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Dr. Hendrik Hoppenstedt: Um potenzielle Straftäter abzuschrecken, benötigen wir schlagkräftige Sicherheitsbehörden

Rede in der aktuellen Stunde zu linksextremen Gewalttaten gegen die politische Betätigung demokratischer Parteien

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der AfD, ausgelöst durch einen Angriff auf den AfD-Bundestagsabgeordneten Gottschalk am Rande des Parteitages in Hannover, befasst sich laut Titel ausschließlich mit linksextremen Straftaten. Zugleich schreibt der betroffene Abgeordnete in einem offenen Brief, nachzulesen auf Facebook, an den Bundestagspräsidenten: Durch skandalöse Tatenlosigkeit der Regierung Angela Merkel werden AfD-Mitglieder „an der Wahrnehmung ihrer grundgesetzlich garantierten Rechte gehindert, Funktionäre bedroht und körperlich angegangen, bis hin zu schwersten Verletzungen“.

Damit wird ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Regierungshandeln bzw. Unterlassen auf der einen Seite und der Straftat gegen Herrn Gottschalk auf der anderen Seite gezogen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

– Schön, dass es Ihnen gefällt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Sie gestatten mir dazu fünf Bemerkungen:

Bemerkung Nummer eins. Gewalt darf niemals Mittel der politischen Auseinandersetzung sein.

(Beifall bei der AfD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Politische Gewalt ist illegal, egal aus welcher Richtung sie kommt.

(Beifall bei der AfD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Freuen Sie sich jetzt nicht zu früh; es ist noch nicht Weihnachten. Es geht noch weiter. – Wer Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung nutzt, ist kriminell, sonst nichts, und gehört abgeurteilt.

(Beifall bei der AfD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Insoweit ist es selbstverständlich, dass ich den Angriff auf den Abgeordnetenkollegen Gottschalk hier verurteile und gute Genesung wünsche.

(Beifall bei der AfD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Bemerkung Nummer zwei. Der AfD-Antrag erweckt den Eindruck, dass wir es nur mit linksextremistischen Straftätern zu tun haben.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Nö!)

Das ist so ähnlich wie bei der Linkspartei, die diesen Antrag in abgeänderter Form auch immer wieder stellt und sich dabei nur mit rechtsextremistischen Straftätern befasst. Ein Blick auf die Statistik der politisch motivierten Kriminalität des BKA im Jahre 2016 hilft, klarer zu sehen: Von den 1 643 Straftaten gegen Mandatsträger auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene sind 151 Delikte durch Linksextreme, aber 696 Straftaten durch Rechtsextreme begangen worden. Das bedeutet: Wir haben viermal mehr Straftaten von rechts als von links. Umso unverständlicher ist es, dass Sie als AfD in der Überschrift zu Ihrem Antrag die Straftaten der Rechten so unter den Tisch haben fallen lassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Ich hoffe sehr, dass das nicht auf irgendwelche wahlkampftaktischen Motive zurückzuführen ist.

Bemerkung Nummer drei. Sie tun so, als ob nahezu ausschließlich AfD-Vertreter Opfer politisch motivierter Straftaten werden.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Das steht da nicht!)

Das ist in hohem Maße irreführend. Ich will nur einige Beispiele nennen – das ist ja heute schon oft genug gemacht worden –: Der Bürgermeister Andreas Hollstein aus der Stadt Altena im Sauerland ist vor wenigen Wochen schwer verletzt worden. Auf Frau Reker ist heute schon mehrfach hingewiesen worden. Ich möchte aber auch die Kollegin Müntefering aus Herne hier benennen, deren Autos im Wahlkampf, wie ich glaube, mehrfach gebrannt haben.

(Zuruf von der AfD: Meines auch!)

Deswegen gibt es keinen Grund, warum die AfD sich alleine als Opfer hochstilisiert.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Tun wir ja nicht!)

Andere sind genauso betroffen – was die Sache natürlich insgesamt nicht besser macht.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: So ist es!)

Bemerkung Nummer vier: Die angebliche Tatenlosigkeit der Regierung Merkel sei Grund für die erfolgten Straftaten, schreibt der Abgeordnete Gottschalk in seinem offenen Brief an den Bundestagspräsidenten. Diese Aussage finde ich einigermaßen unverschämt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Nein, die ist zutreffend!)

Im Bundestagswahlkampf habe ich beobachtet, dass an den Ständen der AfD an die Passanten kleine Ausgaben des Grundgesetzes verteilt worden sind. Damit wollten Sie wahrscheinlich zum Ausdruck bringen, dass Sie in hohem Maße verfassungstreu sind. Möglicherweise wollten Sie auch zum Ausdruck bringen, dass das für die anderen Parteien nur eingeschränkt gilt.

Ich will auf jeden Fall darauf hinweisen, dass es nicht verboten ist, Grundgesetztexte zu verteilen.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Nö! – Martin Schulz [SPD]: Besser ist es, es zu lesen!)

Aber es wäre schön, wenn Sie das gelegentlich auch einmal lesen würden, was Sie da verteilen;

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN )

denn dann hätten Sie wissen müssen – von Artikel 1 des Grundgesetzes will ich jetzt gar nicht sprechen –, dass der Bund zwar über die allermeisten Gesetzgebungskompetenzen verfügt, dass aber im Hinblick auf den Gesetzesvollzug unsere föderale Ordnung nahezu ausschließlich die Bundesländer in der Pflicht sieht. Genau darum geht es hier: um den Schutz einer Parteiveranstaltung und der daran teilnehmenden Delegierten. Das fällt in allererster Linie und nahezu ausschließlich in Länderzuständigkeit, wie fast alles in den Bereich der Länderzuständigkeit fällt, was die Prävention, aber auch die Verfolgung von Straftaten mit sich bringt. Das hat übrigens mit der Bundeskanzlerin nichts, aber auch wirklich nichts zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Wie der G-20-Gipfel in Hamburg! Ja!)

Das bringt mich zu der fünften und auch letzten Bemerkung: Um potenzielle Straftäter abzuschrecken, benötigen wir schlagkräftige Sicherheitsbehörden. Wir als Union haben, auch auf Initiative von Thomas de Maizière, in den letzten Jahren Tausende neue Stellen geschaffen; und wir werden diesen Weg fortsetzen. Wir brauchen aber auch mehr Engagement der Länder. Das betrifft nicht nur die Aufstockung der Landespolizeien, sondern das betrifft auch die personelle Stärkung der Justiz. Dieses Thema wird vielerorts immer noch stiefmütterlich behandelt. Doch die besten Aufklärungsarbeiten der Polizei nützen nichts, wenn die Justiz die Straftäter anschließend nicht aburteilt, sondern wegen Überlastung die Verfahren einstellt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP)

Das frustriert nicht nur die Polizisten, das schwächt vor allen Dingen das Vertrauen in unseren Rechtsstaat. Deswegen ist es so wichtig, dass wir in dieser Wahlperiode mit den Ländern ins Gespräch kommen, damit es im Rahmen eines Paktes für Justiz zu signifikanten Verbesserungen kommt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der AfD und der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Dann hat sich die Aktuelle Stunde ja schon gelohnt, Herr Abgeordneter!)