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Dr. Stefan Kaufmann: Das Grundgesetz hindert die Länder an keiner Stelle mehr in die Bildung zu investieren

Rede zur vollständigen Aufhebung des Kooperationsverbotes in der Bildung

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode beglücken uns die Kolleginnen und Kollegen der Linken mit dem bildungspolitischen Dauerbrenner der letzten acht Jahre: der Forderung nach einer Aufhebung des sogenannten Kooperationsverbots.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Mein Dank dafür – das wird Sie sicherlich nicht überraschen – hält sich allerdings in Grenzen, nicht nur deshalb, weil ich nach wie vor ein überzeugter Gegner eines solchen Schrittes bin, sondern weil ich auch nach Studium Ihres Antrags beim besten Willen nicht erkennen kann, warum wir das Grundgesetz an dieser Stelle ändern sollten. Sie führen einzig und allein an, dass die Länder nicht ausreichend in die Bildung investieren und der Bund noch mehr mitfinanzieren soll.

Für mich bleiben dabei zwei wesentliche Fragen offen: Erstens. An welcher Stelle sind die Länder durch die geltende Grundgesetzregelung daran gehindert, mehr in Bildung zu investieren? Zweitens. Wie soll eine wie auch immer geartete Grundgesetzänderung dafür sorgen können, dass uns insgesamt mehr für Bildung zur Verfügung steht?

Zur ersten Frage. Wo bitte hindert denn das Grundgesetz die Länder daran, Schulen zu sanieren, die Ganztagsbetreuung auszubauen, Kitaplätze zu schaffen, die Hochschulen besser auszufinanzieren, mehr in die berufliche Bildung zu investieren oder die Digitalisierung voranzutreiben? An keiner Stelle!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das, was angeblich verboten ist, nämlich die Kooperation, gibt es bereits heute. Sie alle wissen dies, und Sie kennen die verschiedenen milliardenschweren Programme – ich nenne sie nur beispielhaft – wie die Qualitätsoffensive Lehrerausbildung – 500 Millionen Euro –, die Bildungsketten – 550 Millionen Euro alleine vom BMBF, ohne BMAS –, „Kultur macht stark“ – 230 Millionen Euro –, das kommunale Bildungsmanagement – 170 Millionen Euro – und vor allem die zweimal 3,5 Milliarden Euro für die Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen. Hören Sie also bitte endlich auf mit dem Gerede vom Kooperationsverbot!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zur zweiten Frage. Bringt eine Grundgesetzänderung mehr Geld für Bildung? Die klare Antwort lautet: Nein. Eine Änderung des Artikels 104b Grundgesetz bringt per se keinen zusätzlichen Euro.

(Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: Aber an Möglichkeiten, auszugeben!)

Die von Ihnen beklagte Unterfinanzierung der deutschen Bildungssysteme beenden Sie mit einer Grundgesetzänderung nicht. Frau Kollegin Beer von der FDP wird mir da sicherlich zustimmen. Denn als hessische Kultusministerin sagte sie damals zu diesem Thema: „Die Argumente für eine Grundgesetzänderung bleiben aber auch bei der hundertsten Wiederholung falsch.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Wo sie recht hat, hat sie recht!)

Lassen Sie uns bitte die Fakten betrachten. Fakt ist: Die Antragsteller wollen nicht etwa, wie es die Überschrift des Antrags vermuten lässt, mehr Bildungsausgaben seitens des Bundes, sondern sie wollen einzig und allein pauschal mehr Geld vom Bund für die Länder.

(Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: Auch Quatsch!)

Sie nennen auch gleich den Betrag, den Sie sich vorstellen, Frau Kollegin: 34 Milliarden Euro. Wozu? Um den Sanierungsstau an Deutschlands Schulen zu beenden. Ja, es ist eine Schande, wenn, wie jüngst in Berlin geschehen, Schulgebäude einstürzen, weil die Landesregierung nichts für den Erhalt der Gebäude tut.

Ja, es ist eine Schande, wenn, wie in vielen Berliner Schulen traurige Realität, Schultoiletten seit 30 Jahren nicht saniert wurden. Dafür muss aber niemand das Grundgesetz ändern. Es ist die unbedingte Pflicht einer verantwortungsbewussten Landesregierung, solche Missstände frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Anstatt hier also von Kooperationsverboten zu lamentieren, sollten die Damen und Herren Abgeordneten von der Linken ihren Genossen in Berlin, die hier die Verantwortung tragen, einmal ins Gewissen reden und endlich eine vernünftige Schulpolitik einfordern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Fakt ist weiter: Die Antragsteller behaupten – ich unterstelle: wider besseres Wissen –, die Länder seien nicht in der Lage, ausreichend Geld für Bildungsausgaben aufzubringen. Die Realität ist jedoch eine andere – Sie haben es gerade selber angedeutet –: Zwar stimmt es, dass der Bund allein im letzten Jahr 5 Milliarden Euro an Haushaltsüberschüssen erwirtschaftet hat, doch auch die Länder stehen glänzend da – da widerspreche ich Ihnen nun –: Sie konnten sich zeitgleich über Mehreinnahmen in Höhe von 9 Milliarden Euro freuen. Selbst die Kommunen erzielten im vergangenen Jahr 5,4 Milliarden Euro an Haushaltsüberschüssen.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Kaufmann, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Bull-Bischoff?

Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU):

Ja.

Birke Bull-Bischoff (DIE LINKE):

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass im Land Berlin in den kommenden Jahren 60 Grundschulen saniert werden? Punkt eins.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dann brauchen sie ja kein Geld mehr vom Bund!)

