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Carsten Müller: Es müssen unmittelbar weitere Unterstützungen folgen

Redebeitrag zur Veranstaltungswirtschaft in der Corona-Krise

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei aller Einigkeit in der Sache will ich auf den Vorredner durchaus eingehen. Ich finde es schon bemerkenswert, dass Ihnen vollkommen entgangen ist, dass Sie und Ihre Fraktion unter der Regierung Schröder selber daran beteiligt waren.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen haben wir ja den Antrag!)

Ehrlich gesagt, möchte ich Ihre wohlfeilen Worte noch um Folgendes ergänzen: Als die Veranstaltungsbranche am 1. Juli dieses Jahres das erste Mal eine Großdemonstration hier in Berlin durchgeführt hat, war leider nur die CDU/CSU-Fraktion vertreten. Das hat sich mittlerweile bei Ihnen geändert.

(Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber natürlich! Dann sind Sie nicht auf der Höhe der Zeit! – Simone Barrientos [DIE LINKE]: Die anderen waren im Haus und haben gearbeitet!)

– Sie waren eben nicht vertreten. Ich habe es mir vor Ort selber angeschaut, weil ich da war.

(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Die einen sind da, wo die Kameras sind, die anderen arbeiten!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Jetzt ist überwiegend Herr Müller dran.

 

Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU):

Bei Ihnen habe ich weder das eine noch das andere festgestellt, aber wie auch immer.

Meine Damen und Herren, die Veranstaltungsbranche ist bedeutend. Rund 1,5 Millionen Beschäftigte, 130 Milliarden Euro Umsatz sprechen eine deutliche Sprache. Sie ist sehr heterogen, von vielen Soloselbstständigen bis hin zu international tätigen Champions, die weltweit Großveranstaltungen professionell ausrichten. Es ist die Branche, die sozusagen als Erste vom Netz ging und bei der im Moment überhaupt nicht absehbar ist, wann der normale Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Viele Unternehmen haben Umsatzrückgänge von 75, 80, fast 100 Prozent erlitten. Es ist tatsächlich so, wie das Motto der Veranstaltung lautete: Es ist nicht fünf vor zwölf für diese Branche, sondern fünf nach zwölf.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Wer regiert?)

Nach den beschlossenen Maßnahmen dieser Woche haben sowohl das Bundesfinanzministerium als auch das Bundeswirtschaftsministerium erklärt, dass unmittelbar weitere Unterstützungen folgen müssen, und haben das auch eingeleitet. Es sollen 75 Prozent des Umsatzes aus dem Referenzmonat November 2019 als einmalige Kostenpauschale in diesem Jahr erstattet werden. Meine Damen und Herren, ich sage ganz deutlich als jemand, der einer Fraktion angehört, der diese Bundesregierung mit Überzeugung stützt: Das ist leider nicht genug. Es muss mehr gehen, und es muss schneller gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die außerordentlichen Hilfen, die wir zusätzlich brauchen, erklären sich ziemlich von selbst. Wir schauen auf die Schausteller. Die Schausteller sind jetzt konfrontiert mit einem Lockdown, mit einer Verunmöglichung ihres Geschäftes im November. Viele Weihnachtsmärkte sind abgesagt. Es gehört nicht viel dazu, zu erkennen, dass nicht von einem Tag auf den anderen, nämlich nicht vom 30. November auf den 1. Dezember, entsprechende Einrichtungen aus dem Boden gestampft werden können. Deswegen ist es wahrscheinlich, dass auch in diesem Jahr in der Schaustellerbranche dramatische Umsatzverluste und damit auch Arbeitsplatzverluste zu verzeichnen sind. Diesen Umsatzverlusten müssen wir entgegentreten.

Es gab, wie gesagt, erste schnelle Maßnahmen. Aber wir müssen uns auch über das Thema „Brückengeld für Unternehmerinnen und Unternehmer sowie für Soloselbstständige“ unterhalten. An die Regierung gerichtet: Ich erwarte, ehrlich gesagt, ganz kurzfristig zusätzliche Maßnahmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in den letzten Wochen viele Gespräche mit den Vertreterinnen und Vertretern der Veranstaltungsbranche geführt. Wir haben festgestellt, dass diese brennen, wieder tätig zu werden, aber eben auch annehmen, dass sie im Moment infolge der pandemischen Entwicklung nicht tätig werden können. Meine Damen und Herren, wir müssen bei den Hilfen, die wir bisher ins Werk gesetzt haben, dringend nachbessern. Ich will einige konkrete Vorschläge machen: Wir müssen über die monatliche Deckelung der Fixkostenzuschüsse nachdenken. Mit 50 000 Euro pro Monat ist einem Unternehmen, das 500 Beschäftigte hat – das sind internationale Champions –, tatsächlich nicht geholfen. Wir müssen aber vor allen Dingen auch darüber nachdenken, wie wir den Fixkostenbegriff praxisgerecht handhaben. Es kann nicht sein, dass Vorhaltekosten nicht erstattet werden, dass diejenigen, die solide finanziert waren, mit ihren Abschreibungen in die Röhre gucken und deswegen in allernächster Zeit in die Insolvenz gehen. Das dürfen wir nicht zulassen. Dafür ist diese Branche viel zu wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir können – das will ich zum Abschluss sagen; ich schaue Thomas Bareiß an – nicht bis zum Januar nächsten Jahres warten. Die bevorstehenden zwei Monate sind nicht nur für die Schausteller, sondern für die Branche im Allgemeinen die entscheidenden Monate, in denen die Umsätze – weit in das nächste Jahr hinein – generiert werden. Es ist mittlerweile so, dass viele Unternehmen seit acht Monaten praktisch keinen einzigen Euro Umsatz haben machen können, keinen einzigen Euro zurücklegen konnten. Deswegen muss jetzt schnell gehandelt werden. Ich habe die Erwartung, dass die Bundesregierung noch in den ersten zwei Wochen des Novembers hier nachlegt und konkrete Vorschläge macht, wie sie dieser schwer geschlagenen Branche helfen will. Meine Damen und Herren, insofern – bei aller Kritik an Ihren Einführungsworten – eint uns diese Auffassung weitgehend.

Ich bitte Sie um Unterstützung und bin zuversichtlich, dass sich die Bundesregierung dieses Themas annehmen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)