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Dr. Silke Launert: "Wir wollen den Anspruch auf Ganztagsbetreuung"

Vereinbarte Debatte | Internationaler Frauentag

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Malaika, zwölf Jahre alt, wohnhaft in Somalia. Malaika kann weder lesen noch schreiben. In wenigen Tagen soll sie einen Mann heiraten, der fünf Jahrzehnte älter ist als sie. Sophie, zwölf Jahre alt, wohnhaft in Deutschland. Sophie geht in die sechste Klasse. Auf die Frage, was sie einmal werden möchte, lautet ihre Antwort: Ärztin oder Polizistin. – Zwei Mädchen, zwei Leben, zwei Welten.

Den eigenen Lebensweg frei wählen, über den eigenen Körper selbst bestimmen, ja, die eigene Meinung frei äußern: Das sind Wünsche bzw. Forderungen, die für uns hier in Deutschland auf den ersten Blick alle ganz selbstverständlich sind. Es sind Wünsche, die bei uns im Grundgesetz Rechte sind; ich liste sie nicht im Detail auf.

Die Situation von Malaika und vielen anderen Mädchen und Frauen weltweit – wir haben heute die Debatte zum Internationalen Frauentag – ist eine völlig andere. Das Kinderhilfswerk UNICEF schätzt, dass jährlich etwa 12 Millionen Mädchen in eine Kinderehe gezwungen werden. Darüber hinaus gibt es rund 200 Millionen Frauen und Mädchen, die Opfer von Genitalverstümmelung werden, und 34 Millionen Mädchen im Grundschulalter, die keine Schule besuchen. Das sind Zahlen, die fassungslos machen und die uns vor Augen führen, welches Glück wir haben, dass wir hier in Europa, in Deutschland leben dürfen.

Ja, auch hier ist nicht alles perfekt. Aber im Großen und Ganzen können wir dankbar sein, dankbar, dass wir hier leben können. Es ist übrigens ein Leben, das wir uns nicht verdient haben. Es ist ein Geschenk gewesen, dass wir hier geboren worden sind und diese Chancen hier haben. Am Weltfrauentag müssen wir uns dieser Unterschiede und auch dieser Errungenschaften der letzten Jahrzehnte bewusst werden.

Ich habe es gerade schon anklingen lassen: Auch hier in Deutschland ist nicht alles gut. Es gibt mehrere Bereiche – von vielen Kollegen sind diese schon angesprochen worden –: Der eine Bereich ist die Gewalt gegen Frauen. Es erschreckt mich immer wieder, aber fast jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Expartner getötet. Ich freue mich, dass es von der Frau Ministerin angesprochen wurde; denn wir haben nicht nur das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ eingerichtet, sondern sind das erste Mal auch in die Förderung von Frauenhäusern eingestiegen.

Es ist nun einmal so: Dies ist keine Bundessache. Man hat das erste Mal gesagt: Wir nähern uns diesen Themen an. – Ich persönlich bin immer noch ein großer Fan davon, nicht nur die Frauenhäuser zu stärken, sondern auch die psychologische ambulante Beratung. Das halte ich für einen noch besseren Schritt. Aber auch das ist Ländersache, und auch da ist bei den Ländern nicht ansatzweise alles perfekt. Aber es ist auch unsere Aufgabe, immer wieder darauf hinzuweisen und Druck zu machen, dass sich das verbessert.

Wir haben Strafbarkeiten geändert. So gab es eine Verschärfung beim Stalking – von mir aus könnte das ruhig noch ein bisschen mehr sein – und die Einführung der Strafbarkeit beim Upskirting; die Justizministerin ist ja da. Auch das sind Bereiche, wo wir beim Thema „Gewalt gegen Frauen“ einen wesentlichen Beitrag leisten. Von dem unschätzbaren Beitrag der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe will ich gar nicht erst sprechen. Das gibt es in ganz, ganz vielen Ländern der Welt nicht.

Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Gleichstellung; da wurde heute auch schon vieles angesprochen. Das Führungspositionen-Gesetz II haben wir letzte Woche beraten. Die Reform des Elterngeldes hatten wir erst vor wenigen Wochen. Da geht es um mehr Flexibilität, mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mehr partnerschaftliche Teilhabe.

Der Ausbau der Kinderbetreuung ist angesprochen worden. Für das Gute-KiTa-Gesetz wurde ein Riesenbetrag zur Verfügung gestellt. An sich ist der Bund auch dafür nicht zuständig. Trotzdem haben wir das auf den Weg gebracht, und das – das müssen wir auch sehen – ermöglicht erst die Wahlfreiheit.

Wir wollen den Anspruch auf Ganztagsbetreuung. Ganz ehrlich, ich verstehe es beim besten Willen nicht. Wir wollen es die ganze Zeit, und auch der Bund, der für die Finanzierung des Unterhalts gar nicht zuständig ist, will es – den Ausbau fördert er ja deutlich- und ist wieder einmal bereit, mehr zu geben, aber Baden-Württemberg und Hessen blockieren es. Ich verstehe nicht, warum die Medien nicht voll davon sind,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

dass hier ein ganz wesentlicher Beitrag für die Mütter, für die Frauen zur Wahlfreiheit verhindert wird und wieso da nicht Druck auf die zuständigen Ministerpräsidenten gemacht wird; die wollen doch wiedergewählt werden. Das ist unverständlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir von der CSU wollen außerdem in einem Gesamtpaket die Vereinbarkeit insgesamt in Angriff nehmen. Wir fordern zwei Elterngeldmonate extra, wenn der Vater vielleicht vier Monate zu Hause bleibt. Wir wollen außerdem eine Höchstarbeitszeit nicht pro Woche, sondern pro Tag, damit es für die Frauen flexibler ist. Wir fordern außerdem die volle Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit.

 

Dr. Silke Launert (CDU/CSU):

Letzter Satz. – Sie sehen: Wir widmen uns dem Thema. Wir wollen Frauen stärken, und das nicht nur am Weltfrauentag, sondern auch zu anderen Zeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)