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Dr. Silke Launert: "Gleichberechtigung heißt nicht Gleichstellung"

Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt Worte und Begriffe, von denen man weiß, dass sie die Stimmung anheizen. Worte und Begriffe, die fast immer emotionale Debatten entfachen. Bei dem Wort „Quote“ bzw. „Frauenquote“ handelt es sich um ein solches Reizwort.

Nichtdestotrotz müssen wir diese Diskussionen führen – aus gutem Grund. Für uns aus der Union war es in der Vergangenheit und ist es auch in der Zukunft immer wichtig und klar: Eigenverantwortung, Freiwilligkeit, Vernunft und der Blick auf die Realität sollten grundsätzlich an erster Stelle stehen und nicht staatliche Verpflichtung.

(Beifall des Abg. Petr Bystron [AfD])

Über viele Jahre haben wir deshalb versucht, mit dem Führungspositionengesetz auf freiwilliger Basis eine Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen zu erreichen. Wir haben gedacht, die Unternehmer erkennen selbst – es gibt ja Studien, wonach ein Anteil von Frauen in Führungspositionen insgesamt auch zu mehr Erfolg führt –, dass ein höherer Frauenanteil zu mehr Erfolg, mehr Kompetenz, mehr Fortschritt führt. Aber die Zahlen zeigen uns dann doch was anderes.

So lag der Anteil von Frauen in Vorständen bei den 105 börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmen im November letzten Jahres bei knapp über 10 Prozent. Bei drei Viertel der Unternehmen – das wurde schon gesagt – lag der Frauenanteil bei null, 75 Prozent der Unternehmen gaben sich für Vorstände die Zielgröße null. – Ja, diese Zahlen machen sprachlos. Und wenn ich dann höre: „Ja, das tut uns leid. Wir haben das Ziel null, weil es einfach keine qualifizierten Frauen gibt“, dann bin ich fast fassungslos.

Eine Gruppe von Männern sagt: Unser Ziel ist es, immer weiterhin eine Gruppe von Männern zu bleiben, weil nur wir als Gruppe von Männern kompetent sind. – Wissen Sie, das ärgert mich; denn die Unternehmen, die das sagen, haben offensichtlich ihre Hausaufgaben bei der Frauenförderung nicht gemacht. Man kann nämlich gewinnen, wenn man 50 Prozent der Bevölkerung weiterqualifiziert und sich entwickeln lässt. Diese Unternehmen haben auch die Verfassung nicht vollumfänglich im Blick.

Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz: Es geht hier um die Gleichberechtigung, und – das unterscheidet uns von den Linken – Gleichberechtigung heißt nicht Gleichstellung. Keine Ergebnisgleichheit um jeden Preis. Das sagt die Verfassung wirklich nicht. Aber sie sagt: Gleichberechtigung von Mann und Frau. Und – das ist ein Schutzauftrag an uns aus der Verfassung –: Wir sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass es auch in der Realität zu einer wirklichen Gleichberechtigung, zu einer echten Chancengleichheit kommt.

Wenn eine Gruppe von Männern sagt: „Nur wir, die Gruppe von Männern, sind immer die Besseren“,

(Zuruf von der AfD)

dann stellen sich doch die Fragen: Wo zeigt sich offensichtlicher, dass es da strukturelle Mängel gibt? Wo wird es klarer, dass es da eine gläserne Decke gibt, wenn Männer sagen: „Männer sind kompetenter und gehen immer den besseren Weg“? Die Antwort ist offensichtlich.

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:

Frau Kollegin.

Dr. Silke Launert (CDU/CSU):

Das ist genau die Situation, wo der Verfassungsauftrag greift und wo es erlaubt ist,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

dann auch mal mit einem staatlichen Zwang zu kommen. – Frau Präsidentin, ich weiß, Sie wollen sagen, ich sei über der Zeit.

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:

Nein. – Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Kollegen Bystron.

Dr. Silke Launert (CDU/CSU):

Okay. Ja, ich lasse sie zu.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Warum machen Sie das? – Michaela Noll [CDU/CSU]: Sie quält sich gerne selber!)

Petr Bystron (AfD):

Liebe Frau Dr. Launert, vielen, vielen Dank. – Sie sind die erste Frau, die eine Frage zulässt. Die drei anderen haben sich das offensichtlich nicht getraut.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die erste, die bei Ihnen was zulässt?)

Sie sind jedenfalls aus Bayern so wie ich.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Liebe Kollegen, lassen Sie uns doch das Gespräch auf einem parlamentarischen Niveau führen.

