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Jana Schimke: Wir sind frei in unserer politischen Entscheidung

Redebeitrag zum Thema Rentenversicherung für Bundestagsabgeordnete

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor sich jetzt gleich alle wieder aufregen, muss ich noch eines loswerden. Ich habe den Eindruck: Sie haben den Anspruch, den wir hier im Parlament an unsere Aufgabe haben, nicht verstanden. Wenn Sie die Rentenversicherungspflicht von Abgeordneten in den Zusammenhang bringen mit Bürgernähe, dann haben Sie Ihre Aufgabe nicht verstanden.

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir sind privilegiert, ohne Frage. Wir beziehen ein hohes monatliches Einkommen. Wir sind im Alter gut abgesichert. Aber die Frage, wie wir uns den Menschen, wie wir uns den Wählern jeden Tag in unseren Wahlkreisen stellen, darf und sollte doch damit nicht im Zusammenhang stehen, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich erkläre Ihnen gern noch einmal, was eigentlich unsere Aufgabe hier ist und warum wir hier sitzen und wie wir das würdigen. Ein Abgeordneter ist kein Erwerbstätiger im herkömmlichen Sinne. Das, was wir hier tun, ist kein gewöhnlicher Job.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Es ist eine besondere Aufgabe, es ist eine besondere Verantwortung gegenüber unserem Land, gegenüber unserem Staat. Und die Entscheidungen, die wir hier treffen, haben eine erhebliche Tragweite für die Zukunft und das Wohlbefinden in unserem Land. Wir definieren mit unseren täglichen Entscheidungen das Wohlergehen der Menschen in Deutschland

(Zurufe von der LINKEN)

und auch die Rolle Deutschlands in dieser Welt. Und auf nichts anderes zielen unsere Versorgung und unsere Absicherung heute und morgen ab. Ich halte das für gerechtfertigt, meine Damen und Herren. Und wenn Sie das nicht verstanden haben, dann dürfen Sie gerne noch mal ins Abgeordnetengesetz schauen.

Es gibt aber weitere Gründe, meine Damen und Herren, warum wir hier eine Sonderstellung genießen dürfen. Sie wissen es alle: Die hohen Diäten sind darauf zurückzuführen, damit wir nicht bestechlich sind.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Philipp Amthor! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Was macht denn Philipp Amthor?)

Wir alle kennen Länder – selbst in Europa –, wo wir ein hohes Maß an Bestechlichkeit in den Parlamenten haben. Ich bin stolz darauf, dass wir in einem Land leben und in einem Parlament arbeiten, in dem das nicht der Fall ist, in dem wir frei sind in unserem Mandat, in dem wir frei sind in unserer politischen Entscheidung.

(Zurufe von der LINKEN: Amthor!)

Das nennt sich freies Mandat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir üben diese besondere Verantwortung gegenüber den Menschen in unserem Land und gegenüber unserem Heimatland auch aus.

(Zuruf von der LINKEN: Peinlich!)

Aber es geht noch um einen weiteren Punkt, und der ist sehr, sehr wichtig; das darf ich an dieser Stelle mal sagen. Es geht natürlich bei der guten Versorgung auch darum, einen sogenannten Risikoausgleich zu schaffen und nicht nur politische Unabhängigkeit, sondern auch wirtschaftliche Unabhängigkeit herzustellen. Ich weiß ja nicht, wie Ihre Biografie vorher aussah. Aber viele von uns hatten ein Leben auch vor der Politik.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ehrlich?!)

Sie waren abhängig beschäftigt, sie waren erwerbstätig. Das geben sie natürlich mit dem Einzug in den Deutschen Bundestag auf. Und nicht jeder von uns weiß, wie es danach weitergeht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie wollen noch Generalsekretärin werden!)

Nicht jeder ist Beamter, nicht jeder ist Rechtsanwalt und hat eine Anwaltskanzlei. Für viele ist die Frage „Wie geht es danach weiter?“ eine offene Frage. Sie verlassen berufliche Pfade. Sie verlassen ihr bisheriges Leben. Sie sind keine Privatperson mehr, sie sind eine Person des öffentlichen Lebens. Und ihre Meinung ist öffentlich, manchmal ist auch ihr Privatleben öffentlich. Und das ist der Grund, warum wir hier in besonderer Weise finanziell – auch was die Altersvorsorge anbelangt – abgesichert sind.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie haben den Antrag nicht verstanden! Wir beantragen nicht, die Diäten zu kürzen!)

Ich will noch einen weiteren Punkt ansprechen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ernst aus der Fraktion Die Linke?

 

Jana Schimke (CDU/CSU):

Nein, im Moment nicht. Vielen Dank.

(Zuruf von der LINKEN: Das war ja klar!)

Denken Sie mal an die Kommunalwahlen, wenn es darum geht, Bürgermeister aufzustellen für sehr interessante Kommunen, wie ich finde, auch mit einer sehr interessanten Entschädigung, also durchaus attraktive politische Positionen. Sie finden niemanden mehr dafür, weil viele Menschen sagen: Nein, das ist für mich eine Abwägungssache; das lohnt sich nicht. Ich verdiene in meinem bisherigen Job mehr Geld. – Oder was man auch oft hört: Nein, ich will das nicht. Ich möchte gerne anonym zum Bäcker gehen. Ich möchte nicht auf der Straße angesprochen werden von morgens bis abends.

Man muss schon ein Menschenfreund sein, wenn man diesen Beruf ausübt, ohne Frage.

(Zuruf von der LINKEN: Da haben Sie recht! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Aber nicht jeder in diesem Land ist dazu bereit. Und deswegen leisten wir uns das. Deswegen haben wir diese Privilegien. Und ich finde, dazu sollte man auch stehen können und stehen dürfen und dies auch wirklich mit Selbstbewusstsein nach draußen tragen.

Das entbindet uns natürlich nicht davon, hier gute Entscheidungen zu treffen. Und wenn wir ein Problem in der gesetzlichen Rentenversicherung haben, dann sollten wir das in der Rentenversicherung selbst lösen, vielleicht mal über die Frage von versicherungsfremden Leistungen etc. sprechen. Da kann man über viele Dinge reden. Aber, Herr Birkwald, ganz ehrlich: Wir ändern doch nichts an unserem Rentensystem, an der Versorgung der Rentnerinnen und Rentner in unserem Land, wenn plötzlich alle Berufsgruppen darin einzahlen. Das ändert nichts. Das System bleibt das Gleiche.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gucken Sie mal in andere Länder! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Und noch einmal: Sie legen wieder einmal mehr die Axt an die Vielfalt in unserem Land. Rente, Absicherung, Altersvorsorge sind in Deutschland hochgradig vielfältig organisiert: durch Versorgungswerke, durch betriebliche Altersvorsorge, durch private Vorsorge und natürlich auch durch die gesetzliche Rentenversicherung. Ich möchte, dass wir diese Vielfalt bewahren und den Menschen auch in Zukunft eine Wahlmöglichkeit lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)