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Dr. Matthias Zimmer: Nachhaltigkeit muss sich auf die subjektive Dimension der Arbeit beziehen

Redebeitrag zur Nachhaltigkeit von Sozial- und Arbeitsmarktpolitik

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir tragen als Partei das C im Namen. Das verpflichtet auch und gerade im Bereich der Arbeit.

(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])

Zweck der Arbeit, so hat es Johannes Paul II. einmal formuliert, ist letztlich immer der Mensch selbst. Arbeit hat nicht nur eine objektive Dimension, in der die Welt gestaltet wird. Sie hat vor allen Dingen eine subjektive Dimension, die auf die Wesenserfüllung des Menschen hin geordnet ist. Arbeit ist Ausdruck der Personalität des Menschen. Das verleiht der Arbeit Würde. Deshalb sind die Belange der Arbeit denknotwendig denen des Kapitals übergeordnet. Der Mensch steht im Mittelpunkt, nicht das Kapital. Der Mensch hat Würde, nicht das Kapital.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Ich freue mich ja über den Beifall bei den Linken

(Jan Korte [DIE LINKE]: Wenn etwas Sinnvolles gesagt wird, klatschen wir!)

und kann da nur mit dem Evangelisten Lukas sagen, dass im Himmel mehr Freude über einen reuigen Sünder ist als über 99 Gerechte. Das gilt auch für uns.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was aber hat es, meine Damen und Herren, mit der Nachhaltigkeit auf sich? Ja, Nachhaltigkeit kann sich auf die objektive Dimension der Arbeit beziehen. Dann sagt sie etwas über die Art und Weise aus, wie wir natürliche Ressourcen nutzen, und das ist in den vergangenen Tagesordnungspunkten diskutiert worden. Nachhaltigkeit muss sich aber auch auf die subjektive Dimension der Arbeit beziehen, und dann sagt sie etwas darüber aus, welchen Beitrag die Arbeit zur Entfaltung der Person leistet. Alle Arbeit, die nicht auch in den Dienst der Personalität des Menschen gestellt ist, ist entfremdete Arbeit und nicht nachhaltig. Das ist auch der Grund, warum der Satz, sozial sei, was Arbeit schaffe, grundfalsch und gefährlich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Soziale ist nach der Soziallehre unmittelbarer Ausfluss des Personalen, und wenn Arbeit der Personalität des Menschen schadet, kann sie per definitionem nicht sozial sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was folgt für uns daraus, die wir uns als christlich orientierte Partei verstehen? Zum Ersten: Arbeit ist keine Ware, die anderen Waren vergleichbar ist, die auf dem Markt gehandelt werden. Die Rede vom Arbeitsmarkt nimmt die personale Dimension der Arbeit nicht in den Blick. Bei der Arbeit geht es nicht nur um die Herstellung von Dingen, sondern auch um die Entfaltung des Arbeitenden selbst. Deshalb ist es richtig, Formen der entfremdeten, nicht nachhaltigen Arbeit zu eliminieren: Arbeit, die krank macht, Arbeit, die keine Wertschätzung genießt, Arbeit, die für Leben und Gesundheit gefährlich ist, Arbeit, die ausbeuterisch ist, Arbeit ohne gerechten Lohn.

Wir erleben Formen der entfremdeten und entfremdenden Arbeit etwa in der Fleischindustrie und wollen den Untaten hier ein Ende bereiten. Die Zustände bei Tönnies sind eines zivilisierten Landes unwürdig und eines christlichen allemal.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die christliche Botschaft – das ist mein zweiter Punkt – ist universal, und als christliche Partei steht es uns gut an, diese Universalität ernst zu nehmen. Es nützt nichts, auf einer Insel der Wohlmeinenden und Gerechten in einem Ozean der Niedertracht, der Ausbeutung und der Entwürdigung zu leben. Aus dieser Grundidee heraus beteiligen wir uns in besonderem Maße an der Internationalen Arbeitsorganisation, der ILO. Aus dieser Grunderkenntnis heraus unterstützen wir die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, zu denen auch menschwürdige Arbeit gehört.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, um es sehr deutlich zu sagen: Das gilt auch für die Arbeit in den Wertschöpfungsketten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Schande der Produkte durch ausbeuterische Arbeit ist auch unsere Schande. Es gibt kein Recht auf Profit zulasten der Menschenrechte.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist die Mindestanforderung an nachhaltige Arbeit in der globalisierten Welt: kein Gewinn ohne Gewissen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Super!)

Und das Gewissen fängt nicht erst bei Unternehmen mit 5 000 Mitarbeitern an.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das C in unserem Namen verpflichtet, auch wenn es mancher bisweilen damit nicht so genau nimmt. Es verpflichtet uns auf das Gemeinwohl, und das ist nicht eben wenig. Arbeit ist kein Produktionsfaktor, sondern die tätige Mitwirkung an der Gestaltung des Gemeinwohls. Nur so ist sie nachhaltig – in Deutschland, aber auch weltweit. Und nur so können wir auch in Zukunft den Anspruch erheben, die Umbrüche in der Arbeitswelt im Sinne der Menschen gestalten zu können; denn der Mensch ist Zweck der Arbeit.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Sie dürfen bei uns Platz nehmen!)