Skip to main content

Kai Whittaker: Langzeitarbeitslose brauchen unsere Unterstützung

Beste Arbeitsmarktlage seit der Wiedervereinigung und Herausforderungen für die Zukunft

Herr Präsident! Werte Kollegen! Kollege Peter Weiß und andere Vorredner haben es schon gesagt: Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist hervorragend. Frau Kollegin Tatti, deshalb möchte ich auch Ihren Vorwurf zurückweisen, dass wir die Arbeitslosenzahlen schönrechnen würden. Als ob wir uns jeden Tag neue Tricks einfallen würden, um die Arbeitslosenzahlen niedrigzurechnen. Das tun wir nicht. Wir können zwar – in einer speziellen Debatte – über die Berechnungsweise durchaus streiten; aber die Statistik ist seit Jahren dieselbe, und die Tendenz ist sinkend. Deshalb kann man sehr wohl sagen, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt von Tag zu Tag besser wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])

Herr Kollege Witt von der AfD, Sie haben gesagt, dass Menschen, die in Teilzeit beschäftigt sind, quasi unfreiwillig gefangen sind. Auch da – das muss ich sagen – haben Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Im Jahr 2005, als wir die Regierungsverantwortung übernommen haben, lag der Anteil der unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten bei 23 Prozent – jeder Vierte hat quasi weniger arbeiten müssen, als er es wollte –, heute ist es nur noch jeder Zehnte. Daran kann man sehen, dass der Arbeitsmarkt weiter gesundet und an Kraft gewinnt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In meinem Wahlkreis, wie in einigen anderen Wahlkreisen auch, herrscht fast Vollbeschäftigung. Viele Unternehmen suchen händeringend Fachkräfte. Natürlich werden wir ein Fachkräftesicherungsgesetz brauchen, um auch Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Aber wir werden die Akzeptanz in Deutschland nur dann gewinnen, wenn wir gleichzeitig auch für die Menschen in diesem Lande etwas tun, die arbeiten wollen und für die momentan keine oder nur wenige Chancen angeboten werden. In der Tat rücken da die Langzeitarbeitslosen verstärkt in den Fokus. Es gibt in Deutschland 1,1 Millionen Menschen, die arbeitslos sind und keinen Berufsabschluss haben. Gerade wenn man keinen Berufsabschluss hat, ist die Gefahr, langzeitarbeitslos zu werden, besonders groß. Eine ähnliche Situation haben wir in Bezug auf Sprachqualifikationen: Fast die Hälfte der Langzeitarbeitslosen können nur mangelhaft Deutsch.

Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft den Betreuungsschlüssel in den Jobcentern. Ein Jobcentermitarbeiter ist im Schnitt – das ist die offizielle Statistik – mit 131 Arbeitslosen beschäftigt. Das bedeutet bei einem Achtstundentag, dass diesem Mitarbeiter pro Arbeitslosen im Schnitt 80 Minuten im Monat zur Verfügung stehen. Davon geht die Hälfte davon drauf, die Leistungen zu berechnen. Nur 40 Minuten verbleiben tatsächlich, diesen Menschen zu beraten, zu qualifizieren und in den ersten Arbeitsmarkt zu begleiten. Das ist mir zu wenig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da müssen Sie mal ansetzen und etwas tun!)

Deshalb ist der soziale Arbeitsmarkt, den wir jetzt schaffen wollen, ein erster, wichtiger Schritt, aber – das richte ich an Minister Heil und sein Ministerium –: Der Lohnkostenzuschuss allein wird es, glaube ich, nicht richten. Das hat auch Herr Scheele heute Morgen im Ausschuss ganz klar gesagt: Er ist ein wichtiges Mittel; aber er ist nicht das Mittel der Wahl. Vielmehr geht es um einen ganzheitlichen Betreuungsansatz und darum, gerade Familien und den Betreuungsschlüssel in den Blick zu nehmen. Langzeitarbeitslose sind ja nicht deshalb langzeitarbeitslos, weil sie zu teuer sind, um im ersten Arbeitsmarkt unterzukommen, sondern sie haben strukturelle Probleme, die sie alleine nicht überwinden können. Deshalb brauchen sie unsere Unterstützung. Wir werden nur dann eine Chance haben, sie in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, wenn wir aus diesen Menschen Fachkräfte machen und eben keine Hilfskräfte.

Deshalb mein Appell an Minister Heil und das Bundesministerium: Wir müssen uns in der Diskussion, die wir um das Thema Langzeitarbeitslosigkeit führen, dafür einsetzen, dass das Geld, das wir im Haushalt aufbringen, auch dafür genutzt wird, Ausbildung und Qualifikationen zu ermöglichen, Sprachkenntnisse weiterzuentwickeln und insbesondere den Betreuungsschlüssel deutlich zu verbessern. Lassen wir auch den Jobcentern die Freiheiten, die sie brauchen, um vor Ort entscheiden zu können, was notwendig ist. De facto brauchen wir so etwas wie das Programm „Perspektive 50plus“ – das erfolgreichste Beschäftigungspaket, das wir je hatten –, aber nicht für Arbeitslose über 50, sondern für diejenigen, die langzeitarbeitslos sind. Ich glaube, das wäre die richtige Antwort und eine gute Kombination, um den sozialen Arbeitsmarkt nach vorne zu bringen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)