren.

Es wird klar: Die Große Koalition hat ältere Arbeitslose im Blick – und das nicht erst seit dieser Legislaturperiode. In der Großen Koalition von 2005 bis 2009 haben wir das Bundesprogramm Perspektive 50plus ins Leben gerufen. Dieses Programm war erfolgreich wie wenige Programme zuvor. Es konnten mehr Integrationen erreicht werden als in der Regelförderung. Und noch heute profitieren die Jobcenter von den Erfahrungen des Programms. Durch die starke Netzwerkarbeit mit Unternehmen haben sich Kooperationen und verschiedene Formen der Zusammenarbeit auf regionaler Ebene ergeben. Diesen Weg müssen wir weitergehen und dabei vor allem eine gute Betreuung in den Jobcentern sicherstellen.

Natürlich verhindern diese Maßnahmen nicht in allen Fällen, dass Menschen von Altersarmut bedroht sind. Deshalb werden wir als Große Koalition eine Mindestrente einführen. Damit sollen jene Menschen, die mindestens 35 Jahre gearbeitet haben, eine höhere Rente bekommen. Wir wollen Menschen erreichen, die zum Beispiel unverschuldet für eine Weile arbeitslos waren und nicht 45 Beitragsjahre erreicht haben. Diese Menschen sollen mehr bekommen als die Grundsicherung im Alter. Damit wollen wir Leistung belohnen.

Stichwort Leistung. Das ist der Union in der Rentendebatte sehr wichtig. Dabei muss zwischen den verschiedenen Systemen unterschieden werden.

Die Grundsicherung für Arbeitssuchende ist ein Fürsorgesystem. Dieses System will offene Bedarfe abdecken und Hilfebedürftigkeit abbauen. Es will Menschen weder in Rente noch in Altersarmut schicken.

Die gesetzliche Rente ist dagegen ein eigenständiges und individuelles Einkommen. Es spiegelt das Erwerbsleben einer Person wider. Deshalb lehnen wir eine Beitragszahlung zur Rentenversicherung für Bezieher von Arbeitslosengeld II ab. Das wäre eine Zweckentfremdung von Beitragsgeldern – die Linke nennt es auch Umverteilung.

Die Opposition bringt diese Systeme immer wieder durcheinander. Ihr Ziel ist: einen Verschiebebahnhof von Geldern einrichten. Das wäre jedoch unverantwortlich gegenüber den Steuer- und Beitragszahlern.

Unverantwortlich ist auch, wie die Themen „früherer Renteneintritt“ und „Altersarmut“ vermischt und durcheinandergebracht werden. Deshalb möchte ich kurz drei Dinge klarstellen:

Erstens. Fakt ist, dass Menschen durch das Flexi-Gesetz nicht mehr dazu gezwungen sind, vorzeitig in Rente zu gehen, um dann die Grundsicherung im Alter zu beziehen. Anders gesagt: Führen Abschläge in der Altersrente zur Bedürftigkeit, darf der Betroffene nicht mehr in die vorzeitige Rente geschickt werden. Damit läuft das Argument, dass wir Menschen in die Altersarmut schicken, ins Leere.

Zweitens. Fakt ist, dass immer weniger Menschen in die vorzeitige Rente gehen. Waren es im Jahr 2016 bei den 63-Jährigen noch 42 000 Personen, so waren es ein Jahr später nur noch 30 300 Personen. Das gleiche Bild zeigt sich bei den 64-Jährigen. Von ihnen sind im Jahr 2016  12 400 Menschen vorzeitig in Rente gegangen. Ein Jahr später waren es nur noch 8 900. Diese Zahlen zeigen, dass der Trend eines früheren Renteneintritts rückläufig ist.

Drittens. Fakt ist auch, dass die Große Koalition mit dem Flexi-Gesetz in der vergangenen Legislaturperiode das Weiterarbeiten attraktiver gemacht hat. Wir wollen nämlich nicht, dass Menschen frühzeitig in Rente gehen müssen.

Diese Punkte offenbaren, dass die Linke und die AfD mit ihren Anträgen völlig an den eigentlichen Problemen vorbeireden. Ältere Menschen wollen weiter arbeiten. Sie wollen sich eine gute Rente aufbauen. Diese Menschen wollen nicht vom Staat alimentiert werden. Sie wollen vor allem eine Chance haben. Diese Chance können sie aber nur durch Arbeit bekommen. Denn Arbeit ist das beste Mittel gegen Altersarmut und einen vorzeitigen Renteneintritt.

Dieser Ansatz fehlt bei der AfD und der Linkspartei völlig, und deshalb lehnen wir beide Anträge ab.