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Dr. Volker Ullrich: "Im Jahr 2019 waren es 128 900 Einbürgerungen in Deutschland"

Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Staatsangehörigkeitsrecht vermittelt eine besondere Bindung an den Verfassungsstaat. Für uns ist klar, dass die deutsche Staatsbürgerschaft nicht zu Beginn, sondern am Ende eines erfolgreichen Integrationsprozesses steht. Aber dies ist in den Voraussetzungen der sogenannten Anspruchseinbürgerung bereits geregelt. Die Voraussetzungen sind: ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, acht Jahre Aufenthalt in Deutschland, ausreichende Deutschkenntnisse, die Fähigkeit, seinen Lebensunterhalt selbst zu sichern, das Bestehen eines Einbürgerungstestes, das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und keine Verurteilung wegen einer Straftat. Das alles ist geltendes Recht. Es ist falsch und widerwärtig, so zu tun, als ob das nicht geltendes Recht wäre. Aber dieser Geist spricht aus Ihrem Antrag.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich Ihren Antrag lese, dann sehe ich: Sie sprechen von Vorgängen an der griechisch-türkischen Grenze im März 2020, von Massenmigration, von Flüchtlingsströmen. Die Frage, die erlaubt sein muss, ist: Was haben die Vorkommnisse an der griechisch-türkischen Grenze mit der deutschen Staatsangehörigkeit zu tun? Die Antwort ist: nichts.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Genau!)

Aber Sie schreiben es in den Antrag rein, um immer die gleiche Leier zu spielen, nämlich bei jedem Thema auf Ihr Lieblingsthema zurückzukommen und Angst zu schüren vor Flüchtlingen und vor Migration. Das ist ein falsches Spiel. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie uns auf die Zahlen der Einbürgerungen sehen.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Gehen zurück!)

Im Jahr 2019 waren es 128 900 Einbürgerungen in Deutschland. Die Zahl ist leicht gestiegen im Vergleich zu den Vorjahren; da waren es immer etwa um die 100 000 Einbürgerungen pro Jahr. 100 000 Einbürgerungen im Jahr ist etwas über ein Promille unserer Bevölkerung – um noch mal darzustellen, um welchen Bereich es sich hier handelt.

Die höchste Zahl der Eingebürgerten waren Menschen mit ehedem türkischer Staatsangehörigkeit, 16 200 Menschen, zum allergrößten Teil Menschen,

(Beatrix von Storch [AfD]: Die zu zwei Dritteln Erdogan wählen!)

die seit vielen Jahrzehnten hier wohnen und Steuern gezahlt haben. Das darf auch bei dieser Debatte nicht vergessen werden. Die zweitgrößte Anzahl an Menschen, die sich einbürgern haben lassen, waren Menschen aus Großbritannien, 14 600 Einbürgerungen. Das hat auch was mit der Flucht vor dem Brexit zu tun. Sie als deutsche Brexit-Partei sind ja in einer besonderen Rolle diesbezüglich.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau!)

Menschen aus Syrien, Irak und Afghanistan hingegen machten etwa 10 Prozent der Eingebürgerten aus. Das heißt also: Das alles, was Sie in Ihrem Antrag als – angebliche – Tatsache anführen, hat mit der Realität nichts zu tun. Ihr Antrag ist schlichtweg Fake News, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte noch auf zwei Dinge eingehen, zum einen auf die Frage: Wie überreichen wir in unserem Land die Einbürgerungsurkunde? Ich glaube, darüber können wir trefflich streiten. Ich meine, dass die Zeit vorbei sein sollte, wo sie einfach per Posturkunde zugestellt wird. Man sollte durchaus kleine Feierlichkeiten abhalten, auch nach Corona. Aber es ist niemand gezwungen, die Hymne in den Amtsstuben, wie Sie es als nötig suggerieren, zu singen. Entscheidend ist der Respekt vor den Symbolen der Republik, der Respekt vor der Verfassungsordnung, der Respekt vor einem weltoffenen und toleranten Deutschland. Diesen Respekt können wir mit Fug und Recht einfordern. Aber dieser Respekt wird gelebt durch ein Miteinander, in dem wir uns alle als Menschen begreifen, die diesen Staat erbauen wollen, und nicht als Menschen, die diesen Staat spalten möchten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen, abschließend gesagt: Ich meine, dass das jetzige Staatsangehörigkeitsrecht Ergebnis der Entwicklung von intensiven Diskussionen war. Es macht den Menschen, die Staatsbürger werden wollen – das ist zu Recht ein Kompliment für uns –, ein gutes Angebot, aber ein Angebot auf der Basis des Verfassungsstaates und unter Respekt und Anerkennung unserer Werteordnung. Ihr Antrag lässt das vermissen. Deswegen werden wir ihn ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)