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Alexander Dobrindt: "Konsequenz und Perspektiven miteinander verbinden"

Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, in den letzten Wochen hat man es deutlich gespürt: Jeder Tag des Verzichts, jeder Tag der Kontaktbeschränkungen, jeder Tag des Schließens verlangt den Menschen und der Wirtschaft in unserem Land unglaublich viel ab. Und gerade auch in diesen letzten Tagen und Wochen hat man festgestellt, dass ein Wunsch in unserer Gesellschaft immer stärker wird: der Wunsch nach Normalität.

Genau das ist auch der Grund, warum wir uns gerade in einer der kritischsten Phasen der Pandemie befinden: Auf der einen Seite haben wir die Situation, dass das Virus an einer Weggabelung steht und noch nicht absehbar ist, welchen Weg es geht: ob den von uns erhofften Weg der weiter sinkenden Inzidenzen oder einen anderen Weg mit steigenden Inzidenzen durch die Mutation. Auf der anderen Seite stellen wir fest, dass die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Lockdowns sich deutlich auf die Stimmung auswirken. Die Stimmung wird angespannter, sie wird bedrückter, und – ja, auch das muss man sagen – bei einigen Begegnungen kann man inzwischen ganz persönlich feststellen, ob das Friseure, Einzelhändler oder andere sind: Es gibt auch eine Stimmung die verzweifelter wird.

Darauf muss die Politik reagieren. Die Reaktion heißt: Konsequenz und Perspektiven miteinander verbinden. Das ist der Auftrag und die Aufgabe. Das ist auch das, was wir in unsere Entscheidungen von gestern aufgenommen haben: Wir haben klare Perspektiven für Wirtschaftshilfen und für Impfungen gegeben, aber auch eine klare Perspektive für den Einstieg in den Ausstieg aus dem Lockdown, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Beschlüsse von gestern versuchen, das Grundprinzip von Konsequenz und Perspektiven miteinander zu verbinden.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Dobrindt, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

 

Alexander Dobrindt (CDU/CSU):

Nein, danke.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Bitte.

 

Alexander Dobrindt (CDU/CSU):

Es gibt momentan an der Stelle eine ganze Reihe von Fragen und auch Kritik an der Zahl, die gestern so eine große Rolle gespielt hat, nämlich die Inzidenzzahl von 35. Da ist, offen gesagt, der Hinweis, dass es sich um eine Zahl handelt, die sich ja bereits im Infektionsschutzgesetz findet – was stimmt –, für viele als Erklärung nicht ganz ausreichend, und das wird auch heute klar. Man fragt immer wieder nach der Inzidenzzahl von 50, die man aus den vergangenen Wochen und Monaten sehr gut kennt.

Deswegen hier noch ein Satz zur Erklärung dazu: Die 50 war immer die Zahl, wo man bei wachsender Infektion den Einstieg in den Lockdown gewählt hat. Sie kann nicht gleichzeitig die Zahl des Ausstiegs aus dem Lockdown sein. Ansonsten hätten wir einen andauernden Achterbahneffekt, eine Berg- und Talfahrt zwischen Lockdown und Lockerungen. Deswegen muss für Lockerungen die Zahl deutlich unter 50 liegen, damit wir unsere Erfolge an der Stelle nicht verspielen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben festgestellt, dass der Druck und die Forderungen nach einer Öffnung der Schulen sehr, sehr groß geworden sind. Ich hoffe, dass die Maßnahmen, die die Länder an dieser Stelle ergreifen, der Senkung der Infektionskurve nicht so sehr entgegenwirken. Ich verstehe, dass der Druck groß ist. Ich verstehe, dass Homeoffice, Kinderbetreuung und Homeschooling eine enorme Doppelbelastung für die Familien bedeuten. Aber ich habe Zweifel, dass die Maßnahme der Schulöffnung zum jetzigen Zeitpunkt eine richtige ist.

Unabhängig davon, wie man diese Frage beantwortet, steht für mich auf jeden Fall fest: Wir müssen alles daransetzen, dass diese Maßnahmen nicht weitere Perspektiven für Öffnungen der Wirtschaft verbauen, meine Damen und Herren. Das ist jetzt der Auftrag, wenn man über diese Maßnahmen redet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zu den Wirtschaftshilfen. Es ist richtig und gut, dass diese Wirtschaftshilfen, die Ü III, jetzt anlaufen und beantragt werden können. Es ist wichtig, dass es bei diesen Hilfen schnell und unbürokratisch zu Abschlagszahlungen kommt. Wir werden dann feststellen, wie schnell diese Abschlagszahlungen anlaufen. Ich weise aber darauf hin: Es geht bei ganz, ganz vielen, auch gerade bei den Selbstständigen, bei denjenigen, die ein Geschäft betreiben, um ein Lebenswerk. Deswegen sind die Emotionen an dieser Stelle auch ganz besonders groß.

Es wird auch Konstellationen geben, die möglicherweise durch das Raster der Überbrückungshilfe III fallen. Deswegen meine dringende Bitte, auch an den Finanzminister: Wir erwarten, dass es eine Härtefallregelung gibt, die da unterstützt, wo Lebenswerke auf dem Spiel stehen und wo die Algorithmen der Überbrückungshilfe nicht greifen; auch das ist eine notwendige Maßnahme, um die Wirtschaft an dieser Stelle zu stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist mehrmals betont worden: Das Impfen ist der Weg aus der Krise, um die Ansteckungen zu verringern, um schwere Krankheitsverläufe einzudämmen, um Todesfälle zu vermeiden; es ist der Weg zurück in das normale Leben. Und ja, auch da hat es Fehler gegeben; es hat Fehlleistungen und Fehleinschätzungen auch gerade in Brüssel, auch in der Kommission gegeben. Aber es hat auch eine verfehlte Debatte in Deutschland gegeben, eine fehlgeleitete Debatte über den sogenannten Impfnationalismus.

Meine Damen und Herren, wir brauchen keine Debatte über Impfnationalismus. Wir brauchen eine Debatte über Mut zur Souveränität bei der Frage der Versorgung mit Medikamenten und Impfstoffen. Das ist die Aufgabe unserer Debatte.

Und sehr geehrter Herr Bartsch, Sie haben wahrscheinlich keine Zeit mehr, dieser Diskussion zu folgen, trotzdem sei an dieser Stelle der Hinweis gestattet: Sie haben hier als Erstes in einer Art Bewunderung die USA als gelungenes Beispiel beim Impfen beschrieben, dann aber beklagt, dass der Globale Süden zu wenig Impfstoff hat. Sie müssen sich an der Stelle mal entscheiden. Mal abgesehen davon, dass die Bewunderung für die USA von Ihrer Seite ein Vorgang an sich ist: Die USA haben beim Impfen eine ganz, ganz klare Devise; die heißt „America first“, und die wird sogar mit Kriegsrecht durchgesetzt. Dass Sie das bewundern, ist in der Tat ein Vorgang.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen eine Souveränitätsoffensive, auch im Bereich der Impfstoffe, der Medikamentenversorgung. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben am Wochenende gesagt: Ich will, dass wir wieder die Apotheke der Welt werden. – Ich stimme Ihnen da ausdrücklich zu; aber um das zu erreichen, müssen auch die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Dann muss ein Souveränitätsprogramm für Impfstoff und Medikamente, Forschung und Produktion in Deutschland und Europa eingerichtet werden. Stellen Sie dieses Programm vor; dann haben Sie unsere Unterstützung!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)