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Dr. Stephan Harbarth: Die Aufklärung des Anschlages ist nicht abgeschlossen

Rede zur Einsetzung eines 1. Unterschungsausschusses

Lukasz Urban, Dorit Krebs, Sebastian Berlin, Angelika Klösters, Dalia Elyakim, Anna Bagratuni, Georgiy Bagratuni, Peter Völker, Fabrizia Di Lorenzo, Klaus Jacob, Christoph Herrlich, Nada Cizmár – das sind die Namen der sechs Frauen und sechs Männer, die vor rund einem Jahr, am 19. Dezember 2016, bei einem der schrecklichsten Terroranschläge in der Geschichte unseres Landes ihr Leben verloren.

Dutzende Menschen wurden bei diesem Anschlag zum Teil sehr schwer verletzt. Viele von ihnen und viele Angehörige kämpfen noch heute darum, einen Weg zurück in ihr Leben zu finden. Den Familien der Toten, den Hinterbliebenen und Verletzten des Anschlags möchte ich – und ich gehe davon aus, dies geschieht im Namen des gesamten Hauses – unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme aussprechen.

(Beifall im ganzen Hause)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zwischen allen Fraktionen besteht Konsens, dass es auch gegenüber den Toten die Verpflichtung des Deutschen Bundestages ist, die Vorgeschichte des Anschlags umfassend und ohne jede falsche Rücksicht aufzuklären. Unser Fraktionsvorsitzender Volker Kauder hat deshalb schon früh, nämlich im Januar 2017, die Bereitschaft der CDU/CSU erklärt, einen Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag einzusetzen. Er wäre im vergangenen Frühjahr auch eingesetzt worden, wenn wir damals nicht kurz vor dem Ende der Legislaturperiode gestanden hätten.

Die Arbeit der Untersuchungsausschüsse des Landtags von Nordrhein-Westfalen, des Berliner Abgeordnetenhauses sowie der Taskforce des Parlamentarischen Kontrollgremiums und des Innenausschusses des Bundestages haben in den letzten Monaten deutlich gemacht, dass ganz eklatante Fehler gemacht wurden. Es entstand das Bild eines Mannes, der sich mit diversen Identitäten nahezu ungehindert durch Deutschland bewegen konnte, dem 13 Straftaten – darunter auch Drogenhandel in einem ganz erheblichen Umfang – zugeschrieben wurden, ohne dass es zu einer Inhaftierung kam, eines Mannes, der bereits radikalisiert nach Deutschland einreiste, früh als extrem gefährlich identifiziert wurde, letztlich aber abtauchen und unbemerkt einen Anschlag vorbereiten und zum Attentäter werden konnte.

In anderen, ähnlich gelagerten Fällen haben unsere Sicherheitsbehörden – und dafür sind wir ihnen zu großem Dank verpflichtet – herausragende Arbeit geleistet und Terroranschläge verhindern können; doch der Anschlag am Breitscheidplatz ist auch für unsere Sicherheitsbehörden eine Niederlage. Und angesichts der Vielzahl der beteiligten Behörden muss man sagen: Es ist eine Niederlage für unseren Staat, die auch ein Teilversagen unserer Sicherheitsarchitektur aufdeckt. So etwas darf sich nicht wiederholen.

Mit der Aufklärung müssen wir zugleich eine Antwort auf die Frage geben: Welche Lehren sind für Befugnisse, Organisation und Kooperation der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden von Bund und Ländern einerseits und der für den Vollzug des Asyl- und Ausländerrechts zuständigen Behörden andererseits zu ziehen? Dabei entbindet uns die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses nicht von der Verpflichtung, schon in den nächsten Monaten die Aufgaben anzugehen, die nach heutigem Erkenntnisstand offen zutage liegen.

Die Aufklärung des Anschlages ist nicht abgeschlossen. Doch sie steht auch nicht länger an ihrem Anfang. Erste exekutive und legislative Maßnahmen haben wir bereits ergriffen. Unser Innenminister Thomas de Maizière hat in einem weithin beachteten Beitrag zu Beginn des vergangenen Jahres Schlussfolgerungen gezogen. Weitere Maßnahmen sind zwischen CDU/CSU und SPD in den Sondierungsgesprächen vereinbart worden.

Unser Untersuchungsauftrag bleibt eher knapp. Wir verzichten auf eine Vielzahl von Detailfragen, weil die Erfahrung mit Untersuchungsausschüssen zeigt: Zu detaillierte Einzelfragen erweisen sich meist eher als Hemmschuh, als dass sie die Aufklärung fördern.

Zwölf Menschen haben durch die Terrortat am Breitscheidplatz ihr Leben verloren, Dutzende wurden teils lebensbedrohlich verletzt. Meine Fraktion ist entschlossen, so weit wie möglich an das Vorbild der beiden NSU-Untersuchungsausschüsse anzuknüpfen und die Arbeit in diesem Untersuchungsausschuss in diesem Geist zu gestalten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)