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Erwin Rüddel: Der Coronavirus hat prinzipiell nichts von seiner Gefährlichkeit eingebüßt

Redebeitrag zur epidemischen Lage von nationaler Tragweite

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben, Stand heute, in Deutschland eine gute epidemische Lage, und ich kann durchaus verstehen, dass man auf den Gedanken kommt, möglichst schnell politisch wie auch im alltäglichen Leben zur Normalität zurückzukommen. Aber wir halten die Situation für sehr gefährlich; denn der Coronavirus hat prinzipiell nichts von seiner Gefährlichkeit eingebüßt, und niemand kann derzeit sagen, ob der sinkende Trend von Neuinfektionen sich weiter fortsetzen wird oder ob es wieder zu einem Anstieg der Fallzahlen kommt.

Die Reproduktionszahl bewegt sich um die kritische Marke „1“. In anderen Ländern, auf anderen Kontinenten sieht es teilweise sehr viel schlechter aus. In Peking gibt es neue Beschränkungen, und der IWF warnt vor den Folgen der Pandemie in den Schwellenländern. Auch wenn Deutschland sowohl bei den Infektionszahlen als auch bei den Sterbefällen vergleichsweise gut dasteht, so ändert das nichts an der Bedrohung, die Corona immer noch bedeutet.

Wir sind auf dem Weg, Einschränkungen weiter zu lockern. Wir wollen die wirtschaftlichen Einschnitte und auch die finanziellen Belastungen für die Menschen möglichst gering halten. Trotzdem und gerade deshalb müssen wir unsere Vorsichtsmaßnahmen weiter einhalten. Was durch Disziplin und Besonnenheit in den vergangenen Monaten erreicht wurde, darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Die Pandemie ist noch nicht beendet. Ehe wir nicht einen geeigneten Impfstoff zur Verfügung haben, bleibt Besonnenheit die erste Bürgerpflicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schinnenburg?

(Karin Maag [CDU/CSU]: Das kann doch jetzt nicht wahr sein, dass alle fragen!)

 

Erwin Rüddel (CDU/CSU):

Ja.

 

Dr. Wieland Schinnenburg (FDP):

Herr Kollege Rüddel, erst mal vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Ich wollte eigentlich eine andere Frage stellen. Aber nach Ihrer letzten Bemerkung muss ich jetzt eine Frage stellen, die sich mir aufdrängt. Sie haben gerade gesagt: Wir müssen besonnen bleiben bis zur Entwicklung eines Impfstoffes. – Darf ich Sie so verstehen, dass Ihre Fraktion alle Beschränkungen aufrechterhalten will, bis ein Impfstoff gefunden ist, was ja möglicherweise noch sehr lange dauert oder vielleicht sogar nie passiert? Ist das Ihre Begründung dafür, noch monate- oder vielleicht jahrelang der Bevölkerung Beschränkungen aufzuerlegen?

(Beifall bei der FDP – Christian Dürr [FDP]: Da sind sich Union und Grüne ja voll einig!)

 

Erwin Rüddel (CDU/CSU):

Die derzeitige Situation, denke ich, zeigt, dass eine Aufhebung der pandemischen Lage verfrüht wäre. Mit Sicherheit kann sie aufgehoben werden, wenn ein Impfstoff da ist.

(Enrico Komning [AfD]: In zehn Jahren!)

Dazwischen gibt es sicherlich viele Möglichkeiten für Gespräche, um hier den richtigen Zeitpunkt zu finden.

Wenn ich sehe, dass wir vor zwei Tagen die App eingeführt haben, dass sie innerhalb von 24 Stunden 1 Millionen Menschen heruntergeladen haben und sie mittlerweile fast 10 Millionen Menschen nutzen, dann zeigt das, dass in der Bevölkerung der Gesundheitsschutz derzeit sehr, sehr hoch eingeschätzt wird

(Christian Dürr [FDP]: Die Frage ist doch: Wann soll das aufgehoben werden?)

und dass man in der Bevölkerung darauf setzt, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen.

