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Dr. Joachim Pfeiffer: Die Förderung erfolgt dort, wo der bisherige Bankkredit nicht aushilft oder nicht ausreichend ist

Rede zum ERP-Wirtschaftsplangesetz 2018

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten in der Tat das ERP-Wirtschaftsplangesetz 2018, wie es jetzt auch richtigerweise an der Tafel ausgewiesen wird. Kollege Westphal hat schon richtigerweise darauf hingewiesen, dass das ERP, European Recovery Program – diese Mittel wurden einstmals im Rahmen des Marshallplans zur Verfügung gestellt –, eine Erfolgsgeschichte ist. Seit fast 70 Jahren, seit 1948 werden diese Mittel in Deutschland zur Wirtschaftsförderung eingesetzt. Insgesamt sind es über 100 Milliarden Euro, mit denen hier insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen gefördert wurden und mit denen Millionen von Arbeitsplätzen geschaffen und gesichert wurden.

Was wird gefördert? Innovationen, Exportleistungen von Unternehmen, Aufbau und Modernisierung bestehender Unternehmen in regionalen Fördergebieten und, was jetzt zukünftig noch mehr im Fokus stehen wird, Existenzgründer, Wachstumsfinanzierungen und vor allem auch Beteiligungskapital für junge, innovative Unternehmen. Im Fokus stehen dabei kleine und mittelständische Unternehmen, die im Vergleich zu Großunternehmen oftmals strukturelle Nachteile bei der Finanzierung haben. Die Förderung erfolgt traditionell durch Kredit. Deutschland ist ja ein Land des Kredits, des Bankkredits, der Fremdkapitalfinanzierung, weil wir über Jahrzehnte hinweg Eigenkapital steuerlich vielleicht nicht immer so behandelt haben, wie wir es hätten tun sollen. Deshalb haben wir in Deutschland traditionell eher eine fremdkapitallastige Finanzierung.

Diese Förderung erfolgt insbesondere dort, wo der bisherige Bankkredit nicht aushilft oder nicht ausreichend ist. Die Förderung war in der Vergangenheit besonders dadurch gekennzeichnet, dass Kredite mit besonders günstigen Zinsen zum Zuge kamen: mit langen Laufzeiten, Verzicht auf Tilgungsleistungen, insbesondere in den Anfangsjahren, was gerade für Neugründungen oftmals wichtig und hilfreich war, und gleichzeitig sehr flexibel, dass jederzeit Tilgungen vorgenommen und damit Zins- und Tilgungsbelastungen schnell gemildert werden konnten. So weit, so gut.

Bisher haben wir ein jährliches Fördervolumen von rund 6 Milliarden Euro. Aber bekanntlich ist das Bessere der Feind des Guten. Wir sehen, dass durch das niedrige Zinsniveau und das Zinsumfeld diese Zinsvorteile bei Krediten in den letzten Jahren nicht mehr der allergrößte Renner sind. Deshalb weist uns der Bundesrechnungshof zu Recht darauf hin, dass der Mittelabfluss gar nicht mehr so vollumfänglich erfolgt, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Dies ist im Übrigen auch ein Zeichen dafür, dass die Finanzierungssituation im klassischen unternehmerischen Bereich funktioniert, auch jetzt in der Hochkonjunktur und in der Aufschwungsphase. Wer weiß, was die Zukunft bringt. Deshalb müssen wir dort auch weiterhin am Ball bleiben.

Es besteht hier Handlungsbedarf – der Kollege Westphal hat schon darauf hingewiesen –, insbesondere bei innovativen jungen Unternehmen, die schnell wachsen. Diese Unternehmen können sich über den Bankkredit nicht so schnell refinanzieren oder gar Wachstum finanzieren. Hier gereicht es uns zum Nachteil, dass wir aufgrund der Historie in Deutschland bei der Wachstumsfinanzierung im Vergleich zu vielen anderen Ländern nicht so gut aufgestellt sind. Deshalb müssen wir hier jetzt neue Schwerpunkte setzen, dass wir weg vom Kredit hin zur Wachstumsfinanzierung mit kapitalersetzendem Charakter beim Eigenkapital kommen. Das ist der neue Fokus, der in der vergangenen Legislaturperiode hier im Haus große Übereinstimmung gefunden hat.

