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Kai Whittaker: Die Höhe der Rente hängt nicht nur mit der Rentenpolitik, sondern auch mit der wirtschaftlichen Lage zusammen

Rede zum RV-Leistungs-verbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass die AfD offensichtlich dazugelernt hat und bei Rentendebatten nur noch einen Redner ans Rednerpult schickt und nicht mehr zwei. Sonst würde man nämlich erkennen, dass Sie zwei Rentenkonzepte haben

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Sechs! Und keines ist stimmig!)

und nicht eins.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die haben keines, Herr Kollege!)

Werte Kollegen, mir geht in dieser Debatte auf den Zeiger, wie dieses Rentenpaket den Menschen in diesem Land madig gemacht wird. Wir wollen die Erwerbsminderungsrente verbessern, weil wir ganz klar sagen: Wer einen Schicksalsschlag erleidet, wer krank wird, der darf nicht dadurch bestraft werden, dass er eine schlechte Rente bekommt. Wir wollen von daher diese Rente verbessern, und es ist gut, dass wir das machen.

Mit der doppelten Haltelinie geben wir den Menschen Sicherheit – den Rentnern wie den Arbeitnehmern. Als wir den damaligen Rentenkompromiss gemacht haben, haben wir das unter dem Eindruck einer schlechten Wirtschaftslage gemacht. Wir hatten 5 Millionen Arbeitslose. Heute ist die Lage eine ganz andere; deshalb können wir den Menschen eine bessere Sicherheit geben, als wir es damals versprochen haben.

Aber dass Sie hier insbesondere über die Mütterrente so schäbig reden, finde ich unfassbar.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Jawohl!)

Die Tatsache, dass alle Oppositionsfraktionen sagen, sie müsste steuerfinanziert sein, zeigt, dass Sie sich mit der Herkunft des Umlagesystems überhaupt nicht beschäftigt haben. Der Vater des Umlagesystems, Wilfrid Schreiber, hat 1956 ganz klar gesagt, dass es nicht nur ein umlagefinanziertes Rentensystem braucht, sondern auch eine umlagefinanzierte Kinderrente. Genau das machen wir hier mit dieser Mütterrente. Er hat auch ganz klar gesagt – ich zitiere –:

Es ist ersichtlich sinnlos, dem Staatsbürger zunächst Einkommensanteile in Form von Steuern abzunehmen und sie ihm dann mit der Geste des Wohltäters zurückzugeben.

Im Gegenteil: Das, was Kollege Peter Weiß gesagt hat, ist richtig: Ein Umlagesystem erfordert, dass es Kinder gibt. Wir müssen die Menschen, die Kinder bekommen und erzogen haben, unterstützen und dafür belohnen. Das tun wir.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was mich aber in der größeren Rentendebatte auch fassungslos macht, ist, wie sehr zum Beispiel auf das Rentenniveau, lieber Kollege Birkwald, abgestellt wird und dass gleichgesetzt wird: Sinkendes Rentenniveau heißt sinkende Renten.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Im Verhältnis zu den Löhnen stimmt das, Herr Kollege!)

Das Gegenteil ist der Fall. Da kann ich leider auch die SPD nicht ganz ausnehmen, weil ihre Fraktions- und Parteivorsitzende im Sommerinterview gesagt hat – ich zitiere –:

Der Wertverlust der Rente hat den Leuten zurecht in den letzten Jahren immer mehr Angst gemacht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wo sie recht hat, hat sie recht!)

Das ist falsch.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)

– Doch, Herr Birkwald. – Die Rente ist seit 2008 bis zum letzten Jahr nominal um 16 Prozent gestiegen. Wenn ich die Inflation abziehe – das sind 11 Prozent –, bleiben real noch 5 Prozent übrig. Im gleichen Zeitraum ist das Rentenniveau aber um 5 Prozent gesunken. Das zeigt, dass Rentenniveau und Rentenhöhe nicht zwingend etwas miteinander zu tun haben, sondern so unterschiedlich wie zwei Paar Schuhe sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Vogel [Olpe] [FDP])

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Frage oder Bemerkung von Herrn Birkwald?

Kai Whittaker (CDU/CSU):

Immer gerne. Er wird mich wahrscheinlich jetzt auch wieder mit Zahlen traktieren wie den Herrn Kollegen Kurth.

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Selbstverständlich. – Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Auch an den Kollegen Whittaker vielen Dank dafür.

Nominal steigen die Renten meistens am 1. Juli. Okay. Aber seit dem Jahr 2000 sinken die Renten im Verhältnis zu den Löhnen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie steigen!)

Genau das ist das Problem; das darf ich Ihnen mal sagen.