Wenn hier eine neue Balance gefunden worden ist, werden wir sicherlich Wege finden, um dem Parlament seine Rechte einzuräumen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass das, was wir im Moment machen, auf größte Akzeptanz in der Bevölkerung stößt. Das stellt sich auch in Gesprächen mit der Bevölkerung dar, und – das ich sage auch – es bildet sich auch in den Zustimmungsergebnissen für die einzelnen Parteien in etwa ab, wie man die Situation einschätzt und wem man zutraut, hier den richtigen Weg zu finden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wieland Schinnenburg [FDP]: Das war keine Antwort!)

Man könnte sagen – ich habe eben gerade die App angesprochen: eine Erfolgsgeschichte –, man hätte schneller sein können. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit der App eine sehr gute Lösung gefunden haben,

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Ich habe sie auch!)

die auch in der Bevölkerung akzeptiert wird, auf die man gewartet hat, die man nutzen wird und die dabei helfen wird, dass die Infektionszahlen niedrig bleiben.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zu den Drucksachen einige kurze Anmerkungen aus dem Blickwinkel des Gesundheitsausschusses. Wir sind froh und dankbar, dass in der Pandemie die erforderlichen Mittel für die Gesundheit von der Solidargemeinschaft der Steuerzahler aufgebracht und die Beitragszahler nicht zusätzlich belastet wurden. Ferner haben die Entscheidungen unter dem Druck der akuten Krise eine Reihe von Maßnahmen beschleunigt, die sonst vielleicht länger hätten auf sich warten lassen.

Insofern erwarte ich, dass die Krise auch einen weiteren Schub für unser gutes Gesundheitswesen darstellt. Das betrifft insbesondere die Digitalisierung unseres Gesundheitswesens. Ihr kommt – das hat die Krise bewiesen – künftig eine entscheidende Bedeutung zu. Hier müssen wir in den nächsten Monaten den Durchbruch schaffen für moderne Technik und intelligente Arbeitssteuerung.

Zu den künftigen Aufgaben zählt neben der Telemedizin und den Krankenhausstrukturen auch eine verstärkte Zusammenarbeit in Europa im Sinne einer gemeinsamen Gesundheitspolitik.

In den letzten Wochen haben wir der Regierung große Spielräume verschafft, damit sehr schnell weitreichende Entscheidungen getroffen werden konnten. Diese Entscheidungen haben in Deutschland Leben gerettet.

(Beifall des Abg. Rudolf Henke [CDU/CSU])

Dabei hat der zuständige Minister dem Ausschuss, den Sprechern der Fraktionen und den Obleuten in vorbildlicher Weise Rede und Antwort gestanden, und gestern hat das Ministerium im Ausschuss angekündigt, dass man mit allen Fraktionen über die weitere Entwicklung in kürzester Zeit beraten wird und auch die Verordnungsfragen entsprechend auf den Prüfstand stellt. Das hat insgesamt im Gesundheitsausschuss über die Parteigrenzen hinweg –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

 

Erwin Rüddel (CDU/CSU):

– für ein konstruktives Miteinander gesorgt, und das hat geholfen, die Krise bestmöglich zu meistern.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, bitte!

 

Erwin Rüddel (CDU/CSU):

Wir werden von anderen Ländern kopiert. Wir werden aber auch selbst alles das, was entschieden worden ist, evaluieren, um auf neue Krisen besser vorbereitet zu sein.

Vielleicht als letztes Wort: Trotz der weitreichenden Befugnisse, die das Ministerium aufgrund seiner Verordnungen hat, bleibt es auch in dieser außergewöhnlichen Situation dabei, dass am Ende das Parlament das entscheidende Wort hat. Wir werden entscheiden, wann die Pandemie in Deutschland ein Ende hat; das ist das Recht des Parlaments.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD] – Enrico Komning [AfD]: 2050 wahrscheinlich! – Zurufe von der FDP)