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Dr. Matthias Zimmer: "Die Arbeitnehmer müssen geschützt werden"

Evaluierung des Mindestlohngesetzes zur Stärkung der Beschäftigtenrechte nutzen

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der französische Dominikaner Jean Baptiste Lacordaire hat einmal gesagt, dass es im Verhältnis von Starken und Schwachen die Freiheit ist, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit. Das ist ein sehr wahres Wort, und das war auch der Grund, warum wir 2014 den Mindestlohn eingeführt haben: weil wir immer mehr zu der Erkenntnis gekommen sind, dass auf dem Arbeitsmarkt die Möglichkeit kollektiven Handelns von Arbeitnehmern abnimmt und Gestaltungen von Arbeitsbedingungen zunehmen, die wir schlicht und einfach als unanständig empfinden. Deswegen brauchte es einen gesetzlichen Mindestlohn, und ich bin froh, dass der organisierte Liberalismus durch Herrn Cronenberg das mittlerweile auch so sieht.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist ja auch völlig klar: Es gibt im „Der Wohlstand der Nationen“ von Adam Smith ja auch schon den Hinweis auf den gerechten Lohn, und ein guter Liberaler sollte so was natürlich immer präsent haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lieber Bernd Rützel, es war richtig, was du eben gesagt hast, nämlich dass es damals ein Meilenstein gewesen ist. Es ist ein Meilenstein in zweierlei Hinsicht gewesen:

Der erste Punkt ist der Schutz der Arbeitnehmer. Es ist ganz klar, dass wir nicht weiter in Niedriglohnbereiche abrutschen, die unanständig sind, und dass Lohndumping nicht zu einem Geschäftsmodell wird. Peter Weiß hat eben gesagt: Der Wettbewerb muss organisiert werden über Innovation, über gute Produkte, über guten Service, über gute Dienstleistung, aber nicht über die Fähigkeit, den Lohn zu drücken. Deswegen war das Mindestlohngesetz eine notwendige, eine subsidiäre Maßnahme, die tatsächlich ein Meilenstein gewesen ist, was den Schutz der Arbeitnehmer angeht.

Darüber hinaus gab es noch einen zweiten Punkt – und damit komme ich jetzt zu dem Dissens, der uns ein bisschen prägt –: Das Mindestlohngesetz schützt ja auch die anständigen Unternehmer vor den unanständigen. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass in meiner Heimatstadt Frankfurt der damalige Handwerkskammerpräsident gesagt hat: Wir brauchen den Mindestlohn, damit unsere anständigen Handwerksmeister wettbewerbsfähig bleiben.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Das ist der ganz entscheidende Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Im Mindestlohngesetz steht ja auch der Passus drin, dass die Frage des Mindestlohns zu entscheiden ist anhand eines Mindestschutzes für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – das ist das, was ich zuerst gesagt habe –, um – das ist das Zweite – faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen und Beschäftigung nicht zu gefährden. Deswegen haben wir uns damals für den Mindestlohn entschieden als ein ordnungspolitisches Instrument zur Regulierung des Wettbewerbs. Das ordnungspolitische Instrument zur Regulierung des Wettbewerbs war etwas einfacher als sozusagen der gerechte Lohn nach der katholischen Soziallehre, den wir Leo XIII. verdanken. Denn der gerechte Lohn geht weit darüber hinaus.

Ich kann mich gut erinnern: Wir waren damals in London bei der Low Pay Commission, bei der Mindestlohnkommission, und haben uns dort diese ganzen Dinge einmal erklären lassen. Die Leute dort haben sehr deutlich gesagt: Das, was wir als Mindestlohn machen, ist tatsächlich eine ordnungspolitische Maßnahme. Das ist jetzt kein Living Wage, also kein lebensstandarderhaltender Lohn, sondern es ist sozusagen ein ordnungspolitisches Modell. Wir sind damals damit gut gefahren, weil wir gesagt haben: Wir beschränken uns darauf. – Ich kann mich erinnern, dass auch einige Vertreterinnen und Vertreter der Grünen mit dabei gewesen sind. Die waren von der Argumentation der britischen Kollegen damals ausgesprochen angetan. Ich halte sie nach wie vor für richtig.

Ich halte nach wie vor auch für richtig, dass wir als Gesetzgeber diese ganze Angelegenheit nicht neu aufrollen. Wir haben damals im Jahr 2014 einen Mindestlohn von 8,50 Euro akzeptiert, weil die Gewerkschaft 8,50 Euro wollte, und 8,50 Euro war in etwa der Lohn, den es branchenübergreifend in der Zeitarbeit gab; darunter wollten wir nicht gehen. Aber jetzt als Parlament, nachdem wir 2014 fest zugesagt haben: „Die Politik mischt sich da nicht ein“, den Mindestlohn erneut festzulegen, halte ich für gefährlich, halte ich für falsch. Denn wer würde uns dann glauben, dass wir das nicht ein drittes oder ein viertes Mal machen würden?

Ich habe nichts dagegen, dass der Mindestlohn auf 12 Euro steigt. Aber das soll bitte die Mindestlohnkommission machen, nicht das deutsche Parlament.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann musst du auch das Mindestlohngesetz verändern! Sonst passiert das nie!)

Das ist der richtige Weg, und deswegen lehnen wir den Antrag der Grünen ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)