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Dr. Georg Kippels: "Wir müssen die Inhalte schärfen und attraktivieren"

Den Öffentlichen Gesundheitsdienst dauerhaft stärken, die Public-Health-Perspektive in unserem Gesundheitswesen ausbauen

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der letzten Stunde leidenschaftliche Plädoyers für den Öffentlichen Gesundheitsdienst gehört, durchaus auch herbe und an einigen Stellen ohne Zweifel berechtigte Kritik.

Der Öffentliche Gesundheitsdienst ist durch die Pandemie seit nunmehr einem Jahr im unmittelbaren Fokus der gesamten Bevölkerung und natürlich auch der Politik. Ich glaube, uns eint hier alle die Überzeugung, dass gute Arbeit geleistet wurde, es aber auch Verbesserungsbedarf gibt und wir alle uns diesem widmen sollten.

Für eine saubere Aufarbeitung dieser Fragestellung ist es, glaube ich, wichtig, dass wir zwischen zwei verschiedenen Aspekten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes unterscheiden. Auf der einen Seite geht es um die Regelversorgung – viele Aspekte sind angesprochen worden: Prävention, Aufklärung, Regeluntersuchungen, Impfwesen, Hygiene – und auf der anderen Seite natürlich um den Einsatz zur Bewältigung einer Pandemie, also in einer Krise, in einer Ausnahmesituation. Alles das geht beim Öffentlichen Gesundheitsdienst zusammen. Ich bin der Meinung, dass diese Aspekte im Antrag der Kollegen der Grünen leider nur unzureichend beleuchtet worden sind.

Ich will die Herausforderungen für den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Zusammenhang mit der Pandemie einmal anhand meines Heimatkreises, des Rhein-Erft-Kreises in Nordrhein-Westfalen, mit 465 000 Einwohnern und zehn Städten konkret darstellen. Die Inzidenz lag heute Morgen bei 71,8. In den zehn Städten haben wir aber ein Spektrum zwischen 40 und 121. Wir haben 587 Infizierte, und wir beklagen und betrauern 296 Verstorbene.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um von hier aus einen Gruß in die Heimat zu senden und dem Landrat Frank Rock und dem Gesundheitsdezernenten Christian Nettersheim und seinen Kolleginnen und dem Team der Verwaltung herzlich dankzusagen, da die wichtige Aufgabenstellung der Kontaktnachverfolgung erfolgreich bewältigt worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wie sieht die personelle Besetzung aus? Im Normalbetrieb sind es 85 Mitarbeiter auf 60 Stellen, fünf Mediziner, auf der Leitungsebene ein Verwaltungsbeamter. Mittlerweile sind es in dieser Sondersituation alleine 85 Mitarbeiter im Covid-Zentrum. In der Kürze der Zeit konnten die Stellen natürlich nicht durch vollwertige Neueinstellungen besetzt werden, sondern es waren Umsetzungen und Abordnungen erforderlich. Des Weiteren gibt es 95 externe Mitarbeiter aus den anderen Behörden und der Bundeswehr.

Frage: Ist das nun ein strukturelles Problem der Unterbesetzung? Nein, selbstverständlich nicht, weil es eine Ausnahmesituation ist. Richtig ist allerdings auch, dass für den Regelbetrieb der Personalstand im Laufe der Jahre immer weiter gesunken ist, auch deshalb, weil viele Vorsorgemaßnahmen in der Vergangenheit in den privatärztlichen Bereich ausgelagert worden sind. Ich nenne exemplarisch nur die sogenannten U-Untersuchungen, die jetzt mit tatkräftiger Unterstützung der GKV bei den Kinderärzten stattfinden. Die klassischen Reihenuntersuchungen und Reihenimpfungen, an die ich mich aus meiner Kindheit noch gut erinnern kann, finden überhaupt nicht mehr statt. Wir müssen zur Attraktivierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes wieder originäre medizinische Aufgabenstellungen suchen und dort etablieren; denn so wird es für die Mediziner attraktiver, in diese Berufssparte einzusteigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch die weiteren Fragenstellungen, die aus der Krise resultieren, müssen wir in besonderem Maße in den Blick nehmen. Wir haben festgestellt, dass zu Beginn der Krise, aber auch im weiteren Verlauf eine sehr intensive Zusammenarbeit zwischen dem Hauptamt, dem ÖGD, und dem Ehrenamt, DRK, Johanniter, Malteser, Caritas, stattgefunden hat und stattfinden musste, um bestimmte punktuelle Aufgabenstellungen personell aufzufangen. Aus meiner Sicht wäre es eine wichtige Aufgabe, diesen Trainingsbetrieb zu verstetigen und ebenso wie Bundeswehr, THW und Feuerwehr im wiederkehrenden Rhythmus Krisenszenarien zu erproben, einzuüben, zu harmonisieren und vor allen Dingen auch die technischen Gegebenheiten zu vervollständigen und zu perfektionieren. Wir haben von den Vorrednern schon zahlreiche Hinweise zu den digitalen Hilfsmitteln gehört; diese müssen aber auch tatsächlich im Zusammenspiel funktionieren.

Der Pakt von Bund und Ländern für den Öffentlichen Gesundheitsdienst vom 5. September 2020 stellt dafür eine hervorragende Basis dar. Wir sollten jetzt nicht in Aktionismus verfallen, sondern wir müssen nach der Pandemie den Bedarf solide analysieren. Wir müssen die Inhalte schärfen und attraktivieren. Dafür stellt der Pakt ausreichend Mittel und Ressourcen zur Verfügung. Infolgedessen müssen wir uns dem Antrag nicht widmen und können ihn getrost ablehnen.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)