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass im Jahr 2000, Menschen, die neu in Rente gegangen sind, sogenannte Zugangsrentner, die 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hatten, also sogenannte langjährig Versicherte, noch 1 021 Euro und im Jahr 2017 nur noch 881 Euro auf das Konto überwiesen bekommen haben? Wenn man jetzt die Inflation, die es in diesen 17 Jahren gab, einrechnet, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass den Rentnerinnen und Rentnern, die 35 Jahre eingezahlt haben, im Durchschnitt ein Drittel ihrer Rente fehlt. Das sind fast 400 Euro. Das merken die Menschen, weil sie sich im Alter eben nicht mehr so viel kaufen können wie die Kolleginnen und Kollegen, die die Werte erwirtschaften. Das ist stiekum, heimlich, leise geschehen und ist jetzt 17 Jahre her. Jetzt kommen Menschen zu mir, die sagen: Ich habe 35, 45 Jahre gearbeitet und befinde mich jetzt in der Lage, dass ich eine Rente habe, deren Niveau sich nahe der Grundsicherung bewegt, also dem Rentner-Hartz IV.

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Renten gesunken sind und dass Frau Nahles an dieser Stelle und nur mit diesem Satz im Sommerinterview leider sehr wohl recht hatte, aber vergessen hat, zu erwähnen, dass die SPD das eingeführt hat?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Kai Whittaker (CDU/CSU):

Herr Kollege Birkwald, ich bin gerne bereit, das zur Kenntnis zu nehmen, wenn Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Union erst seit 2005 Regierungsverantwortung trägt

(Zurufe von der AfD: Erst?)

und die Höhe der Rente ja nicht nur mit der Rentenpolitik zusammenhängt, sondern auch mit der wirtschaftlichen Lage. Die wirtschaftliche Lage zwischen 2000 und 2005 war nun einmal bescheiden, um es einmal sehr vorsichtig auszudrücken. Dafür war nicht die Union verantwortlich, sondern die damalige rot-grüne Bundesregierung.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Das ist doch keine Antwort!)

Insofern haben Sie mit Ihrer Feststellung nicht recht; denn seitdem wir regieren, steigt die Rente auch real. Das zeigt, dass unsere Wirtschaftspolitik funktioniert.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Das Rentenniveau ist eben nicht gestiegen, seitdem Sie regieren!)

Liebe Kollegen, was mich an der ganzen Debatte auch stört, ist, wie mit dem Thema Renteneintrittsalter und Lebensarbeitszeit umgegangen wird. Ja, wir haben das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre erhöht. Aber wenn man sich einmal anschaut, wann die Menschen in diesem Land in Rente gehen, dann sieht man, dass sich in den letzten 25 Jahren das faktische Renteneintrittsalter um exakt ein Jahr erhöht hat. Gleichzeitig hat sich die Bezugsdauer, also die Zeit, wie lange Menschen Rente bekommen, um vier Jahre erhöht. Das zeigt einmal mehr: Nur weil die Menschen länger arbeiten, heißt das nicht, dass sie weniger Rente oder kürzer Rente bekommen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch! Im Verhältnis zu den Löhnen heißt es das schon!)

Im Gegenteil: Sie können auch mehr Rente beziehen. Deshalb ist diese Debatte, die Sie führen, hysterisch.

Ich wünsche mir, dass wir neben dem aktuellen Rentenpaket, das wir jetzt diskutieren, auch in die Zukunft schauen. Lieber Herr Kollege Vogel, man kann ja kritisieren, dass wir da mit dem Gartenschlauch rumgehen. In Baden-Württemberg gibt es eine tolle Gartenschlauchfirma namens Gardena.

(Lachen des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Die machen Gartenschläuche, mit denen man sehr zielgerichtet wässern kann. Sie sind also herzlich gern eingeladen, so etwas einmal in Augenschein zu nehmen.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Jetzt bin ich überzeugt!)

Wenn man schon über die Digitalisierung und die Zukunft spricht, dann hätte ich mir vorstellen können, dass wir einmal darüber reden, wie wir große Teile der Bevölkerung am zukünftigen Kapitalgewinn dieses Landes beteiligen.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Gern!)

Denn die Digitalisierung bedeutet, dass wahrscheinlich die Lohnquote in diesem Land eher sinken wird und die Kapitalrenditen eher steigen werden. Wenn wir die Menschen daran beteiligen wollen und die Kluft zwischen geringen und hohen Vermögen nicht weiter auseinandergehen soll, dann wird das ein wesentlicher Punkt sein. Ich hoffe, dass wir zukünftig eine ergänzende kapitalgedeckte Rente in diesem Land bekommen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Vogel [Olpe] [FDP])