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Dietrich Monstadt: "Gewährleistung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarktes für Medizinprodukte"

Rede zum Medizinprodukterecht

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Verehrte Damen! Meine Herren! Heute beraten wir abschließend das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz. Dieses Gesetz setzt die Regelungen der beiden EU-Verordnungen zur Zulassung von Medizinprodukten und über In-vitro-Diagnostika in nationales Recht um. Die erste Verordnung tritt bereits am 26. Mai 2020 als geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten in Kraft, die zweite Verordnung am 26. Mai 2022, sodass die Umsetzung jetzt erfolgen muss.

Ziel der EU-Verordnungen ist die Gewährleistung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarktes für Medizinprodukte. Es sollen hohe Standards für die Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten und ein hohes Maß an Sicherheit und Gesundheitsschutz für Patientinnen und Patienten und andere Personen in allen Mitgliedstaaten erreicht werden. Medizinprodukte sollen die Gesundheit der Patienten verbessern. Wer in Deutschland beispielsweise eine Insulinpumpe erhält, muss sich darauf verlassen können, dass das Risiko ihres Einsatzes so gering wie nur möglich ist. Wir setzen damit die europäischen Vorgaben um.

Meine Damen und Herren, insgesamt müssen mehr als 500 000 Produkte nach der sogenannten Medical Device Regulation neu zertifiziert werden. Wer sich mit dem komplexen Markt beschäftigt hat, musste erkennen, dass diese Umsetzung sich als ausgesprochen holprig erweist. Nicht nur müssen mehr Medizinprodukte aus allen Risikoklassen ein bestimmtes, strengeres Zulassungsverfahren durchlaufen; auch die Benannten Stellen benötigen eine neue Akkreditierung. Bereits in der ersten Lesung habe ich an dieser Stelle davon berichtet, dass wir nicht ausreichend Benannte Stellen haben. In der Zwischenzeit sind zwei dazugekommen; das reicht aber leider immer noch nicht aus.

Aktuell hat uns die Information erreicht, dass in Italien die erste Benannte Stelle ihre Arbeit aufgrund der Coronaepidemie einstellen musste. Deshalb müssen wir nachdrücklich von der EU fordern, dass die Verordnungen insbesondere vor dem Hintergrund der zeitlichen Abläufe auch umgesetzt werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sabine Dittmar [SPD])

Ich möchte an dieser Stelle Gesundheitsminister Jens Spahn danken, dass er sich auf EU-Ebene so intensiv für eine Verlängerung der Übergangsfristen eingesetzt hat und einsetzt. Das hat immerhin dazu geführt, dass das neueste Korrigendum zur MDR zumindest für bestimmte Medizinprodukte der Klasse I eine längere Übergangsfrist von vier Jahren festschreibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das allein würde aber nicht ausreichen.

Auch vor dem Hintergrund der schwierigen Verfahren in der EU kann es im Interesse der Patientengesundheit zukünftig notwendig werden, dass die zuständigen Bundesoberbehörden wesentlich häufiger als bisher Sonderzulassungen erteilen müssen. Diese vielfältigen Situationen reichen von der Einzelzulassung für einen bestimmten Patienten bis zur Zulassung von Produktgruppen einzelner oder mehrerer Hersteller. Es ist insbesondere bei Medizinprodukten für seltene Erkrankungen mit einer erhöhten Anzahl von Anträgen auf Sonderzulassungen zu rechnen. Sonderzulassungen zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Medizinprodukten sind daher sinnvoll.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die deutsche Gesundheitswirtschaft steht im Bereich der Medizinprodukte vor einer nicht zu unterschätzenden Herausforderung. Die Gesundheitswirtschaftliche Gesamtrechnung des BMWi zeigt, dass im Jahr 2018 mit circa 369 Milliarden Euro rund 12 Prozent der Bruttowertschöpfung durch die Gesundheitswirtschaft generiert wurden.

2018 betrug die deutsche Exportsumme allein für Medizintechnik circa 131 Milliarden Euro. 93 Prozent der deutschen Hersteller sind kleine oder mittelständische Unternehmen. Vor dem Hintergrund dieser Situation werden die beiden EU-Verordnungen zur Zulassung von Medizinprodukten und über In-vitro-Diagnostika angewendet.

Dass wir mit diesem Gesetzentwurf und diesem Rechtsrahmen Rechtssicherheit für alle Betroffenen wie auch für die Hersteller schaffen, halte ich für die entscheidende Herausforderung dieses Gesetzentwurfs.

Meine Damen und Herren, ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Gesetzentwurfs ist, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM – in Zukunft direkt Maßnahmen zur Risikoabwehr bei Produkten einleiten kann.

(Karin Maag [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Die neuen europäischen Medizinprodukte-Verordnungen verlangen, dass die Mitgliedstaaten meldepflichtige Vorkommnisse zentral erfassen und bewerten. Zukünftig kann das BfArM als zentrale deutsche Bundesbehörde Gefahren erkennen, kommunizieren und eindämmen.

Ebenso wird die Beteiligung der zuständigen Ethikkommission bei klinischen Studien und Leistungsstudien – wenn also Medizinprodukte auf ihre Wirksamkeit geprüft werden – gestärkt. Das begrüßen wir sehr.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD])

In diesem Gesetzentwurf werden außerdem noch wichtige sogenannte fachfremde Änderungsanträge berücksichtigt. Die öffentliche Anhörung hat gezeigt, dass sich Krankenkassen nicht in jedem Fall an die gesetzlichen Vorgaben zum Ausschreibungsgeschehen im Hilfsmittelbereich halten. Hier mussten wir reagieren. Zukünftig können Aufsichtsbehörden rechtswidrige Verträge zur Hilfsmittelversorgung beenden und ihren Vollzug verhindern. Die Krankenkassen werden verpflichtet, ihre Absicht, Verträge zur Hilfsmittelversorgung abzuschließen, unionsweit bekannt zu machen, und es wird ein Schiedsverfahren im Hilfsmittelbereich eingeführt. Damit soll insbesondere sichergestellt werden, dass der gesetzgeberische Wille uneingeschränkt umgesetzt wird.

Ein weiterer Änderungsantrag betrifft die Auflösung des DIMDI. Ich begrüße sehr, dass die Ressourcen des BfArM und des DIMDI nun gebündelt werden sollen und somit die Organisation verbessert wird.

Ich kann Ihnen die Annahme dieses Gesetzentwurfs uneingeschränkt empfehlen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)