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Dr. Ursula Leyen: Unser Engagement ist ein Beitrag zur staatlichen Einheit des Iraks

Rede zur Fortsetzung der Ausbildungsunterstützung der Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung:

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde die Bilder des Sommers 2014 nie vergessen. Die Terrorgruppe des IS hat brutal Terrain gewonnen. Wir haben gesehen, wie sie die Kurden vertrieben haben. Sie haben sie förmlich überrannt. Sie standen 10 Kilometer vor Bagdad. Der IS hat versucht, einen Genozid an den Jesiden zu vollziehen. Meine Damen und Herren, in diesen Tagen haben wir uns schnell entschlossen, die kurdischen Peschmerga auszurüsten und auszubilden – auszurüsten war das Entscheidende –, damit sie den IS stoppen können, damit sie die Jesiden und andere Flüchtlinge im Nordirak schützen können. Ich kann heute nur sagen: Diese Mission war damals bitter nötig, und sie ist richtig gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der Auftrag ist von der Bundeswehr bestens ausgeführt worden, und er ist bei unseren Partnern hochanerkannt. Wir haben gut 16 000 Peschmerga ausgebildet, und zwar ganz elementar – darunter sind auch Jesiden, Turkmenen, Kakai, Christen –, also von Anfang an inklusiv und einigend gewirkt und ihnen eine hochqualifizierte und fundierte Ausbildung gegeben. Das Ziel war, den IS zu stoppen, zurückzudrängen, ihn zu schlagen. Wir haben dieses Ziel erreicht. Der IS im Irak ist physisch geschlagen, meine Damen und Herren. Ich sage das auch, obwohl ich zugleich bedaure, dass die kurdische Regionalregierung mit dem Referendum einen Weg eingeschlagen hat, vor dem wir sie dringend gewarnt haben und ihr abgeraten haben. Sie kennen die Geschehnisse der letzten Wochen. Da die Lage unmittelbar nach dem Referendum zunächst äußerst unklar wurde, haben wir am 13. Oktober entschieden, die Ausbildung in Erbil zunächst ruhen zu lassen, auch als klares politisches Zeichen für Dialog und Deeskalation. Wir haben eine Woche später die Ausbildung wieder aufnehmen können. Ich habe sowohl mit dem irakischen Ministerpräsidenten Abadi als auch mit dem damaligen Präsidenten der kurdischen Autonomiebehörde Barzani telefoniert. Beide haben versichert, das zukünftige Verhältnis Bagdads und Erbils im Dialog lösen zu wollen, so schwierig dieser Dialog auch immer sein mag.

Ich will aber hier auch sehr deutlich sagen: Trotz all dieser schwierigen Entwicklungen ist für uns ganz klar: Die Peschmerga waren in dieser ganzen Zeit in ihrem tapferen Kampf gegen den IS und mit dem Schutz, den sie Millionen von Flüchtlingen gegeben haben, für unsere Bundeswehr ein guter und ein verlässlicher Partner. Das werden wir nicht vergessen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben aber auch von Anfang an gesagt, dass unser Engagement ein Beitrag zur staatlichen Einheit des Iraks ist. Wir haben immer darauf geachtet, dass auch eine Kooperation mit der Zentralregierung in Bagdad möglich war. Wir haben Iraker teilweise in Deutschland ausgebildet. Wir haben Material geschickt, zum Beispiel Sanitätsmaterial, ABC- und Kampfmittelabwehr. Wir haben uns deshalb immer für einen funktionierenden Gesamtstaat Irak eingesetzt. Deshalb sagen wir sowohl Bagdad als auch Erbil, dass sie ihre Konflikte mit der Richtschnur der irakischen Verfassung lösen müssen.

Meine Damen und Herren, auch wenn der IS im Irak, wie ich es eben sagte, physisch geschlagen ist, so dürfen wir uns nichts vormachen. Endgültig besiegt ist der IS noch keineswegs. Weder die Terrorgruppe, die in der Region immer noch im Untergrund Nester hat und auch von dort aus – aus der Region heraus – bei uns operiert, noch die Ideologie, die genutzt wird, um jungen Menschen ein menschenverachtendes Weltbild zu vermitteln und sie zu radikalisieren, sind verschwunden. Entscheidend ist jetzt, da der IS im Irak geschlagen ist, dass die Menschen im Irak sehen: Es macht einen Unterschied, wenn sie von der Terrorherrschaft befreit sind.

Insofern sind wir sofort mit Unterstützung der Vereinten Nationen in die befreiten Städte und Regionen gegangen und haben für Wiederaufbau gesorgt, dafür, dass Elektrizität da ist, die Häuser geflickt werden, Wasser da ist, Essen da ist, Erste Hilfe ankommt und die Wiederversöhnung beginnt. Wir haben auch angefangen, einen nachhaltigen Aufbau von Fähigkeiten bei den Streitkräften und Polizeikräften im gesamten Irak vorzubereiten. Insofern führt die internationale Koalition – immerhin 69 Staaten beteiligen sich daran – das Ausbildungskonzept fort. Ich finde es gut, dass inzwischen auch die Europäische Union und die NATO der Koalition gegen den Terror beigetreten sind und sich stärker beim Capacity Building im Irak engagieren wollen.

Wenn der Bundestag überlegen wird, in welcher Form die Koalition gegen den Terror in Zukunft im Bereich Ausbildung unterstützt werden soll, dann kann er genau hier an das bereits Erreichte anknüpfen. Um Stabilität zu erreichen, werden ein wirklicher Wille zur Versöhnung, eine hochwertige Ausbildung und Beratung der Sicherheitskräfte, eine kompetente Unterstützung bei der Security Sector Reform und umfassende humanitäre Aufbauhilfe nötig sein. Für all das sind wir gerüstet; wir haben Erfahrung.

Heute geht es um Erbil, wo wir gemeinsam mit Italien, Finnland, den Niederlanden, Slowenien und Ungarn arbeiten. Wir bitten darum, dass Sie das entsprechende Mandat in unveränderter Form für drei Monate verlängern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)