Der Markt für Venture-Finanzierungen in Deutschland hat sich in den letzten Jahren zwar gut entwickelt, von 2013 bis 2015 haben sich die Beträge allein auf 3 Milliarden Euro vervierfacht. Wenn man es aber im internationalen Vergleich sieht, sind wir leider noch übersichtlich unterwegs. In den USA sind es 50 Milliarden Euro im selben Zeitraum. Dort haben sich die Beträge verdoppelt. Deutschland hat, was die Wachstumsfinanzierung in absoluten Zahlen angeht, in Europa Platz drei hinter Großbritannien und Schweden inne. Bezogen auf das BIP ist das Potenzial noch höher. In den eben angeführten USA beträgt der Wachstumsfinanzierungsbereich 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in Israel sogar 0,4 Prozent, während es in Deutschland gerade einmal 0,02 Prozent sind. Das heißt, wir haben mindestens den Faktor 10, den wir hier noch hebeln müssen.

Die KfW geht gegenwärtig von einer Angebotslücke in Höhe von 500 bis 600 Millionen Euro jährlich aus. Auch hier – darauf hat der Kollege Westphal schon hingewiesen – haben wir ein Problem mit der Wagniskapitalfinanzierung im Wachstumsbereich bei Dimensionen in Höhe von 5, 10, 15, 20 oder gar 50 Millionen Euro. Das können wir im Moment kaum leisten. Wir haben nicht die entsprechenden Möglichkeiten. Deshalb besteht hier eine fatale Abhängigkeit, dass Dritte es von außen finanzieren. Das wäre noch okay, wenn es in Deutschland stattfindet. Vielmehr besteht aber die Gefahr, dass die Unternehmen entsprechend abwandern, gerade im Hightechbereich haben wir das im Wachstumsfinanzierungsbereich in den letzten Jahren beobachten müssen.

Deshalb gibt es den neuen Ansatz mit einer Beteiligungstochter der KfW. Es gibt schon eine ganze Reihe: ERP-Beteiligungsprogramm, ERP/EIF-Mezzanine-Dachfonds, ERP-Venture-Capital-Fondsinvestments, Wachstumsfonds, coparion und andere mehr; ich kann sie hier im Einzelnen nicht erläutern. Hier steht eine Größenordnung von 700 Millionen Euro zur Verfügung. Die Beteiligungsfinanzierung soll auf 500 Millionen Euro erhöht werden. Dies soll außerhalb der KfW mithilfe des Vehikels geschehen, das sich jetzt in der Gründung befindet und das hoffentlich im ersten Quartal des nächsten Jahres operativ anläuft. Es wird dann auf Eigenkapital, also kapitalersetzende Maßnahmen wie Venture Capital Fonds und Venture Debt Fonds, spezialisiert sein.

Es ist aber nicht so, dass wir das nur öffentlich managen wollen. Der VEB ist auch bei der Wachstumsfinanzierung nicht die richtige Antwort, sondern die KfW soll dazu verhelfen, dass auch privates Kapital sich entsprechend entwickelt, gehebelt und zunehmend in den Wachstumsmarkt integriert wird. Es erfolgt also kein Crowding-out, sondern ein Crowding-in.

Wir denken, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich hoffe, dass wir in der 19. Legislaturperiode eine ebenso große Übereinstimmung finden und haben werden, wie wir sie in der 18. Legislaturperiode hatten. Dort hatten wir den ERP-Unterausschuss des Ausschusses für Wirtschaft und Energie. Frau Grotelüschen hat ihm vorgesessen; sie ist heute hier. Dort wurde die wesentliche und wichtige Vorarbeit für den Beschluss geleistet, den wir hier im Hause am 30. März dieses Jahres über alle Fraktionen hinweg gefasst haben. Die Bundesregierung wurde darin aufgefordert, diese Instrumente entsprechend weiterzuentwickeln. Nun liegt der Gesetzentwurf vor. Auch in dieser Übergangsphase, in der wir uns im Moment befinden, zeigen wir uns hier im Deutschen Bundestag handlungsfähig und können dem wichtigen Instrument der Wachstumsfinanzierung neue Impulse geben.

Ich hoffe, dass wir sowohl heute bei der ersten Lesung als auch bei den weiteren Beratungen im Ausschuss, in der zweiten und dritten Lesung sowie vor dem Bundesrat die notwendige Unterstützung bekommen, um die PS bei der Wachstumsfinanzierung bereits im ersten Quartal des nächsten Jahres auf die Piste bringen zu können.

In diesem Sinne: Herzlichen Dank, und ich hoffe auf breite Unterstützung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)