Punkt zwei. Stimmen Sie der einfachen Logik zu, dass die von der KfW-Bankengruppe bezifferten fehlenden 34 Milliarden Euro für Schulgebäudesanierungen nicht allein auf die rot-rot-grün regierten oder die rot-grün regierten Länder zu beziehen sind?

Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU):

Im letzten Punkt stimme ich mit Ihnen natürlich überein. Das betrifft nicht nur rot-rot-grün oder rot-grün regierte Länder; aber der Antrag stammt nun einmal von Ihnen, und deshalb nehme ich Sie nun als Vertreterin der Länder für die Länder, in denen Ihre Partei mitregiert, in die Pflicht.

(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU] – Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: Deswegen sind wir die Bösen?)

Schön, dass Berlin 60 Schulen sanieren will; aber offensichtlich geschieht das viel zu spät. Daran geht wohl kein Weg vorbei.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Angesichts dieser Zahlen dürfte jedem klar werden: Es braucht eigentlich gar nicht die zusätzlichen Mittel des Bundes für die Schulen im Land. Die Länder verfügen mittlerweile über ausreichende Mittel und jede Möglichkeit, dieses Geld auch in die Zukunft zu investieren. Das ist besser, als nach immer mehr Bundesmitteln zu rufen.

Mein Eindruck ist, dass die Antragsteller offenbar jegliches Maß verloren haben. 1,2 Milliarden Euro jährlich aus der BAföG-Finanzierung und die besagten zweimal 3,5 Milliarden Euro mehr im Kommunalinvestitionsförderungsfonds bezeichnen Sie in Ihrem Antrag als „Tropfen auf den heißen Stein“. Gar nicht erst erwähnt werden von Ihnen die 20,2 Milliarden Euro Hochschulpaktmittel im Zeitraum 2007 bis 2023 und die vielen anderen Programme, die ich vorher genannt habe.

Fakt ist also: Der Bund engagiert sich bereits heute in Sachen Bildung finanziell so umfassend wie nie zuvor, übrigens auch umfassender als vor 2006.

Noch einen Fakt erspare ich Ihnen ebenfalls nicht, Frau Kollegin: Der Deutsche Bundestag allein wird am Grundgesetz gar nichts ändern können; denn für eine Änderung des Grundgesetzes ist bekanntermaßen auch eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat erforderlich. Zwar berichten Sie hier stolz, dass eine Reihe von Bundesländern die vollständige Aufhebung des Kooperationsverbotes fordert, Sie verschweigen jedoch den wesentlichen Aspekt, dass nur ganze sieben Länder, also nicht einmal die Hälfte der Länder – dazu kommt, dass es eher die kleineren Länder sind –, diesen Vorstoß unterstützen wollen.

Da ich nun weiß, dass auch unsere Freunde von den Grünen – Kollege Gehring wird ja wahrscheinlich gleich sprechen – mit einer Grundgesetzänderung liebäugeln, zitiere ich zu diesem Thema gerne auch stellvertretend den Regierungschef von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann: „Zu dieser Revolution wird es nicht kommen.“

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer will schon Revolution?)

Zumindest zu Zeiten, als Frau Beer – wieder an die Adresse der FDP gerichtet – als Ministerin in Hessen Bildungspolitik zu verantworten hatte, sah das im Übrigen auch die FDP so. Ich zitiere noch einmal, diesmal Frau Beer:

Niemand ist dagegen, dass in irgendeiner Weise kooperiert wird, nur eines ist klar: Nach dem Grundgesetz haben die Länder die Hoheit im Bereich der Schulpolitik, und dementsprechend wollen wir uns weder von anderen Ländern noch vom Bund hier hineinregieren lassen.

Lassen Sie uns also lieber nach vorne blicken und wahren, richtigen bildungspolitischen Gestaltungswillen zeigen. Führen wir nicht länger Scheindebatten über angebliche Kooperationsverbote, sondern schnüren wir ein Zukunftspaket für beste Bildung. Die Unionsparteien haben genau das vor.

Unser Grundgesetz gibt uns bereits heute ausreichend Spielraum, um in gemeinsamer Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen für gleichwertige Lebensverhältnisse im Bildungsbereich zu sorgen, ohne die Kultushoheit und damit auch die Eigenstaatlichkeit der Länder auszuhöhlen. Ja, wir haben eine gesamtstaatliche Verantwortung; aber – auch das möchte ich an dieser Stelle sagen – das Bundesverfassungsgericht setzt uns angesichts der Ewigkeitsgarantie in Artikel 79 Absatz 3 Grundgesetz hier sehr enge Grenzen.

Bessere Rahmenbedingungen für optimale Lehr- und Lernbedingungen wollen wir ohne eine erneute Grundgesetzänderung schaffen. Wir werden einen DigitalPakt Schule auf den Weg bringen, wir werden qualitativ hochwertige Ganztagesangebote schaffen, und wir werden – das liegt mir persönlich sehr am Herzen – endlich dafür sorgen, dass die Bildungsabschlüsse in ganz Deutschland aufgrund einheitlicher Bildungsstandards vergleichbar und gegenseitig anerkannt werden und so Schulwechsel zwischen zwei Bundesländern erleichtert werden. Das erwarten die Eltern und die Schülerinnen und Schüler zu Recht von uns. Das müssen und das werden wir gemeinsam mit den Ländern angehen.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Kaufmann, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass ich jetzt die Rechte des Kollegen Schipanski wahrnehme.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU):

Um die Sanierung ihrer Schultoiletten aber müssen und sollen sich die Länder bitte weiterhin selbst kümmern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)