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Dr. h. c. Hans Michelbach: Unsere Gesellschaft zu stärken, bedeutet für uns, insbesondere Familien zu entlasten und zu stärken

Rede zum Familienentlastungsgesetz

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Unsere Familien sind die Kernzellen unserer Gesellschaft. Sie sind Orte von Erziehung, von Wertevermittlung und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Sie sind uns, der CDU/CSU, wegen dieser überragenden Bedeutung besonders wichtig. Unsere Gesellschaft zu stärken, bedeutet deshalb auch für uns, insbesondere Familien zu entlasten und zu stärken.

Das war für uns ein zentrales Anliegen in den gemeinsamen Koalitionsverhandlungen. Das Ergebnis, meine Damen und Herren, kann sich – das gilt nicht nur für den steuerlichen Bereich – sehen lassen: 300 Euro mehr Kindergeld pro Jahr und Kind, steuerliche Entlastung der Familien, 1 200 Euro Baukindergeld pro Jahr und Kind für zehn Jahre, um Familien den Erwerb der eigenen vier Wände zu erleichtern. Ich kann nur sagen: Das ist ein Hit. In den ersten Wochen wurden schon 20 000 Anträge im Umfang von 415 Millionen Euro gestellt. Das kann man doch nicht kleinreden. Das ist Familienförderung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden natürlich die Mobilisierung im Wohnungsbau im unteren und mittleren Preissegment, im Bereich des Sozialwohnungsbaus, mit privaten Investitionen ebenso weiter voranbringen, um für die Familien Mietkostenentlastung zu erreichen. Nicht zuletzt möchte ich die erweiterte Mütterrente nennen, und auch mehr Investitionen des Bundes in Bildung und Betreuung will ich nicht unerwähnt lassen – auch wenn dies natürlich zuallererst Aufgabe von Ländern und Kommunen ist und bleibt. Da steht Bayern mit dem bayerischen Familiengeld und dem Landespflegegeld vor allen anderen Bundesländern. Auch das gehört zur Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das haben wir versprochen, und das haben wir auch gehalten. Und das zeigt, dass auf uns Verlass ist.

Das Familienentlastungsgesetz, über das wir heute in erster Lesung beraten, ist der Beleg dafür. Es wird eine erste Rate der Familienentlastung in dieser Legislaturperiode sicherstellen mit der Erhöhung des Kindergeldes, des Kinderfreibetrages und der Anhebung des steuerfreien Existenzminimums. Schließlich erhöhen wir auch den oberen Eckwert im Einkommensteuertarif und wirken damit der kalten Progression entgegen.

Meine Damen und Herren, es ist heute schon vielfach eingewandt worden, dass die Anhebung des Existenzminimums ohnehin verfassungsrechtlich geboten ist. Ja, das ist richtig. Doch der Einwand ist gleichzeitig auch falsch; denn mit diesem Gesetzentwurf geht die Koalition bewusst über das hinaus, was verfassungsrechtlich erforderlich wäre. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Wiebke Esdar [SPD])

Wir tun mehr, als die Verfassung vorschreibt, und das ist gut so. Auch das ist die Wahrheit. Der Versuch der Opposition, die Entlastung, die durch unser Familienentlastungsgesetz stattfindet, kleinzureden, ist geradezu ärmlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Noch ärmlicher ist der Versuch der FDP, das heutige Familienentlastungsgesetz mit der Soli-Frage zu verbinden. Meine Damen und Herren von der FDP, die Soli-­Frage hätten Sie von der FDP mit uns schnell klären können,

(Widerspruch bei der FDP)

wenn Sie nicht die Flucht aus der Verantwortung vorgezogen hätten. Das ist die Wahrheit, und die werden Sie erleben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Michael Theurer [FDP]: So ein Quatsch! Das ist eine Lüge!)

Sie treten hier vollmundig auf, und gleichzeitig machen Sie sich vom Acker, wenn es ernst wird. Das ist die Situation.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Michelbach, der Kollege Dürr möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):

Bitte, ja.

(Michael Theurer [FDP]: „Du sollst nicht lügen“ heißt ein Gebot!)

Christian Dürr (FDP):

Danke, Herr Kollege Michelbach. – Ich gebe neidlos zu, dass Sie jedenfalls – ich habe ja noch andere Kollegen zitiert – einer derjenigen sind, die für die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages sind.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wie viele andere auch! – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sie haben den Koalitionspartner vergessen!)