(Josephine Ortleb [SPD]: Das ist kein Gespräch! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schwer erträglich!)

Sie sind jedenfalls wie ich aus Bayern. Wir haben sehr viele erfolgreiche bayerische Unternehmen in unserer Heimat. Jetzt sagen Sie mir: Was für einen Grund hätte ein Unternehmen, zum Beispiel BMW, das auf allen Ebenen die qualifiziertesten Mitarbeiter sucht, gerade für die Spitzenpositionen Frauen nicht einzustellen, wenn sie kompetent wären?

(Zuruf: Dann hätten die doch kein Problem!)

Sie haben von Gleichberechtigung gesprochen.

(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber in der freien Wirtschaft ist nicht die Gleichberechtigung das Ziel, sondern die Gewinnerzielung. Man sucht immer die besten Kräfte. Man will die besten Leute haben.

(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Warum sollten die Aktionäre nicht darauf bestehen, die Besten zu nehmen? Warum sind nicht die Aktionäre auf die Idee einer Frauenquote, mit der Sie jetzt kommen, gekommen, wenn die Frauen es so gut könnten und wenn es so viele Frauen gäbe?

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Es sind ja bei der AfD auch nicht die Besten im Parlament! – Zuruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dr. Silke Launert (CDU/CSU):

Ja, es ist natürlich so, dass ein Unternehmen nach Gewinnmaximierung strebt. Das ist sein gutes Recht. Es hat auch ein Recht, zu sagen: Ich möchte bestimmen, wie ich meine Stellen besetze. – Das ist auch ein Grundrecht; da haben Sie recht.

Aber man darf nicht immer nur die eine Seite sehen. Es gibt halt auch einen Auftrag aus der Verfassung an uns als Gesetzgeber: Wenn es in der Gesellschaft leider nicht dazu kommt, dass echte Gleichberechtigung gelebt wird, dann habt ihr die Chance, Nachteile auszugleichen und auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung, der Chancengleichheit hinzuwirken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Diesem Auftrag müssen wir als Gesetzgeber nachkommen.

Es geht eben nicht nur um die Seite der Unternehmen; das sehen die Unternehmen aber leider, leider nicht. Wir haben es als milderes Mittel mit der Freiwilligkeit versucht. Ein Eingriff in die Grundrechte setzt immer zuerst ein milderes Mittel voraus, in diesem Fall die Freiwilligkeit. Wir haben es echt probiert, immer wieder. Zu Recht kritisieren andere, dass das auch hier viel zu wenig ist – wir sind auch hier nur wieder bei wenigen Unternehmen. Und nur für wenige Unternehmen gibt es eben erst mal einen vorsichtigen Versuch mit der Verpflichtung.

Aber Eingriffe sind möglich, wenn der Staat handeln muss. Wir müssen das jetzt, da es freiwillig nicht geht. Wenn die milderen Mittel nicht erfolgreich sind, dann darf der Staat auch irgendwann mal Ernst machen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Nicht beim BER!)

Also gehen wir jetzt voran. Deshalb ist das ein Durchbruch. Wir sehen: Es wirkt. Die Unternehmen merken: „Hoppla, wir kommen nicht mehr drum herum“, und suchen plötzlich händeringend Frauen. – Unser Handeln wirkt.

Das wird sich auch auf die unteren Ebenen der Führungsetagen auswirken. Ich hoffe es. Wenn das auf Dauer nicht klappt, wenn wieder alle denken: „Jetzt hole ich mir einfach nur eine Frau, und dann habe ich keine Verpflichtungen mehr“, dann werden wir die Diskussion weiterführen. Aber ich hoffe, die Wirtschaft hat verstanden: Es gibt nicht nur ihre Freiheit, sondern es gibt auch einen Auftrag des Staates zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung, und dem müssen wir nachgehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn ich noch ganz kurz zum Schluss kommen darf.

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:

Der Schluss sei erlaubt.

Dr. Silke Launert (CDU/CSU):

Natürlich ist die Quote nur ein Signal. Ich habe es gerade angesprochen: Es ist ein kleiner Teil. Es geht ja nicht überall um Gleichstellung. Weitere wichtige Aspekte sind auch zu beachten. Da spricht die FDP natürlich Wichtiges an.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Chance, die Motivation von Frauen, sich überhaupt bis nach oben durchkämpfen zu können: Das sind alles Themen, die uns wichtig sind, die wir voranbringen, die wir zu einem Paket geschnürt haben und für die wir uns einsetzen. Ich hoffe, dass wir dann wenigstens bei all diesen Maßnahmen gemeinsam an einem Strang ziehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD])