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Emmi Zeulner: Die Forderung nach einer Arbeitszeit von sechs Stunden hört sich schön an, ist aber überzogen

Rede zu Arbeitszeit und Prämie in der Pflege

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich einfach sagen: Ich finde es wirklich unerträglich, wie der Kollege Sichert von der AfD, der in Bayern als Landesvorsitzender abgewählt wurde – heute hat man auch verstanden, warum –, hier vorne zum Thema der Pflege gesprochen hat. Er hat von Verantwortung, von Vorbild gesprochen und hat die Pflege so gut wie überhaupt nicht erwähnt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nicht verantwortungsvoll, und das ist auch nicht vorbildhaft.

Was mich grundsätzlich einfach nur wahnsinnig aufregt: Im Gesundheitsausschuss haben Ihre Kollegen von der AfD zu Beginn die Maßnahmen unseres Gesundheitsministers Spahn gelobt. Und dann hat es der Parteispitze nicht gepasst. Man hat dann die Position verändert. Aber Sie haben auch Kollegen bei sich in der AfD wie den Kollegen Professor Gehrke, der sich gerade eben bei Ihrer Rede in Grund und Boden geschämt hat,

(Ulli Nissen [SPD]: Zu Recht!)

weil er nämlich als Mediziner weiß, dass sie nicht der Pflege gerecht wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Für mich geht es gerade heute darum, Ihnen, lieber Professor Gehrke, zu sagen: Ich spüre, Sie haben ein gutes Herz.

(Marianne Schieder [SPD]: Ein bisschen braun vielleicht!)

Wirklich, gehen Sie raus aus der AfD.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben da nichts verloren.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nun reicht es aber, Frau Zeulner!)

– Ja, es ist so.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nee! Hören Sie auf mit dem Quatsch!)

– Nein, es ist mir ein großes Anliegen.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das ist eine Unverschämtheit! Das hat nichts mit der Debatte zu tun!)

– Nein, es ist keine Unverschämtheit.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Mir reicht’s!)

Er ist Humanmediziner, und – –

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das entscheiden wir, wer in der AfD ist! – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht die Mitglieder? Da kann man nur jeden warnen!)

– Nein, es entscheiden die Personen selbst, wer in der AfD ist.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sie auf keinen Fall!)

Es gibt die Möglichkeit, aus der AfD rauszugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulli Nissen [SPD]: Völlig richtig!)

Deswegen, Herr Gehrke, überlegen Sie es sich. Sie passen wirklich nicht dazu.

(Kay Gottschalk [AfD]: Kommen demnächst Aussteigerprogramme, oder was? Unfassbar!)

Es ist natürlich so, dass es das Privileg der Opposition ist, Dinge zu fordern – wie es beispielsweise auch Die Linke gemacht hat –, die sie am Ende des Tages nicht umsetzen muss,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das will ich nicht sagen!)

die von der Finanzierung her schwierig sind. Aber dieses Privileg haben die Regierungsparteien nicht. Wir müssen das, was wir versprechen, auch halten, wir müssen es umsetzen. Deswegen sind viele Dinge, die Sie in Ihrem Antrag entsprechend vorgebracht haben, sehr unrealistisch, an der Realität vorbei.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was ist an „schnellstmöglich“ unrealistisch?)

Die Kollegen haben es gerade angesprochen: Wir sind in einer Krisenzeit. Deswegen haben wir das mit den Arbeitszeiten gemacht – nicht weil wir wollen, dass die Pflege grundsätzlich, ständig an ihre Belastungsgrenze geht. Deswegen ist es auch ein Thema, das wieder ein Ende findet.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Reden Sie einmal mit Pflegekräften!)

Mir ist es einfach ein Anliegen, auf das einzugehen, was Sie fordern, nämlich die Arbeitszeit einer Vollzeitkraft in der Pflege bei gleichem Gehalt dauerhaft auf 30 Stunden zu verkürzen und dies natürlich entsprechend zu finanzieren. Da kann ich eben nur sagen: In der jetzigen Zeit würde das bedeuten, dass wir eine zusätzliche, eine vierte Schicht bräuchten. Ich wüsste nicht, wie wir das organisieren sollen.

Des Weiteren glaube ich, dass es unsere Kernaufgabe sein wird, nicht einfach eine tägliche Arbeitszeit von sechs Stunden festzuschreiben, sondern wirklich dafür zu sorgen – das ist die Aufgabe der nächsten Wochen und Monate –, dass die tägliche Arbeitszeit von beispielsweise acht Stunden eingehalten wird.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das wäre schon mal ein erster Schritt!)

Denn klar ist: Es ist schwierig, dass Pflegekräfte aus dem Frei geholt werden. Es ist schwierig, dass Überstunden anfallen. Da müssen wir ran. Ich glaube, die Forderung nach einer Arbeitszeit von sechs Stunden hört sich schön an, ist aber überzogen. Und zur Finanzierung machen Sie sich gar keine Gedanken, geben keine Antworten.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und zum Patientenschutz, in der Hinsicht sagen Sie nichts!)

Sie werfen der Bundesregierung vor, dass wir beim Bonussystem, das wir auf den Weg gebracht haben, die Bundesländer in Verantwortung nehmen. Ja, wir nehmen die Bundesländer in Verantwortung. Das nennt man nämlich „Föderalismus“. Und auch Sie als Linke haben Verantwortung in Bundesländern, beispielsweise in Thüringen. Dort gibt es bis jetzt keinen Pflegebonus. Deswegen kann ich Sie nur aufrufen, Ihre Arbeit in Thüringen zu machen und auf den Weg zu bringen, dass es beispielsweise für die Pflegekräfte in Thüringen einen Bonus von 500 Euro gibt. In Bayern machen wir das, und wir haben ihn auch ausgeweitet: Er wird nicht nur in der Altenpflege, sondern beispielsweise auch an Rettungssanitäter oder Pflegekräfte in den Krankenhäusern gezahlt. Dafür muss man kämpfen, und das haben wir auch getan. Insofern glaube ich, dass es entscheidender gewesen wäre, an anderer Stelle Ihre Aufgaben zu erledigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gäbe noch viele Dinge, die anzusprechen wären. Wir stehen dazu: Wir wollen einen Tarifvertrag für die Altenpflege, der für allgemeinverbindlich erklärt wird. Und wir glauben, dass es wirksame Maßnahmen sind, dass wir beispielsweise die Pflege aus dem System der Fallpauschalen herausgenommen haben und dass wir einen Schutzschirm für die Pflege gerade in den Krankenhäusern aufgespannt haben, indem wir dort ein eigenes Budget geschaffen haben.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.

 

Emmi Zeulner (CDU/CSU):

Ich glaube, dass das eine der Maßnahmen ist, um Menschen zurück in die Pflege zu bekommen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin.

 

Emmi Zeulner (CDU/CSU):

Wir sagen nämlich ganz klar: Wir wollen, dass Pflegekräfte zukünftig nicht das Sparschwein der Krankenhäuser sind, sondern ihnen über das Budget eine auskömmliche Finanzierung zusteht, die nicht zweckentfremdet werden kann.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, bitte!

 

Emmi Zeulner (CDU/CSU):

In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen und hoffe, dass wir als Gesellschaft in dieser schwierigen Zeit wirklich zusammenstehen und es alle hier ernst meinen, dass wir die Pflege stärken wollen, auch in Zukunft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)