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Hermann Gröhe: "Wir gehen einen ganz wichtigen Schritt zur Zukunftsfestigkeit unserer gesetzlichen Rente"

Rede zum RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Minister! Heute ist ein starker Tag für die gesetzliche Rentenversicherung, weil wir sie zielgerichtet und mit Augenmaß klug weiterentwickeln und damit Solidarität und Gerechtigkeit in diesem Land stärken. Wir tun dies auf einer guten Grundlage, denn die deutsche Rentenversicherung steht gut da: Wir erwarten im nächsten Jahr deutliche Rentenerhöhungen. Wir haben prall gefüllte Rentenkassen. Wir werden am Ende des Jahres voraussichtlich mit einer Steigerung der Beitragseinnahmen von 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr rechnen können. Wir konnten in den letzten Jahren übrigens auch einen leichten Anstieg des Rentenniveaus beobachten. Die gesetzliche Rentenversicherung ist ein starkes Stück Sozialstaat.

Ich erlaube mir angesichts so mancher Bemerkung den Hinweis: Diese gesetzliche Rentenversicherung verdankt ihre wesentliche Gestalt der Rentenreform Konrad Adenauers. Ein starkes Stück deutscher Sozialstaat made by CDU!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen, meine Herren, so einfach ist das, und darauf sind wir stolz.

Nun geht es um eine kluge Weiterentwicklung. Da warne ich vor Alarmismus in zwei Richtungen, einmal vor der Behauptung, das alles sei unfinanzierbar. Wenn die Wirkung eines Gesetzes, das bis 2025 ausgerichtet ist, in manchen Medien bis 2060 dargestellt wird und damit der Eindruck erweckt wird, die so addierten Belastungen müsse man einem heutigen Haushaltsvolumen gegenüberstellen, dann ist dies alles andere als seriös.

(Beifall des Abg. Ralf Kapschack [SPD])

Und übrigens, solche Unkenrufe gab es schon 1957.

(Andrea Nahles [SPD]: Richtig!)

Es wurde behauptet, dass eine baldige Unfinanzierbarkeit das ganze Werk Adenauers gefährden werde. Unsinn!

(Andrea Nahles [SPD]: Richtig!)

Ich warne aber auch – das sage ich deutlich – vor einer anderen Richtung des Alarmismus, nämlich vor der Behauptung, als ob es unter der Wirkung der gesetzlichen Rentenversicherung gleichsam so etwas wie eine nahezu flächendeckende Altersarmut gäbe. Wenn ungefähr 3 Prozent der Menschen über 65 eine ergänzende Grundsicherung oder Grundsicherung brauchen, dann zeigt das, dass das Rentensystem funktioniert.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Das zeigt uns aber auch, dass wir uns gezielt um diese Menschen kümmern müssen. Das tun wir beispielsweise, wenn wir uns heute Nachmittag mit Langzeitarbeitslosigkeit als einer der wesentlichen Ursachen für Altersarmut beschäftigen werden; das tun wir, wenn wir uns im Rahmen des nächsten Rentenpakts mit der Situation kleiner Selbstständiger beschäftigen werden.

Wir dürfen also nicht das Rentensystem insgesamt schlechtreden aus fragwürdigem Alarmismus von der einen oder anderen Seite, sondern müssen gezielt dort ansetzen, wo wir Verbesserungen brauchen. Und das tun wir.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich nenne hier als Erstes die Erwerbsminderungsrente. Wenn wir aufgrund der Altersentwicklung der Gesellschaft in den nächsten Jahren bis 2031 das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre erhöhen – das ist richtig; wir bejahen das –,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist schlimm!)

dann wird es trotz aller Anstrengungen im Bereich Reha, wo wir besser werden müssen, und im Bereich betrieblicher Gesundheitsförderung, wo wir besser werden müssen, sicherlich auch Menschen geben, die aus gesundheitlichen Gründen nicht so lange arbeiten können. Wenn sich dann die Berechnung für die Erwerbsminderungsrente am steigenden Renteneintrittsalter ausrichtet, dann stärken wir die Solidarität in der Rentenversicherung und unterstützen Menschen, die nicht länger arbeiten können. Ein gutes Stück mehr Solidarität!

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Auf halbem Weg stehen geblieben!)

