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Emmi Zeulner: Die Risikobewertung muss immer wieder aktualisiert werden

Rede zur Abschaffung des Blutspendeverbot für homosexuelle und transgeschlechtliche Menschen

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich sagen, dass ich nicht bereit bin, mir hier die hingestellten Schuhe der Opposition anzuziehen und mich dem Diskriminierungsvorwurf auszusetzen, wie er in den Anträgen, die Sie formuliert haben, durch die Bank zu lesen ist. Ich finde es auch deshalb so schade, weil wir hier in der letzten Woche das Verbot der Konversionstherapie mit großer Mehrheit verabschiedet haben.

Ich möchte hier einen anderen Weg gehen: weg von einer Gefühlsdebatte, die in gewisser Weise nachvollziehbar ist, hin zu einer sachlichen und medizinischen Betrachtung. Es ist mir deshalb wichtig, weil immer wieder der Vorwurf der Diskriminierung in den Raum geworfen wird und alle anderen Argumente kein Gewicht mehr erhalten. Aber in diesem Fall geht es um eine Interessenabwägung, in der die Freiheit des Spenders, zu spenden, dem Schutz der Gesundheit des Empfängers gegenübersteht.

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Das stimmt nicht!)

Wenn wir uns die Fakten anschauen, wird klar, dass hier keine Diskriminierung Grundlage der Entscheidung ist, wer unter welchen Voraussetzungen als Blutspender infrage kommt und wer nicht. Vielmehr wird ausschließlich aufgrund einer Risikobewertung nach dem anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entschieden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese Entscheidung dient am Ende den Schwächsten und damit auch Schutzbedürftigsten in der Kette der Blutspende: nämlich den Empfängern. Diese gilt es zu schützen und Risiken, soweit es geht, auszuschließen, auf sachlich fundierter Grundlage.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Zeulner, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage oder Kurzbemerkung von Herrn Lechte zuzulassen?

 

Emmi Zeulner (CDU/CSU):

Ich möchte die Rede bitte zum Abschluss bringen.

Dafür bietet das System des RKI eine solide Basis; denn hier werden Risikogruppen gebildet und die epidemiologischen Daten ausgewertet. Ergeben diese Daten ein erhöhtes Risiko für Infektionen beispielsweise, so wird die Blutspende im Sinne der Sicherheit des Empfängers abgelehnt; ein objektives System, das ich logisch finde. Grundlage für die Bewertung sind hierbei die Daten, die nach dem Infektionsschutzgesetz an die offiziellen Stellen, also die Gesundheitsämter, gemeldet werden.

Zu den Risikogruppen, die zeitweilig – also nicht dauerhaft; deshalb stimmt es nicht, wie die Kollegen von den Grünen im Antrag behaupten, dass es keine individuelle Betrachtung gibt – von der Blutspende ausgeschlossen sind, zählen zum Beispiel auch heterosexuelle Menschen mit sexuellem Risikoverhalten,

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Das ist der Unterschied: mit sexuellem Risikoverhalten!)

Menschen, die sich im Ausland in bestimmten Gebieten aufgehalten haben, oder – so nennt man es – Männer, die mit Männern Sex haben. All diese Gruppen haben objektiv nach den medizinischen Daten ein erhöhtes Risiko, eine Infektion zu übertragen.

So geht aus den Daten auch hervor, dass auf die Risikogruppe „Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben“ jährlich 70 Prozent der Neudiagnosen einer HIV-Infektion entfallen und dass HIV-Infektionen grundsätzlich bei männlichen Spendern sechs- bis neunmal höher sind als bei Spenderinnen. Diese Zahlen können wir als mit in der Verantwortung Stehende im Sinne der Empfängersicherheit nicht einfach ignorieren.

Medizinisch und im Sinne der Empfänger ist ein zeitweiliger Ausschluss einer Spende, also kein grundsätzlicher, in dem Bereich einfach schlicht geboten. Ja, ich stimme Ihnen zu, dass bei der Risikobewertung auch diejenigen umfasst werden, deren individuelles Verhalten nur ein geringes Risiko darstellt, und dass dies als Ungerechtigkeit empfunden wird. Dies ist aber meiner Meinung nach im Rahmen der Interessenabwägung gerechtfertigt. Und solange wir noch keine gesicherte Methode haben, wie innerhalb der Risikogruppen noch weiter differenziert werden kann, bleibt die Zulassung mit der bestehenden Einschränkung die einzig praktikable Lösung.

Ich stimme Ihnen aber in dem Punkt zu, dass, wenn wir die medizinischen Bedenken ausräumen können, wir eine weitere Öffnung des Spenderkreises erreichen müssen, zum Wohle des Bedarfs an Blutspenden. Sollte es also zukünftig Tests geben, die innerhalb kürzester Zeit eine Infektion des Spenders ausschließen können, und sich so zum Beispiel das diagnostische Fenster für eine HIV-Infektion deutlich verringern, dann haben wir eine neue Grundlage und müssen neu bewerten.

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Das Fenster ist sechs Wochen, nicht zwölf Monate!)

Mit dem fachfremden Änderungsantrag zum Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung haben wir festgelegt, dass die Risikobewertung immer wieder aktualisiert werden muss, und zwar mit dem Ziel, einen ungerechtfertigten Ausschluss – sei er dauerhaft oder zeitweilig – zur Blutspende zu vermeiden. Doch solange sich diese Bewertung nicht geändert hat, steht für mich die Sicherheit des Empfängers, wie es viele Kollegen betont haben, an erster Stelle. Dies wird durch das aktuelle System am ehesten gewährleistet. Deshalb lehnen wir Ihre Anträge ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)