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Dr. Andreas Lenz: Es gilt kreativ zu sein und auszuloten, wo man Ersatz für wegfallende Aufgaben finden kann

Rede in der Aktuellen Stunde zu Arbeitsplatzverlusten bei Siemens

Sehr geehrte Frau Präsidentin, für die CDU/CSU-Fraktion natürlich, auch wenn ich Sie ungern korrigiere. – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der deutsche Arbeitsmarkt steht so gut da wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

So erreichte die Zahl der Erwerbstätigen im September dieses Jahres mit 44,5 Millionen Menschen in Beschäftigung einen erneuten Höchststand.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie haben die Millionen prekär Beschäftigten vergessen!)

Das sind 600 000 Menschen mehr als zu diesem Zeitpunkt im letzten Jahr. Dieser wirtschaftliche Erfolg hat auch einen Namen: Das ist die unionsgeführte Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Vor allem die CSU in Bayern!)

– In Bayern läuft es natürlich noch besser, Kollege Ernst. – Aber gleichzeitig merkt man bei einem geplanten Stellenabbau wie jetzt bei Siemens einmal mehr, dass die gute wirtschaftliche Situation nicht gottgegeben ist. Wir stehen als Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb und sind durch unsere Exportorientierung auf die Weltmärkte angewiesen wie kaum ein anderes Land.

Das gilt natürlich insbesondere für ein multinationales Unternehmen wie Siemens. So ist die globale Nachfrage nach großen Gasturbinen drastisch gesunken. Auf etwa 110 Turbinen pro Jahr wird sich die globale Nachfrage zukünftig belaufen. Wir haben aber Fertigungskapazitäten für circa 400 Turbinen im Jahr. Es ist hier so, dass es sich um globale Trends handelt, wie es sich auch bei der Entwicklung der erneuerbaren Energien um globale Trends handelt. Darauf muss Siemens natürlich reagieren. Täte Siemens das nicht, wäre das ebenso verantwortungslos. Allerdings gilt es auch, zu betonen, dass gerade Siemens an anderer Stelle vom Umbau der Energieversorgung massiv profitiert, beispielsweise beim Ausbau der Offshorekapazitäten. Das zeigt sich in der Gesamtprofitabilität des Unternehmens.

Jetzt muss ich schon auch sagen, dass ich mir die Kommunikation von Siemens hier sicherlich anders gewünscht hätte. Es geht nicht, dass die Arbeitnehmervertretungen vom geplanten Stellenabbau aus den Medien erfahren – einen solchen Stil mag man vielleicht im Umgang von Parteien intern manchmal gewohnt sein, aber das ist kein Umgang auf Augenhöhe. Und das müssen wir als Politik natürlich klar sagen; das müssen wir klar anmahnen. Gerade Siemens als globales Vorzeigeunternehmen hat natürlich auch eine Verpflichtung, seiner sozialen Verantwortung gerecht zu werden. Wertschöpfung durch Wertschätzung – das geht nur miteinander. Verantwortlichkeit sieht an dieser Stelle natürlich anders aus, aber mit Verantwortungslosigkeit kennen Sie sich von der SPD ja sehr gut aus.

(Ulli Nissen [SPD]: Ha, ha, ha! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist keine überzeugende Aussage hier!)

Deswegen haben Sie ja auch diese Aktuelle Stunde beantragt.

Insgesamt ist ein Abbau von 6 900 Stellen geplant, davon die Hälfte in Deutschland im Bereich Power.

(Martin Schulz [SPD]: Wieso kennen wir uns mit Verantwortungslosigkeit aus? Können Sie mir das mal erklären?)

– An anderer Stelle hat das ja auch die jüngste Vergangenheit gezeigt.

(Martin Schulz [SPD]: So eine Dreistigkeit!)

Im Bereich Power und Gas geht es konkret um 2 600 Stellen in Deutschland. Dabei sollen die Werke in Görlitz und Leipzig geschlossen werden,

(Ulli Nissen [SPD]: Offenbach nicht vergessen!)

aber auch Erfurt, Mülheim, Offenbach, Erlangen und Berlin sind betroffen. Gestern haben hier in Berlin Hunderte Mitarbeiter um das Berliner Gasturbinenwerk in Moabit gegen den Stellenabbau protestiert. Das Motto „Wir umarmen unser Werk“ zeigt die Verbundenheit der Menschen zum Unternehmen. Diese Verbundenheit ist für Siemens eigentlich ein Wert an sich.

Es geht um Schicksale, es geht um Existenzen, es geht um Menschen, und das häufig noch dazu in strukturschwachen Gebieten; das haben wir ja gerade schon gehört. Das kann niemanden kaltlassen. Deshalb gilt es, auszuloten, kreativ zu sein, wie man da, wo Aufgaben wegfallen, Ersatz finden kann.

Auch die Kanzlerin hat sich eingeschaltet. Auch wenn die Politik letztlich unternehmerische Entscheidungen nicht übernehmen kann und auch nicht soll, geht es darum, an die Verantwortung der Akteure zu erinnern. Das Unternehmen sagt, dass die Maßnahmen sorgfältig, umsichtig und langfristig angelegt sind. Daran werden wir die Unternehmensleitung messen. Die Wirtschaft ist letztlich immer für den Menschen da und nicht anders herum. Der Unternehmensgründer Werner von Siemens meinte: Mit tätigem Eingreifen in die gefürchteten Räder des Schicksals kann man manches Unheil abwenden. – Diesen Geist wünsche ich auch dem aktuellen Unternehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das trifft aber auch uns, gell? – Martin Schulz [SPD]: Mäßiger Beifall! Berechtigterweise!)