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Hermann Gröhe

Hermann Gröhe: Eine Organspende ist ein Geschenk aus Liebe zum Leben

Rede in der Debatte zu Organspenden

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Wer einmal mit Menschen gesprochen hat, die auf ein Organ warten oder gewartet haben, mit ihren Angehörigen, mit Eltern von Kindern, die dringend auf ein Spenderorgan angewiesen sind, der wird diese Begegnungen nicht vergessen: diese Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung, dieses Warten, gerade wenn eine Krankheitssituation sich zuspitzt, auf den erlösenden Anruf und die Verzweiflung, wenn das Telefon still bleibt.

Ich denke aber auch an meine Begegnungen mit deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der World Transplant Games, dieser kraftvollen Demonstration neugewonnenen Lebensmutes, neugewonnener Lebenskraft nach einer Transplantation. Gleichwohl – dies sage ich sehr bewusst – lehne ich eine Widerspruchslösung ab,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

weil ich der festen Überzeugung bin: „Damit erreichen wir nicht eine Verbesserung der vorhandenen Probleme“, weil ich in der Tat der Überzeugung bin, dass eine solche Entscheidung sich im Widerspruch zu grundlegenden Prinzipien der Medizinethik und der Patientenrechte befinden würde.

Wir haben doch mit den schweren Anstrengungen der letzten Jahre Erfolg gehabt, nachdem Skandale das Vertrauen in die Organspende erschüttert haben. Es ist schon gesagt worden, dass sich in den letzten Jahren die Zahl der Inhaber von Organspendeausweisen von 22 Prozent auf 36 Prozent massiv erhöht hat.

Übrigens sind auch die über 80 Prozent, die der Organspende positiv gegenüberstehen, keineswegs irrelevant, weil sie keinen Ausweis ausgefüllt haben. Schon heute erfolgt eine große Zahl von Organentnahmen aufgrund der Auskunft der Angehörigen im Hinblick auf den vermuteten Willen der betroffenen Personen. Insofern: Wiewohl der Ausweis das Ganze erleichtert, ist diese positive Entscheidung von großer Relevanz. Es geht also darum, diese Zustimmung in wirkliche Organspenden umzusetzen, also aus dem Willen eine Organspende werden zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin dankbar, dass wir hier in den Koalitionsvereinbarungen ganz wichtige Schritte vereinbart haben und dass der Bundesgesundheitsminister die Umsetzung in dieser Weise vorantreibt. Dies ist gut und richtig, meine Damen und Herren. Wenn wir hier Vorschläge sammeln, wie wir etwa im Hinblick auf die Abfrage nach einer Entscheidung noch besser werden können, dann, finde ich, sind das sehr lohnende Vorschläge.

Aber eines möchte ich schon sagen: Mit Hinweis auf das Ausland ist schon deutlich geworden, dass wichtige Länder, die rechtlich eine Widerspruchslösung haben, etwa Österreich und Spanien, de facto über die Befragung der Angehörigen eine Zustimmungslösung praktizieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])

Was aber häufig übersehen wird, ist, dass viele Länder mit deutlich höheren Organspendezahlen eine Organentnahme auch nach dem Herztod erlauben. Es sind in den Niederlanden über 50 Prozent, in Belgien über 30 Prozent, in Spanien über 25 Prozent, in denen ein Organ nach dem Herztod entnommen wird. Dies wird aber bei uns vom Ethikrat wie der Bundesärztekammer wegen der Frage der Grenzziehung zwischen Wiederbelebbarkeit einerseits und Endgültigkeit andererseits abgelehnt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Insofern zieht nicht jeder Verweis auf gute Zahlen in anderen Ländern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wünsche mir, dass Menschen sich dieser Entscheidung stellen. Ich wünsche mir, dass sie eine Entscheidung treffen, auch um ihren Angehörigen diese Entscheidung im Fall der Fälle zu erleichtern, abzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich sage sehr deutlich: Auch wer sich dieser schwierigen Entscheidung verweigert, verliert nicht sein Selbstbestimmungsrecht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Selbstbestimmungsrecht wird nicht von uns qualifiziert, sondern individuell wahrgenommen. Das machen wir zum Ausgangspunkt aller Überlegungen in Medizinethik und Patientenrecht.

Meine Damen, meine Herren, eine Organspende ist ein Geschenk aus Liebe zum Leben. Das setzt Freiwilligkeit und Zustimmung voraus. Dabei sollte es bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)