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Kai Whittaker: Ich sehe ein Land, das vor Solidarität nur so strotzt

Rede zum sozialen Zusammenhalt während der Corona-Krise

Herr Präsident! Werte Kollegen! Wenn man sich den Antrag anschaut, dann könnte man meinen, liebe Kollegen von den Grünen, dass Sie die Zeit im Homeoffice ganz gut genutzt haben.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommt jetzt noch eine arrogante Rede?)

Immerhin stolze 46 Einzelvorschläge legen Sie heute vor. Aber wenn ich mir diesen Antrag genauer anschaue, muss ich dann doch feststellen: Ihnen scheint die Decke auf den Kopf gefallen zu sein. – Zumindest finde ich ziemlich viel Copy-and-paste in Ihrem Antrag. Er ist nämlich voll mit politischen Evergreens der Grünen aus den letzten Jahren.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie sie nicht umgesetzt haben!)

Da sind die Arbeitsversicherung, die Bürgerversicherung und die Kindergrundsicherung drin.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werdet ihr euch noch oft anhören müssen!)

Das sind alles schöne Begriffe; aber nichts davon hilft jetzt, die Krise zu lindern, und das ist das Problem.

Ich möchte ein Beispiel herausgreifen: Sie wollen einen „Rettungsschirm Zivilgesellschaft“ einrichten. Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt soll diesen Rettungsschirm verwalten. Die Gründung dieser Stiftung haben wir aber erst vor zwei Monaten hier im Deutschen Bundestag beschlossen, sie befindet sich noch mitten im Aufbau. Bis von da Hilfe kommen könnte, ist die Krise schon längst vorbei. Was soll dieser Vorschlag?

An dieser Stelle muss ich sagen: Sie denken in Ihrem Antrag in zwei Zeitachsen, die nicht zusammenpassen. Sie wollen heute etwas beschließen, was erst übermorgen wirken wird.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nennt man „über den Tellerrand gucken“!)

Ich finde, wir müssen das Feuer heute löschen und dann darüber nachdenken, wie wir den Dachstuhl wieder aufbauen können.

Ich finde es auch bemerkenswert, dass Sie eine Krise des sozialen Zusammenhalts in unserem Land feststellen. Ich muss sagen: Meine Kollegen und ich empfinden das nicht; das glatte Gegenteil ist der Fall.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Reden Sie auch mal mit den Menschen? Redet ihr auch mal mit den Erwerbslosen und von Hartz IV Betroffenen?)

Die Menschen kümmern sich umeinander. Es war gerade die Junge Union, die ein großartiges Signal der jungen Generation ausgesandt hat,

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nicht die Gesellschaft, Ihre Junge Union! Wirklich nicht!)

als sie die älteren Bürger während der aktuellen Coronakrise eben nicht vergessen hat, sondern beispielsweise für sie eingekauft hat. Das war ein tolles Signal von Jung an Alt.

(Beifall des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU])

Sie sehen ein Land, in dem die Bürgergesellschaft quasi zerfällt. Ich sehe ein Land, das vor Solidarität nur so strotzt. Deshalb bitte ich Sie: Hören Sie auf damit, diese tollen bürgerlichen Initiativen als Beleg dafür herzunehmen, dass der Staat seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Sie missbrauchen diese Initiativen aufs Schlimmste.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP])

Im Übrigen finde ich Ihr Weltbild, das Sie in diesem Antrag zeigen, echt bemerkenswert. Im Prinzip machen Sie ein gigantisches Versprechen: Sie wollen jeden Menschen so schützen, als hätte es diese Pandemie nie gegeben.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben gerade nicht!)

Ich finde, dass das ein falsches Versprechen ist. Das ist ein Versprechen, das niemand ernsthaft geben kann.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb steht das auch nicht da drin!)

Sie gaukeln den Menschen eine bedingungslose Sicherheit vor, die es so nicht gibt. Da muss ich ganz offen sagen: Wenn es eine Sturmflut gibt, dann kann man den Menschen nicht erzählen, dass sie trocken in ihren Wohnzimmern sitzen bleiben können. Wir als CDU sind da ehrlich und sagen den Bürgern: Ja, wir bekommen alle nasse Füße,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber man könnte denen ein paar Pumpen kaufen, die nicht das Geld dafür haben! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen einen Deich bauen!)

aber mit unseren kurz- und mittelfristigen Maßnahmen sorgen wir dafür, dass das Wasser uns wenigstens nicht bis zum Hals steht. – Das ist der Unterschied.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege Whittaker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Markus Kurth?

 

Kai Whittaker (CDU/CSU):

Das wird uns alle sicherlich bereichern, insofern herzlich gerne.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh mein Gott, da gab es Arroganz zum Frühstück!)

 

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich hoffe es. Vor allen Dingen hoffe ich, dass es bei Ihnen persönlich dazu führt, dass Sie den Antrag noch mal genau lesen – besonders den Feststellungsteil – und sich später insbesondere vielleicht auch meine Rede noch mal anhören.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Unbedingt!)

Dann würden Sie nämlich feststellen, dass ich gesagt habe, dass es um eine Strategie zur Stärkung von Resilienz geht, um Situationen von Unsicherheit besser aushalten zu können. In unserem Antrag machen wir gerade in dem Punkt, bei dem es um die Stärkung von sozialen Diensten und Einrichtungen geht, einen Vorschlag für eine Strategie, in der die Sozialpolitik anerkennt, dass sie nicht so tun kann, als gebe es keine Krise und als ob man totale, hundertprozentige Sicherheit für alles schaffen könne. Dass es diese allumfassende Sicherheit nicht gibt, auch wenn wir uns bestens darum bemühen, ist ja gerade der zentrale und aus meiner Sicht auch neue Gedanke dort.

Das scheinen Sie komplett missverstanden zu haben, da Sie jetzt unserem Antrag den Gedankengang vorwerfen, wir würden die Menschen glauben machen wollen, dass es diese Krise nicht gegeben habe. Das genaue Gegenteil ist der Fall.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Kai Whittaker (CDU/CSU):

Herr Kollege Kurth, zunächst einmal möchte ich sagen: Ich teile den grundsätzlichen strategischen Ansatz, dass unsere Gesellschaft widerstandsfähiger sein muss. Da gibt es gar keinen Dissens zwischen uns. Ich frage mich aber schon, ob wir den richtigen Weg beschreiten würden, wenn wir Ihrem Antrag folgen würden.

Wenn ich Ihren Antrag durchlese, dann muss ich schon feststellen, dass Sie jetzt versuchen, zu versprechen, ganz viel Geld an verschiedenen Stellen auszugeben. Resilienz hat aber etwas mit langfristigen Maßnahmen zu tun. Die helfen jetzt, in dieser aktuellen Krise, in der das Haus brennt, nicht. Das müssen wir dann miteinander besprechen, wenn wir den Dachstuhl wieder aufbauen wollen. Das ist das, was ich gerade in meiner Rede versucht habe klarzumachen.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir rufen halt den Zimmermann jetzt schon!)

Sie vermischen da eben zwei Zeitachsen, und deshalb funktioniert Ihr Antrag nicht. Das ist der Punkt, den ich gemacht habe.

Deshalb sage ich auch ganz klar: Die Krise – und da sind wir ja beieinander – wird vieles verändern. Sie zeigt unsere Stärken wie unsere Schwächen auf. Wir werden mehr Geld in die Digitalisierung, in die Daseinsvorsorge und in nachhaltige Technologien investieren müssen. Das ist die Resilienzstrategie, die wir fahren müssen und um die wir in diesem Haus noch ringen werden.

Wenn wir jetzt Ihrem Antrag folgen würden, dann hätten wir gar kein Geld mehr für all diese Maßnahmen, und wenn ich an die kommenden Generationen denke, dann, finde ich, wäre dieser grüne Geldregen wirklich absolut unverantwortlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP])

Die zukünftige Generation wird noch lange genug an dieser Pandemie zu knabbern haben, und da bürde ich ihr nicht auch noch Ihr Paket auf.

Übrigens: Hätten wir in der Vergangenheit all diese grünen politischen Evergreens, die Sie hier fordern, beschlossen, dann hätten wir für die jetzigen Kriseninstrumente überhaupt kein Geld mehr zur Verfügung. Dank der schwarzen Null, die wir immer eingefordert haben und die Sie immer kritisiert haben, haben wir jetzt die vollen Wassertanks, mit denen wir das Feuer löschen können.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wegen Ihrer Mehrwertsteuererhöhung um 3 Prozent!)

Deshalb: Sie denken nicht nachhaltig – weder wirtschaftlich noch sozial –, und deswegen ist das Beste, was wir für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft tun können, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Als ob das nur am Sparen gelegen hätte! Ist ja lächerlich!)