– Zu der Frage, ob das wirklich alle so sehen, komme ich gleich. – Nun hat ja gestern, Herr Kollege Michelbach, der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages – Sie gehören diesem Ausschuss an – mit den Stimmen der Großen Koalition in einer Abstimmung über die Frage entschieden, ob wir wirklich alle gemeinsam, wie Sie gerade behauptet haben, für die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages nach Auslaufen der Hilfen für Ostdeutschland sind.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein! Sind wir nicht! – Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Dann stimmen Sie doch wenigstens zu!)

Da will ich einfach mal beratungsmäßig von Ihnen wissen, sozusagen als Insider und Kenner der Szene:

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aber das sind wir nicht! – Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Sind wir nicht! – Michael Schrodi [SPD]: Sind wir nicht! Nehmen Sie das zur Kenntnis!)

Könnte die Tatsache, dass Sie wissen, dass Sie einem Gesetzentwurf der FDP, wenn er heute zur Abstimmung gestanden hätte, nicht zugestimmt hätten, unter Umständen mit einem Wahltermin zusammenhängen, Herr Kollege Michelbach? Das ist meine Frage.

(Michael Schrodi [SPD]: Haben Sie auch etwas zu Familien zu sagen?)

Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):

Ich hoffe, Sie haben auch eine Frage gestellt, Herr Kollege.

(Christian Dürr [FDP]: Ja! Das war meine Frage!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Warten Sie es ab.

(Lachen bei der FDP)

Die Reduzierung und Abschaffung des Soli wird auf der Tagesordnung bleiben und ist ja auch Teil des Koalitionsvertrages. Warten Sie es einfach ab.

(Christian Dürr [FDP]: Aber warum schüttelt die SPD den Kopf, Herr Kollege?)

Hier gemeinsam mit der AfD Anträge zu stellen: Ein Hans-Dietrich Genscher würde sich im Grab herumdrehen, wenn er das erleben würde, was Sie hier vorführen, meine Damen und Herren. Das ist die Situation, in der Sie sich befinden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christian Dürr [FDP]: Ihr Koalitionspartner sagt Nein!)

Meine Damen und Herren, diese Legislaturperiode wird eine gute Legislaturperiode für Kinder und Familien. Wir stehen zu den Familien in unserem Land.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Michelbach, der Kollege Gottschalk möchte auch eine Zwischenfrage stellen.

Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):

Ich glaube, es ist schon deutlich geworden: FDP und AfD haben gemeinsam diesen Antrag eingebracht.

(Michael Theurer [FDP]: Ludwig Erhard würde sich auch im Grabe herumdrehen, Herr Kollege!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Lassen Sie es zu oder nicht?

Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):

Lasse ich nicht zu, danke.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Sie lassen nicht zu.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist unter Ihrem Niveau, Herr Michelbach! So tief können nicht einmal Sie sinken! Das geht gar nicht!)

Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):

Meine Damen und Herren, das ist eine gute Legislaturperiode für Kinder und Familien. Wir stehen zu den Familien in unserem Land, und deshalb stehen wir auch hinter diesem Gesetzentwurf. Das Gesetz bedeutet eine Entlastung, zunächst um 4 Milliarden Euro, dann um 9,4 Milliarden Euro im übernächsten Jahr. Die volle Jahreswirkung liegt in den Folgejahren bei mehr als 10 Milliarden Euro jährlicher Entlastung. Mehr Netto vom Brutto, das ist unser Ziel. Denn die Menschen wissen selbst am besten, was sie mit dem Geld, das sie mit ihrer eigenen Leistung erwirtschaftet haben, anfangen wollen.

(Christian Dürr [FDP]: Herr Michelbach, Sie drücken sich! Sie drücken sich!)

Leistung muss sich lohnen, meine Damen und Herren. Dieses Prinzip setzen wir um. Das ist unsere Botschaft. Insofern ist es doch selbstverständlich, dass wir auch an dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in den Steuergesetzen festhalten müssen. Ansonsten ist das nicht verfassungskonform.

Ich habe festgestellt, dass die Grünen die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit aushebeln wollen. Sie wollen verteilen, umverteilen, umverteilen, umverteilen, denken aber nicht daran, dass auch die Steuerzahler diese Umverteilung zunächst erwirtschaften müssen, meine Damen und Herren. Das ist die Situation.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Christian Dürr [FDP]: Ich glaube, er beschimpft gerade die CDU!)

Ich denke, dass wir gut daran tun, dieses Familienentlastungsgesetz als große Chance für unsere Familien anzusehen,

(Michael Theurer [FDP]: Wie wäre das mit Jamaika dann gegangen mit den Grünen? Erklären Sie mal, wie es mit den Grünen gegangen wäre, Herr Kollege!)

und wir werden weiter eine aktive Steuerpolitik zur Entlastung unserer Menschen betreiben, damit sie für ihre Leistung mehr Netto vom Brutto bekommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)