Wir freuen uns des Weiteren zusammen mit 10 Millionen Müttern und Vätern über die Verbesserung bei der Mütterrente, meine Damen, meine Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für uns besteht der Generationenvertrag nicht aus dem Hin- und Herschieben von Finanzleistungen, sondern aus dem Füreinandereinstehen der Generationen. Ein Generationenvertrag lebt nur, weil Millionen Mütter und Väter die Mühen des Aufziehens und der Ausbildung von Kindern auf sich nehmen. Dies verdient mehr Anerkennung, auch in der Rente. Das setzen wir heute durch, meine Damen, meine Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weil eben wieder die alten Schlachten rund um das Thema „versicherungsfremde Leistungen“ geschlagen wurden, möchte ich hier sagen: Klar ist doch, dass der Steuerzuschuss längst auch die Funktion der Beitragsstabilisierung hat, längst auch sozialen Ausgleich befördert und heute schon über den sogenannten versicherungsfremden Leistungen liegt. Insofern werden da immer wieder Schlachten der Vergangenheit geschlagen.

Wir entlasten Menschen mit einem Einkommen von unter 1 300 Euro im Monat, ohne ihre Rentenanwartschaft zu kürzen. Also: Jene Bezieher geringer Einkommen, die von Steuerentlastungen nichts haben, werden bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet.

Natürlich sind auch die beiden Haltelinien ein Ausdruck dafür, dass wir bis 2025 – ich sage auch gleich was zur Zeit danach – die faire Balance zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern, also zwischen Generationen, sichern. Auch da gibt es einen falschen Alarmismus. Die Zahlen von heute zeigen, dass es eines erhöhten Bundeszuschusses voraussichtlich erstmalig überhaupt im Jahr 2025 bedürfen wird und dieser dann unter der bis dahin angesparten Demografiereserve liegen wird. Wer das für unseriös finanziert hält, der sollte einfach mal in die Zahlen schauen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Zur Situation nach 2025 sage ich: Das Grundprinzip, das uns bis dahin leitet, muss uns natürlich auch danach leiten. Es geht um Generationengerechtigkeit. Es geht darum, auskömmliche Sicherheit im Alter mit dem Schutz der jungen Generation und der Wirtschaftskraft unseres Landes vor Überforderung zu verbinden. Das wird keine leichte Aufgabe für die Zukunft; ansonsten hätte es keine Rentenkommission gegeben.

Ich bin Minister Heil sehr dankbar, dass er beim Zusammentreten dieser Kommission ausdrücklich vor Denkverboten gewarnt hat. Das Ziel einer fairen Balance zwischen den Generationen ist ja, wie ich denke, zwischen uns unstrittig. Von daher geht es um die Frage, welcher kluge Maßnahmenmix dies am besten gewährleistet. Dabei bleibt die gesetzliche Rentenversicherung ein zentraler Bestandteil. Genauso ist aber Tatsache, dass heute schon fast 60 Prozent der Rentnerinnen und Rentner eine betriebliche Altersversicherung haben, dass wir in der privaten Alterssicherung zwar nicht da sind, wo wir sein wollten, aber viel besser sind, als oft gesagt wird. Deswegen wird für uns im Hinblick auf das Alterssicherungsniveau der Blick auf alle drei Säulen und auch eine bessere Information über die Versorgung in den drei Säulen zentral sein müssen; denn es geht ja darum, dass die Menschen ihre gesamte Alterssicherung im Blick haben.

Ich will mir doch die Bemerkung erlauben: Eine Fixierung allein auf das gesetzliche Rentenniveau ist deswegen schon irreführend – das wissen alle Experten –, weil die Bezugnahme auf das Durchschnittsgehalt etwa mit sich gebracht hat, dass während der Finanzmarktkrise 2009/2010, als die Löhne nach unten gingen, das Rentenniveau durch die 50‑Prozent-Decke schoss, ohne dass irgendeine Rentnerin oder ein Rentner einen Cent mehr hatte. Insofern muss da schon etwas genauer hingeschaut werden. Ich glaube, wir haben dazu in der Rentenkommission eine gute Gelegenheit.

Heute jedenfalls gehen wir einen ganz wichtigen Schritt hin zur Zukunftsfestigkeit unserer gesetzlichen Rente.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)