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Carsten Körber: "Selbstbewusst die Herausforderung annehmen"

Rede in der Aktuellen Stunde - Der Fall Haribo - Niedergang des ostdeutschen Arbeitsmarktes

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Wilkau-Haßlau von Haribo! Haribo macht dicht. Ende des Jahres wird das Werk in Wilkau-Haßlau schließen: Diese Nachricht traf Anfang November die Region Zwickau natürlich wie ein Schock.

Sehr schnell hatte sich in der gesamten Region in beeindruckender Art und Weise eine Solidarisierung der Menschen ergeben, die den Erhalt des Werkes fordern. Die Mitarbeiter – das habe ich selber bei einem Vor-Ort-Termin in Wilkau-Haßlau erlebt – haben in liebevoller Kleinarbeit Plakate mit der Aufschrift „Haribo muss im Osten bleiben“ gebastelt und haben wirklich mit ihrem Engagement nichts unversucht gelassen. Als Wahlkreisabgeordneter möchte ich hier den Versuch unternehmen, diesen konkreten Fall zu schildern.

Dieses Werk in Wilkau-Haßlau ist das kleinste im Konzern. Es ist das einzige im Osten, und es ist für die Stadt Wilkau-Haßlau der größte Gewerbesteuerzahler. Keine Frage: Diese Entscheidung schmerzt in vielerlei Hinsicht. Fakt ist aber auch – zur Wahrheit gehören auch immer zwei Seiten –: Haribo bekennt sich insgesamt zum Standort Deutschland. Haribo schafft in der Summe insgesamt neue Arbeitsplätze.

Mir ist natürlich vollkommen klar, dass das für die betroffenen Mitarbeiter vor Ort kein Trost ist. Aber am vergangenen Freitag wurde ein Sozialplan beschlossen, den die Gewerkschaft NGG für die 150 Mitarbeiter sehr gut verhandelt hat. Chapeau!

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Erpresst!)

Dieser Sozialplan geht weit über das hinaus, was in solchen Fällen üblicherweise gezahlt wird.

Ganz klar: Ich hätte mir auch gewünscht, dass Haribo in Wilkau-Haßlau bleibt und an diesem Standort festhält. Aber die unternehmerische Entscheidung ist eine andere. Jetzt hat man in dieser Situation zwei Möglichkeiten: Entweder man ist beleidigt, schimpft auf Haribo und den Kapitalismus und macht den Mitarbeitern vielleicht unbegründete Hoffnungen.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: So wie Sie!)

Aber der Sozialplan ist unterschrieben. Das weiß die Gewerkschaft; sie hat ihn ja sehr gut verhandelt. Das wissen aber auch alle Beteiligten. Jetzt muss man sich an den Realitäten orientieren.

Da zu behaupten, es gäbe ernsthafte Alternativen dazu, ist nicht ehrlich. Erst etwas zu verhandeln und dann über die Folgen meckern, das geht nicht.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Doch!)

Man darf doch nicht mit den Hoffnungen der Mitarbeiter spielen. Das ist unredlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich finde es schade, dass Die Linke diesen Fall Haribo benutzt, um daraus ihr eigenes politisches Süppchen zu kochen.

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Also, so ein Unsinn!)

Noch schlimmer: Die Linke benutzt den Fall Haribo, um den gesamten Osten schlechtzureden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie nehmen damit den Menschen ihr Selbstbewusstsein. Sie vertiefen die Spaltung mit so einer Debatte zwischen Ost und West. Kein Wort von Ihnen zu den zahlreichen Neuansiedlungen und Investitionen, gerade in der Region Zwickau. Kein Wort zu der Investition von 1,2 Milliarden Euro von Volkswagen Sachsen in den letzten beiden Jahren. Glauben Sie denn ernsthaft, mit diesem Schlechtreden macht man eine Region attraktiv?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)

Dann gibt es, wie so oft im Leben, zum Glück noch eine andere Möglichkeit, mit der Situation umzugehen. Man kann selbstbewusst die Herausforderung annehmen, die Ärmel hochkrempeln und alles daransetzen, die Kuh vom Eis zu holen. Das haben wir getan. Wir, das sind in diesem konkreten Fall der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der Bürgermeister von Wilkau-Haßlau, Stefan Feustel, und ich. Wir haben in den letzten Wochen intensive Kontakte zur Haribo-Geschäftsführung aufgenommen, stets auf der Suche nach einer guten Lösung. Und es gibt auch jetzt schon ein ganz konkretes Ergebnis: Haribo zahlt für die nächsten beiden Jahre die Summe an die Stadt, die es bisher immer als Gewerbesteuer gezahlt hat. Das ist gut und richtig.

Aber was noch viel wichtiger ist: Wir brauchen eine Nachfolgeregelung für die Mitarbeiter und den Standort. Wir haben für das Werk vier Interessenten präsentiert, die Standort und Beschäftigte übernehmen wollen. Erste Gespräche mit Haribo dazu laufen bereits. So bringt man eine Region weiter: indem man in einen konstruktiven Dialog tritt, indem man nach Lösungen sucht, und nicht, indem man alles schlechtredet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP])