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Dr. Wolfgang Stefinger: "Wir haben viel Know-how im Bereich der beruflichen Bildung"

Berufliche Bildung als Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fünf Sprossen noch, dann hat sie es geschafft: Imane steht in schwindelerregender Höhe auf einem kleinen runden Plateau. In der Mitte klafft ein tiefes Loch. Sie holt tief Luft und schaut in den dunklen Abgrund hinunter – und lacht. Die 17-Jährige ist zum ersten Mal oben auf dem Übungsturm für Auszubildende in der Windkrafttechnik. Zeit für ein Selfie in voller Arbeitsmontur bleibt: Klettergurt, riesige Karabinerhaken, Helm.

Imane war eine der ersten von rund 70 Auszubildenden des Instituts für die Berufsbildung in erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, das 2015 in Marokko mit deutscher Unterstützung gegründet wurde. Mit ihrer Lehre zur Spezialistin für Energiequellen der Zukunft macht sie gleichzeitig einen großen Schritt, einen Schritt in die eigene Zukunft; denn im Gegensatz zu ihr hat fast die Hälfte der Jugendlichen in Marokko weder einen Ausbildungsplatz noch Arbeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es lohnt, Geschichten wie diese bei der GIZ nachzulesen. Es gibt viele davon, nicht nur im Bereich der Energieversorgung, auch im Bereich der Landwirtschaft, der Wasserversorgung, der Mechatronik oder der Textilverarbeitung. Aber insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es immer noch zu wenige dieser Geschichten.

In Afrika drängen pro Jahr rund 20 Millionen Jugendliche neu auf den Arbeitsmarkt. Das heißt, pro Jahr werden 20 Millionen neue Jobs gebraucht – eine unvorstellbare Zahl, wie ich finde. Berufliche Bildung „made in Germany“ oder vielleicht besser „made like Germany“ ist weltweit ein Begriff, und er steht für Qualität. Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht vor allem auch für eine starke Wirtschaft, einen starken Mittelstand, herausragende Fachkräfte im Handwerk und vor allem für eine geringe Jugendarbeitslosigkeit. All das weckt Interesse, Interesse am deutschen Ausbildungssystem, Interesse an unserem dualen Ansatz. Deshalb war es richtig, dass Bundesminister Müller einen Schwerpunkt auf die berufliche Bildung gelegt hat. Es war richtig, eine Ausbildungsinitiative für Afrika zu starten.

Afrika, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unser Nachbarkontinent. An der engsten Stelle trennen Europa und Afrika nur rund 20 Kilometer Luftlinie. Uns geht es mit unserem Antrag heute um eine praxisorientierte und bedarfsgerechte Berufsausbildung. Es geht um Jobs und damit um Teilhabe, um Chancengleichheit, um Eigenverantwortung, um Selbstverwirklichung. Kurzum: Es geht um die Zukunft von Millionen von jungen Menschen. Unser Nachbarkontinent Afrika hat ein unglaubliches Potenzial. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Zusammenarbeit intensivieren.

Mit unserem Antrag wollen wir den Austausch zwischen Deutschland und unseren Partnerländern in Afrika, in Asien und in Südamerika ausbauen. Uns geht es um Bildungsmanagement. Es geht um Unterstützung beim Auf- und Ausbau von Berufsbildungseinrichtungen. Wer, wenn nicht wir, könnte hier Expertise anbieten? Es geht um die Expertise unserer Sozialpartner, der Handwerksinnungen, der Handwerkskammern, der Fach- und Berufsschulen und auch der Auslandsschulen. Es braucht hier Praktiker vor Ort, die wissen, auf was es ankommt, welche Herausforderungen und Schwierigkeiten es beim Aufbau von Berufsschulen gibt und auch beim Zusammenspiel mit Lehrbetrieben geben kann. Wir wollen die bestehenden Ausbildungsprogramme ausbauen und stärken, weil wir überzeugt sind, dass es sich lohnt, vor Ort Perspektiven zu schaffen, und weil wir auch aus eigener Erfahrung in Deutschland wissen, dass ohne qualifizierte Fachkräfte kein Wachstum, keine starke Wirtschaft und kein Wohlstand möglich sind.

Wir haben viel Know-how im Bereich der beruflichen Bildung. Lassen Sie uns bitte dieses Know-how nutzen und zur Verfügung stellen. Deswegen wollen wir Unternehmen bei uns darin bestärken, auch bei ihren Mitarbeitern dafür zu werben, sich in der Entwicklungszusammenarbeit zu engagieren. Der Senior Experten Service zum Beispiel ist eine führende Organisation für die Entsendung von ehrenamtlichen Fachkräften auf Zeit als Experten für die duale Ausbildung in ein Entwicklungsland. Hierfür müssen wir werben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen den Ländern helfen, Potenziale zu erkennen und diese Potenziale zu nutzen. Mit unserem Antrag wollen wir darauf hinwirken, dass künftig ein Viertel der Haushaltsmittel im Entwicklungsetat für Bildung bereitgestellt wird. Wir sind davon überzeugt, dass berufliche Bildung nicht nur der berühmte Schlüssel zum Wohlstand ist, sondern auch einer unserer entwicklungspolitischen Leuchttürme. Mit unserem Antrag wollen wir diesen Leuchtturm, wenn Sie so wollen, weiter ausbauen, aufstocken, dazu beitragen, dass er weiterhin sichtbar ist und sein Licht noch heller strahlt. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)