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Jana Schimke: Unternehmertum bedeutet auch, dass man scheitern kann

Rede zur Absicherung von Solo-Selbständigen

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Frau Dr. Sitte, wenn man schon solche Forderungen aufstellt, die mit erheblichen finanziellen Belastungen für unsere Solidargemeinschaft einhergehen, dann sollte man schon bei der Wahrheit bleiben. Ich bin es ja gewohnt: Wenn wir Anträge der Linken diskutieren, muss man immer ganz genau hinschauen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ist immer gut!)

Man sollte sich hier die Zahlen genau anschauen. So behaupten Sie zum Beispiel in Ihrem Antrag, 30 Prozent aller Solo-Selbstständigen bezögen ein Einkommen von gerade einmal 1 100 Euro.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Netto!)

Das ist an und für sich so richtig. Aber was wurde dabei nicht berücksichtigt? Nicht berücksichtigt wurde der Haushaltskontext. Viele Menschen leben in einer Lebensgemeinschaft, in einer Ehe. Auch das trägt dazu bei, wie es einem am Ende geht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da verwechseln Sie was, Frau Kollegin!)

Was nicht berücksichtigt wurde, war der Vermögenshintergrund. Gerade Selbstständige und auch Solo-Selbstständige beziehen einen Großteil ihres finanziellen Bedarfs aus Sparvermögen, aus Anlagevermögen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann reden Sie mal mit denen!)

Was nicht berücksichtigt wurde, war die Frage: Sind die Solo-Selbstständigen in Vollzeit oder in Teilzeit tätig? Was auch nicht berücksichtigt wurde, war die Frage: Handelt es sich bei der Solo-Selbstständigkeit um eine hauptsächliche Tätigkeit oder um eine Nebentätigkeit? Es gibt auch Menschen, die neben einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung solo-selbstständig sind. Was auch nicht berücksichtigt wurde – das kann ich auch noch sagen –, war die Lebenslaufperspektive. Es gibt jüngere, es gibt ältere Menschen, die solo-selbstständig sind. Es ist doch völlig klar: Wenn ich mit einer Existenzgründung anfange, dann habe ich natürlich nicht so ein Einkommen, wie ich es vielleicht haben werde oder haben möchte. Das ist doch völlig normal.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für Sie alles normal ist!)

Sinn und Zweck gerade auch von Selbstständigkeit besteht doch darin, ein Vermögen aufzubauen und es zu mehren. – All das wird mit der Zahl „1 100 Euro“ nicht berücksichtigt.

Was auch nicht berücksichtigt wurde, war das Netto­haushaltseinkommen. Das Nettohaushaltseinkommen von Solo-Selbstständigen liegt nämlich deutlich höher, ungefähr bei 3 100 Euro.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Arithmetisch ermittelt, aber nicht im Median!)

Da ist nicht definiert, ob da noch eine Ehefrau oder ein Ehemann vorhanden ist. Haushaltseinkommen wird noch von weiteren Indikatoren bestimmt, die man natürlich mitberücksichtigen muss, wenn man entsprechende Forderungen aufstellt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht ja weiter. Was sagt Die Linke noch? Die Linke sagt: Es gibt eine fehlende und unzureichende Altersvorsorge bei Solo-Selbstständigen. Ja, wenn nur die gesetzliche Rentenversicherung oder Versorgungswerke in die Untersuchung einbezogen werden, wundert mich das nicht.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist eine Antwort der Bundesregierung!)

Viele Selbstständige sorgen nämlich anders vor. Sie dürfen sich freiwillig gesetzlich versichern, aber sie müssen es nicht. Liebe Kollegen der Linken, Vorsorge ist eben mehr. 63 Prozent der Solo-Selbstständigen haben ein Vermögen in Form von Immobilien.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 37 Prozent nicht! Einem Drittel der Solo-Selbstständigen geht es nicht so gut! Passt alles!)

Es gibt viele Solo-Selbstständige, die Geld- und Anlagevermögen haben, 16 Prozent von ihnen immerhin in Höhe von mindestens 100 000 Euro. Dass die Sicherungslücke nicht durch private Vorsorge kompensiert wird, wie Sie es in Ihrem Antrag behaupten, ist schlichtweg falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ich kann nur hoffen, dass das für viele Solo-Selbstständige gilt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann die Liste beliebig fortführen. Ein Beispiel möchte ich gerne noch bringen: ergänzende ALG-II-Leistungen. Sie beklagen die dramatische Höhe; 2015 haben 105 000 Solo-Selbstständige ALG-II-Leistungen bezogen. Ja, aber Sie müssen dazusagen, dass die Zahlen seitdem sinken. Das Statistische Bundesamt – da haben wir heute erst wieder nachgefragt – hat uns bestätigt, dass wir 2017 sogar unter 100 000 Bezieher von ergänzenden ALG-II-Leistungen hatten.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Immer noch 100 000 zu viel!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Sitte?

Jana Schimke (CDU/CSU):

Ich möchte gern fortfahren. Vielen Dank. – Erlauben Sie mir, zum Schluss zu kommen. Sie möchten mit Ihrem Antrag – das erleben wir leider immer wieder – Selbstständige zu Arbeitnehmern machen. Ihre Forderung eines Mindesthonorars für Selbstständige ist nichts anderes als Planwirtschaft 4.0.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Oh!)

Das geht nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was Sie vornehmen, ist ein massiver Eingriff in die soziale Marktwirtschaft. Sie verkennen, was Unternehmertum in Deutschland ausmacht: Freiheit und Eigenverantwortung. In diesen Werten wollen Sie Selbstständige beschränken. Wir müssen außerdem anerkennen: Unternehmertum bedeutet auch, dass man scheitern kann; das gehört dazu. Aber das liegt im persönlichen Ermessen des Einzelnen.

Die Forderung, die Selbstständigen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu verpflichten – um nur einen Punkt herauszugreifen –, ist ein Verstoß gegen unsere sozialrechtlichen Prinzipien. Das muss man ganz klar sagen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Jana Schimke (CDU/CSU):

Ich komme zum Ende. – Wir von CDU/CSU und SPD machen das anders. Wir haben uns im Koalitionsvertrag auf andere Lösungen verständigt. Wir wollen eine Altersvorsorgepflicht, keine Rentenversicherungspflicht. Wir gehen behutsamer an die Dinge heran. Wir werden auch bei der Krankenversicherung die Bemessungsgrundlage für die Mindestbeiträge reduzieren und damit den Menschen ein Stück weit entgegenkommen. Aber mit der Keule zu kommen, so wie Sie es versuchen, wäre definitiv der falsche Weg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)